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Bernd Schröder zu TOP 1: Politik kann nur Rahmenbedingungen setzen, Entscheidungen fallen im Unternehmen
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 09.10.2002 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 1 – Aktuelle Stunde zu Mobilcom (weiterer Beitrag)Bernd Schröder:Politik kann nur Rahmenbedingungen setzen, Entscheidungen fallen im UnternehmenEs sind hier ja verschiedene Aspekte der Situation rund um die MobilCom a ngespro- chen worden. Lassen Sie mich dem noch einige Gedanken hinzufügen. Ich will gerne einräumen, dass es bei MobilCom eine Reihe ernster und auch hausgemachter Prob- leme gegeben hat. Etwa die allzu ehrgeizigen, expansiven Pläne des Unternehmens- gründers. Oder die schließlich ganz offensichtlichen Spannungen und Rivalitäten zwi- schen der MobilCom und der France Télécom. Und vor allem die falsche Einschätzung der Marktentwicklungen durch das Management, insbesondere was die wirtschaftlich realen Möglichkeiten der UMTS-Technologie betrifft.Es ist allerdings auch fair, in diesem Zusammenhang zu sagen, dass die Wachstums- potenziale im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien nicht nur in Büdelsdorf überschätzt wurden, sondern in der gesamten Branche. Zu viele glaubten vor eineinhalb bis zwei Jahren noch, der enorme Boom in den Wachstumsbranchen halte ewig. Die Folge: Es wurde oft bedenkenlos und unter allzu hohem Risiko inves- tiert. Die Geldbeschaffung an den Börsen oder bei Risikokapitalgebern war ja offe n- sichtlich kein Problem. Das Ergebnis ist bekannt: Zig-Milliarden verschwanden in den unendlichen Weiten des Cyberspace, und die einst so hochgejubelten Start-ups wur- den brutal auf den Boden der ökonomischen Tatsachen zurückgeholt. Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/13 07 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-Die Bäume wachsen eben nicht in den Himmel das galt – und gilt – auch für die Mo- bilCom. Um das klar zu sagen, meine Damen und Herren: Es kann natürlich niemals Aufgabe der Politik sein, sich in das operative Geschäft eines Unternehmen einmi- schen zu wollen oder ihm Ratschläge zu erteilen, was richtig oder was falsch ist. Das kann die Politik gar nicht, dazu fehlen ihr schlicht die Instrumente, außerdem liegt die Verantwortung für die Unternehmen letztendlich in den Unternehmen, genauer: bei der Unterne hmensführung. Das heißt aber nicht, dass die Politik nicht auch in der Verant- wortung steht – sie setzt die Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Unterne h- men, sie ist a uch gefordert, im Rahmen ihrer Möglichkeiten und der ordnungspoliti- schen Spielregeln zu fördern und zu helfen. Und letzteres, meine Damen und He rren, galt für die MobilCom in der Situation, in der sich das Unternehmen Mitte September befand, in besonderer Weise. Und das aus folgenden Gründen: • Erstens: Die MobilCom befand sich in einem – um das einmal so auszu- drücken – besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Großgesellschaf- ter France Télécom, der dem Büdelsdorfer Unternehmen schlicht den Geldhahn zugedreht hatte. Es wird bezweifelt, dass dieser Schritt der Franzosen gerechtfertigt und vor allen rechtens war. Das bedeutete Mitte September: Wenn die MobilCom – ungeachtet der zu klärenden Rechts- fragen – nicht allerschnellstens mit liquiden Mitteln versorgt worden wäre, wäre das Ende des Unternehmens binnen weniger Tage unausweichlich gewesen. • Zweitens: Es ist vielfach die Meinung vertreten worden, ein Insolvenzve r- fahren wäre der bessere Weg gewesen, um zumindest das Kerngeschäft der MobilCom zu retten. Die Befürworter dieser Lösung vergessen jedoch, dass völlig unklar ist, welche Folgen ein Insolvenzverfahren hi nsichtlich ei- ner möglichen Einigung mit der France Télécom hätte haben können. Auch in dieser Frage galt es, Zeit zu gewinnen, einmal ganz abgesehen davon, dass ein Insolvenzverfahren vermutlich höchst negative Auswir- kungen auf das gesunde Kerngeschäft der MobilCom gehabt hätte. -3- • Denn das ist der dritte Punkt, weshalb schnelle Hilfe durch die Politik not- wendig war: In ihrem Kerngeschäft, dem Mobilfunkgeschäft, wurde die MobilCom von Fachleuten als durchaus gesund eingestuft. Es bestanden – und bestehen – also gute Aussichten, dass sich das Unternehmen in diesem Bereich in absehbarer Zeit ohne fremde Hilfe am Markt behaupten kann.Das bedeutet also: Die MobilCom muss zunächst auf ihr erfolgverspreche ndes Kern- geschäft zurück geführt werden – mit der bitteren und schmerzlichen Konsequenz, dass dies zahlreiche Arbeitsplätze kosten wird. Aber es gibt derzeit keine andere Wahl der geplante Ausbau der UMTS-Technik muss mangels Potenzial einstweilen auf Eis gelegt werden.Um das an dieser Stelle sozusagen als Fußnote anzumerken: Es gibt ja inzwischen eine ganze Reihe von Kritikern, die sich gern als Verfechter marktwirtschaftlicher Prin- zipien darstellen, die aber jetzt behaupten, die Bundesregierung hätte seinerzeit bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen einschreiten und das Ganze stoppen müssen. Gewissermaßen um die Unternehmen vor sich selbst zu schützen! Natürlich sind die UMTS-Lizenzen von den Bietern in eine enorme Größenordnung hochgetrieben wor- den, und natürlich haben die Bieter ganz offensichtlich – wie wir heute wissen – die Marktchancen für diese Technologie viel zu optimistisch eingeschätzt.Aber die Kritik, der Staat hätte seinerzeit aufpassen müssen, dass sich die Unterne h- men nicht übernehmen, geht doch wohl ins Leere. Erstens hätten sich die handelnden Unternehmensführer solche Eingriffe vermutlich mit dem Hinweis auf Wettbewerb und Marktwirtschaft strengstens verbeten. Zweitens hätte sich der Staat wohl kaum anma- ßen können, die Märkte besser zu kennen als die i nternational ausgerichteten Konzer- ne, und drittens wäre eine Einmischung des Staates zweifellos ein Verstoß gegen die ordnungspolitischen Spielregeln gewesen, die wir uns nun mal gegeben haben und auf die gerade die Verfechter der Marktwirtschaft so gerne verweisen. -4-Sie sehen, meine Damen und Herren: für die Politik gab es in den Jahren zuvor keinen Anlass, die MobilCom zu ermahnen, die Finger von der UMTS-Technologie zu lassen oder sich mit ähnlichen Ratschlägen zu Wort zu melden. Jetzt aber, meine Damen und Herren, lassen Sie uns zum Geist der gemeinsam und einstimmig beschlossenen Re- solution zurück kommen und lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, das bei der MobilCom so viele Arbeitsplätze wie nur irgend möglich erhalten und gesichert werden mit einer gesunden Perspektive für das Unternehmen.