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04.09.02
12:14 Uhr
B 90/Grüne

Angelika Birk und Monika Heinold zur Großen Anfrage Kinderbetreuung

Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.de
Große Anfrage Kinderbetreuung: Nr. 201.02 / 04.09.2002
Große Unterschiede im Land!
Zur Großen Anfrage „Kinderbetreuung in Schleswig-Holstein“ erklären die bildungs- und sozialpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Angelika Birk, und die finanzpolitische Sprecherin und Parlamentarische Geschäftsführerin, Monika Heinold:
Erstmalig seit in Krafttreten des Kindertagesstättengesetzes (KitaG) in Schleswig- Holstein (1991) liegt nun eine landesweite Erfassung der Kinderbetreuungsstrukturen für Jungen und Mädchen von 0 bis 14 Jahren vor. Dies ist notwendig, um die öffentlichen Auseinandersetzungen um die Qualität und Kosten öffentlicher Kinderbetreuung auf ob- jektive Grundlagen zu stellen.
Unsere Erwartungen erfüllt die Antwort auf die Große Anfrage jedoch nur zum Teil. An vielen Stellen bleibt die Landesregierung die Antwort bzw. konkrete Daten zu einzelnen Fragebereichen schuldig. Das liegt daran, dass Finanzierung und Planung aller öffentli- chen Formen von Kinderbetreuung per Gesetz den Kommunen übertragen sind, die die- sem Auftrag offenbar in sehr unterschiedlicher Qualität nachkommen. Die Landesregie- rung hat deshalb zu wesentlichen Fragen landesweit aktuell bei den Einrichtungen nach- gefragt. Der Rücklauf von 61,9 Prozent erlaubt zusammen mit anderen vorhandenen Strukturdaten eine verlässliche Einschätzung der Lage.


Zu den Ergebnissen im Einzelnen:
- Platzversorgung: Für die 3- bis 6-Jährigen ist gemäß dem Gesetzanspruch mit 93 Prozent fast gesichert, nicht aber überall eine bedarfsgerechte Angebotsstruktur. - Unterversorgung im Krippenbereich, Hort und betreuten Grundschule: einen Krippenplatz für die 0- bis 3-Jährigen steht nur für 0,92 Prozent der Kinder zur Verfü- gung; einen Hortplatz gibt es nur für 4,97 Prozent der Grundschulkinder und in eine betreute Grundschule gehen nur 10 Prozent der Kinder – hier ist die Situation in den Städten deutlich besser als auf dem Land.
- Deutliche regionale Unterschiede: beispielsweise sind in Neumünster 64 Prozent Ganztagsgruppen, betragen die Kosten für einen Platz im Durchschnitt 4.669 Euro und der Kostenanteil der Kommune liegt bei 54 Prozent. Dagegen im Kreis Steinburg: Ganztagsgruppen 2 Prozent, Platzkosten im Durchschnitt 3.781 Euro, Kostenanteil Kommune 40 Prozent.
- Erhebliche Unterschiede bei den Gesamtkosten eines Kita-Platzes: diese differie- ren erheblich, ebenso wie die Verteilung der Kostenanteile auf Eltern, Einrichtungs- träger, Gemeinde, Kommune und Land. Entscheidende Parameter für diese Unter- schiede sind vor allem die Einrichtungsträgerschaft sowie der regionale Standort der Kita: ein Dreivierteltagsplatz kostet in Ostholstein 1.549 Euro pro Jahr, in Rendsburg Eckernförde 12.776 Euro.
- Auslastung: der Gruppen für 3-6 Jährige liegt im Landesdurchschnitt bei 20,5 Kinder – aber eine Reihe der Kreise und kreisfreien Städten haben mehr als 20 Kinder in ei- ner Gruppe – landesweit sind das 48,5 Prozent aller Gruppen. Spitzenreiter nach o- ben im Bezug auf die genehmigten Plätze und die faktische Anzahl der Kinder sind Neumünster mit 71 Prozent und Steinburg 80 Prozent aller Kindertagesstättengrup- pen mit mehr als 20 Kindern.
- Öffnungszeiten: der Kindertagestätten differieren erheblich – sie liegen zwischen vier Stunden und mehr als neun Stunden am Tag – deutliche Unterschiede finden sich zwischen den einzelnen Trägern (Arbeiterwohlfahrt: 52 Prozent aller Gruppen sind Ganztagsgruppen, bei der Diakonie sind es nur 11 Prozent) und insbesondere zwischen größeren Städten und ländlichen Regionen (Dithmarschen hat 4,5 Prozent Ganztagsgruppen, in Kiel sind dagegen 61,9 Prozent aller Gruppen Ganztagsgrup- pen). Die Betreuung in den Ferien ist mit einer durchschnittlichen Schließzeit von sechs und mehr Wochen (bis zu 12 Wochen) schlecht und bleibt weiterhin eine für Berufstä- tige kaum lösbare individuelle Aufgabe der Eltern. Immerhin über 10 Prozent aller Kindertagesstätten geben an, im letzten Jahr ihre Öffnungszeiten erweitert zu haben.
- Bedarfsermittlung und konzeptionelle Kita-Arbeit: Die Bedarfsermittlung und so- mit die Kita-Planung der Kreise und kreisfreien Städte kann nur als unzureichend be- zeichnet werden, da sie nicht einheitlich erfolgt und über rein formale Platzzahlenan- gaben kaum hinausgeht. Konkrete Aussagen über die qualitative und konzeptionelle Kita-Arbeit konnte ledig- lich anhand der Eigenaussagen der Einrichtungen ermittelt werden. Jedoch geben 67 Prozent der beteiligten Einrichtungen an, kein spezielles Konzept zu haben.


Unsere Schlussfolgerungen:
1) Die Große Anfrage zeigt, dass nach wie vor nicht der reale Bedarf einer Familie über die Wahl der Einrichtung für ihre Kinderbetreuung entscheidet, sondern dass das vor Ort vorhandene Angebot die faktische Kinderbetreuung bestimmt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird bei der Ausgestaltung der Angebote in weiten Teilen des Landes noch nicht erreicht.
2) Die Vorschläge des Sozialministeriums zur Umstrukturierung des Kindertagestätten- gesetzes beinhalten landesweit einheitliche Zuschüsse und damit auch der Möglich- keit, einheitliche Angebotsstrukturen zu schaffen. Dies ist sinnvoll. Richtig ist auch, Abrechnungsvereinfachung und Kostentransparenz herzustellen. Über eine Pro-Kopf- Bezuschussung sollen Leerstände vermieden werden. Außerdem werden dadurch Anreize geschaffen, damit die Betreuungsangebote an den Bedürfnissen der Familien ausgerichtet werden.
3) Negativ auswirken kann sich die neu geplante Bezuschussung auf die Einrichtungen, die sich durch besonders kleine Gruppen auszeichnen. Dies trifft insbesondere Kin- dertageseinrichtungen in den ländlichen Räumen.
4) Die qualitativen Fragen wie beispielsweise die zusätzliche Sprachförderung oder die Umsetzung von mehr Bildung in Kindertagesstätten ist nach wie vor unklar und unge- löst.
5) Die Anfrage zeigt, dass die Kommunen in eigener Verantwortung die Gruppengrößen maximal ausschöpfen – dies ist ein weiterer Beleg für die Notwendigkeit der Stan- dardsicherung, wofür wir uns immer eingesetzt haben.
6) Es wird außerdem deutlich, dass die Kostenstruktur erheblich schwankt, woraus sich eine Reihe weiterer Fragen ergeben. Neben den Kommunen, die die Kosten haupt- sächlich tragen, sind in allen Kinderbetreuungsformen die Eltern die zweitwichtigsten Finanziers. Spitzenreiter ist hier Lübeck, dort tragen die Eltern fast 40 Prozent der Kindertagesstättenkosten.


Unsere Forderungen:
• Da wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer erleichtern wollen, müssen wir die Angebotslücken für unter Dreijährige und über Sechsjährige schließen.
• Da wir landesweit vergleichbar gute Angebote wollen, müssen wir durch einen regel- mäßigen Datenabgleich und Informationsaustausch die Planung besser steuern. • Da wir verhindern wollen, dass kleine Einrichtungen im ländlichen Raum mit nur einer Gruppe bei einer zukünftigen Pro-Kopf-Förderung schließen werden, müssen wir für diese eine zusätzliche Sockelfinanzierung einführen.
• Da in sozialen Brennpunkten ein verstärkte Förderung der Kinder auf sozialem und sprachlichen Gebiet stattfinden muss, müssen auch anhand entsprechender Kriterien extra Mittel bereit gestellt werden.
• Da wir gezielt Kinder mit Migrationshintergrund fördern und aktiv integrieren wollen, brauchen wir mehr Fachkräfte in den Kita´s mit eigenem Migrationshintergrund.
• Da der Übergang zwischen Kita und Grundschule möglichst effektiv ausgestaltet wer- den muss, brauchen wir individuelle Förderpläne auf der Basis einer vorgezoge
• nen Schuleingangsuntersuchung (ein Jahr vor Schulbeginn).
• Da der Bildungsauftrag des KitaG in der Praxis umgesetzt werden soll, muss die Ausbildung der ErzieherInnen als praxisorientierte Fachhochschulausbildung aufge- wertet und das Einkommen entsprechend angeglichen werden.

*** Ausgewählte Daten
• Platzangebot: für Kinder von 3 Jahren bis zum Schuleintritt = 93,8 Prozent; für Kin- der von 0 bis 3 Jahren/Krippe = 0,9 bzw. 2,3 Prozent (??); für Kinder von 6 bis 11/Hort = 3,6 bzw. 4,9 Prozent (??) und Betreute Grundschule = 10 Prozent.
• Öffnungszeiten: 31,4 Prozent der Einrichtungen = fünf Stunden bzw. weniger (reine Halbtagsplätze mit 4 Stunden ohne Mittagessen = 20 Prozent); 24,5 Prozent = 5 bis 7 Stunden, 44,2 Prozent = mehr als 7 Stunden. • Nur 12,5 Prozent der Einrichtungen hat überhaupt in der Ferien geöffnet, 31,9 Pro- zent der Einrichtungen innerhalb der Ferien 6 Wochen und länger geschlossen.
• Gruppengrößen: Krippen = 9,9 Kinder, Kindergärten = 20,2, Horte = 17,3 (jeweils Landesdurchschnitt) – wobei in fast allen Kreisen/kreisfreien Städten Ausnahmen nach oben von der Gruppengröße 20 vorkommen.
• Betreute Grundschule: 11.718 Schulkindern oder 10 Prozent der SchülerInnen an Grundschulen, in der Regel 6 Stunden (bis 13 oder 14.00 Uhr), durchschnittlich 30 - 35 Kinder in einer Betreuung/einem Raum; Elterngebühren bewegen sich zwischen 30 und 75 Euro, gesamter Landeszuschuss in 2002 = 820.800 Euro.
• Angebot: es gibt in Schleswig-Holstein 1.650 Kindertageseinrichtungen mit 86.392 Plätzen (d.h. Regelgruppe, Krippe und Hort). • 23 Prozent der Einrichtungen werden in kommunaler und 77 Prozent in freier Träger- schaft betrieben – hiervon 37,5 Prozent Diakonie, 11,7 Prozent Deutscher Paritäti- scher Wohlfahrtsverband, 18 Prozent Elternvereine bzw. Privatgewerbliche.
• Migration: landesdurchschnittlich liegt der Anteil an Kindern mit Migrationshin- tergrund unter 10 Prozent, in den größeren Städten deutlich darüber – Kiel 21,3 Pro- zent, Lübeck 20,4 Prozent, Flensburg 16,4 Prozent, Neumünster 12,6 Prozent.
• Kosten: die gesamten Betriebskosten der Einrichtungen belaufen sich auf insgesamt 375 Millionen Euro, die von den Gemeinden, Städten, Eltern, Kreisen und freien Trä- gern anteilig finanziert werden. • Der Landeszuschuss in 2002 für das pädagogische Personal betrug 53,2 Millionen Euro. • Die Elterngebühren liegen landesdurchschnittlich bei 28 Prozent bewegen sich aber zwischen 36,9 Prozent in Lübeck und 13,5 Prozent beim dänischen Schulverein. • Die realen Kosten für einen Platz liegen zwischen 2.884 Euro im Jahr (Regelgruppe Dreivierteltagsplatz / bis fünf Stunden) und 15.132 Euro (Krippenplatz (0 bis 3 Jahre für sieben Stunden). • Für Fortbildung werden zirka 1 Prozent der Gesamtkosten oder 0,65 Prozent der Landeszuschüsse verwandt.