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Thorsten Geißler: Sicherheitslücke muss geschlossen werden
LANDTAGSFRAKTION S C H L E S WI G - H O L S T E I N Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.cdu.ltsh.de e-mail:info@cdu.ltsh.dePRESSEMITTEILUNG Nr. 410/02 vom 09. Oktober 2002Justizpolitik TOP 2 Thorsten Geißler: Sicherheitslücke muss geschlossen werdenIn einem durchaus bemerkenswerten Redebeitrag während der ersten Lesung des heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurfes meiner Fraktion hatte der Kollege Puls für die SPD-Landtagsfraktion erklärt: „Wenn mit einem Landesgesetz zur Unterbringung von besonders rückfallgefährdeten und hochgefährlichen Straftätern auch nur ein einziges Sexualverbrechen oder ein anderes schweres Verbrechen verhindert werden kann, dann sollten wir dieses Landesgesetz machen.“ Ich hatte damals die Hoffnung geschöpft, dass auch in diesem Hause, ähnlich wie im Bayerischen Landtag, mit einer breiten Mehrheit ein Gesetz würde verabschiedet werden können, das eine bedenkliche Sicherheitslücke zum Schutz vor hochgefährlichen Straftätern schließen würde. Es ist jedoch zutiefst bedauerlich, dass die Kollegen der SPD im Innen- und Rechtsausschuss sich bei der abschließenden Beratung sich gegen eine Annahme unseres Gesetzentwurfes ausgesprochen haben.Ich hege dennoch die Hoffnung, dass die aktuelle Diskussion über einen angemessenen Schutz der Bevölkerung gerade auch vor Sexualstraftätern nach einem besonders abscheulichen Verbrechen gerade in unserem Bundesland auch die SPD-Landtagsfraktion erreicht hat und sie dazu veranlasst hat, ihre ablehnende Position noch einmal zu überdenken. Denn der Bundesgesetzgeber hat die von uns allen damals erkannte Sicherheitslücke keineswegs zwischenzeitlich geschlossen. Die vom Deutschen Bundestag mit den Stimmen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossene sogenannte Vorbehaltsregelung wird erst in einigen Jahren wirksam werden. Es werden nur diejenigen Personen erfasst, die nach Inkrafttreten des Gesetzes von einem Strafgericht verurteilt werden und bei denen dann die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der Sicherheitsverwahrung besteht. Sie erfasst nicht vor dem Inkrafttreten des Gesetzes verurteilten Straftäter und sie erfasst auch nicht diejenigen Straftäter, die in Zukunft verurteilt werden, bei denen sich die Gefährlichkeit aber nicht zum Zeitpunkt der Verurteilung sondern erst während der Verbüßung des Vollzuges reißt. In solchen Fällen sind in Schleswig-Holstein, jedenfalls nach der gegenwärtigen Rechtslage, wir haben ja heute die Möglichkeit das zu ändern, im Gegensatz zu Baden-Württemberg und Bayern, den Richtern die Hände gebunden. Das wollen wir ändern. Es ist für uns nicht länger hinnehmbar, wenn der FDP-angehörende Justizminister von Baden-Württemberg, Ulrich Goll, auf dessen Initiative ja ein entsprechendes Gesetz in seinem Bundesland beschlossen wurde, vor wenigen Tagen erklären musste, ich zitiere wörtlich: „Deutschland entlässt jährlich deutlich mehr als zehn potenzielle Wiederholungstäter in die Freiheit, weil den Richtern die Hände gebunden sind, auch wenn die objektive Wiederholungsgefahr bei den Sexualstraftätern erkennbar ist. Und es ist ebenfalls ein bemerkenswerter Vorgang, wenn der Generalstaatsanwalt unseres Landes eine Notwendigkeit sieht, die Gesetze zu ändern, weil eine erkennbare Lücke in jedem Bereich besteht, wenn eine wegen Geisteskrankheit untergebrachte Person nachträglich als geheilt erkannt wird und somit nicht mehr schuldfähig ist, weil nach der gegenwärtigen Rechtslage dann eine Entlassung zu erfolgen hat, auch wenn sich aus anderen Gründen als der ursprünglich bestehenden Krankheit eine Gefährlichkeitsprognose ergibt.Im November werden die Fraktionen von CDU/CSU und FDP im Deutschen Bundestag eine Gesetzesinitiative zeitgleich im Bundestag und auch mehrere Bundesländer im Bundesrat einbringen, um die von mir aufgezeigte Sicherheitslücke durch ein Bundesgesetz zu schließen. Aber ob es jemals beschlossen wird, ist auf Grund der bisher unbeweglichen Haltung von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mehr als zweifelhaft. Selbst wenn sich diese Fraktionen eines Besseren besinnen würden, wäre ein solches Gesetz kurzfristig nicht zu verabschieden.Da der Bundesgesetzgeber seine Regelungskompetenz bisher wie bereits dargelegt nicht ausgeschöpft hat, kann an einer Fortdauer einer entsprechenden Gesetzgebungskompetenz der Länder kein Zweifel bestehen.Es kann im Übrigen auch niemanden überraschen, dass vor wenigen Tagen, nämlich am 4. Oktober der Deutsche Richterbund auf die bestehende Sicherheitslücke bei der Haftentlassung von Rückfalltätern aufmerksam gemacht hat und ich zitiere: „Aus gegebenen Anlass erneut eine seriöse Debatte über die Sicherungsverwahrung von Rückfalltätern“ angemahnt hat. Wörtlich heißt es in der Erklärung: „Bereits bei Einführung der sogenannte Vorbehaltslösung, nach der Gerichte bei besonders gefährlichen Tätern deren Gefährdungspotenzial überprüfen und gegebenenfalls im Urteil die Anordnung von Sicherungsverwahrung vorbehalten können, hat der Deutsche Richterbund auf eine Sicherheitslücke hingewiesen. Diese vor kurzem Gesetz gewordene Regelung erfasst nicht die sogenannten Altfälle. Gegen Vor Inkrafttreten dieser neuen Regelung abgeurteilte Täter können die Strafgerichte nachträglich Sicherungsverwahrung nicht verhängen. Da diese Täter häufig hohe Freiheitsstrafen verbüßen, greift das neue Gesetz oft erst nach Jahren. Bis dahin ist der Schutz der Bevölkerung möglicherweise nicht immer gewährleistet. Diese Gefährdungslücke ließe sich, wie in einigen Ländern bereits durch Landesgesetz geschehen, schließen durch ein rechtsstaatlich abgesichertes Verfahren, nachdem die künftige Gefährlichkeit solcher Täter unmittelbar vor der Haftentlassung in jedem Fall und nicht nur bei einer vorzeitigen Entlassung gerichtlich überprüft wird.“ Wir schlagen Ihnen heute ein rechtsstaatlich abgesichertes Verfahren vor, mit dem die bestehende Sicherheitslücke geschlossen wird. Ich kann mich dem Vorsitzenden des Deutschen Richterbundes, Geert Mackenroth, nur anschließen, der wörtlich ausgeführt hat: „Natürlich haben auch die Beschuldigten in den letzten grausamen Mordfällen bis zum Abschluss des Strafverfahrens als unschuldig zu gelten. Tickende Zeitbomben dürfen gleichwohl nicht sehenden Auges auch nicht nach Verbüßung ihrer Strafe entlassen werden. Das Instrument der Führungsaufsicht ist ein stumpfes Schwert, weil es die Entlassung selbst nicht verhindert.“ Das ist genau der Punkt, der es deutlich macht, wie falsch und auch wie hilflos ihre Haltung, Frau Justizministerin, ist. In einer Presseerklärung vom 8. August führen Sie zunächst richtig aus: „Maßregelvollzug greift beispielsweise bei geisteskranken Tätern. Fällt die Geisteskrankheit weg, so entfällt auch die Grundlage für den Maßregelvollzug die Täter sind zu entlassen. Damit beschreiben Sie richtigerweise einen Teil der bestehenden Sicherheitslücke. Sie führen jedoch weiter aus: „Handelt es sich bei diesen Menschen jedoch um erkennbar gefährliche Personen, so müssen zum Schutz der Allgemeinheit Vorkehrungen getroffen werden, durch die ebenfalls eine Betreuung und Beobachtung gewährleistet ist. Solche Maßnahmen könnten beispielsweise in der Anordnung und der konsequenten Ausgestaltung der Führungsaufsicht liegen.“Erkennbar gefährliche Personen, tickende Zeitbomben, wie sie der Vorsitzende des Deutscher Richterbundes richtigerweise nennt, müssen nicht entlassen, nicht besser beobachtet werden, abgesehen davon, dass Sie eine solche Beobachtung mit dem Ihnen zur Verfügung stehenden Personal gar nicht gewährleisten können. Nein, meine Damen und Herren, vor solchen hochgefährlichen Straftätern, vor solchen tickenden Zeitbomben, muss die Öffentlichkeit dauerhaft geschützt werden. Genau das ermöglichen wir mit unserem Gesetzentwurf. Ich bin der festen Überzeugung, dass nicht wenige Abgeordnete der Koalitionsfraktionen, zumindest in den Reihen der SPD, unserem Gesetzentwurf gerne zustimmen würden, weil sie erkannt haben, dass unsere Argumentation richtig ist. Es wäre höchst bedauerlich, wenn dies heute wiederum dadurch deshalb unterbliebe, weil es immer noch ein schlichtweg unvorstellbarer Vorgang ist, dass auch einem Gesetzentwurf der Opposition zugestimmt wird. Wenn Sie aber heute unseren Gesetzentwurf ablehnen, dann tragen Sie die Verantwortung dafür, dass eine bedenkliche Sicherheitslücke in unserem Land weiter fortbesteht. Ob Sie das verantworten wollen und können, müssen Sie selbst entscheiden.