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Wolfgang Baasch zu TOP 20 - Reform der Arbeitsverwaltung
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 21.02.2002 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell TOP 20 – Reform der Arbeitsverwaltung „Vermitteln statt verwalten“Wolfgang Baasch zu TOP 20Reform ja – aber mit Köpfchen, nicht mit SilvesterraketeDie aktuellen Vorfälle um die Bundesanstalt für Arbeit belegen deutlich, dass die Bun- desanstalt für Arbeit mit ihren Aufgabenfeldern gründlich reformiert werden muss. Aber ich will auch deutlich sagen: Es kann nicht sein, dass pauschal alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit jetzt für Fehler herhalten müssen, die sie nicht zu verantworten haben. Diejenigen allerdings, die gemogelt und gemauschelt haben, müssen für ihr Tun gerade stehen. Diejenigen, die es versäumt haben, Miss- stände anzupacken bzw. Missstände, die ihnen bekannt waren, abzustellen, müssen auch Verantwortung übernehmen.Das Kerngeschäft der Bundesanstalt für Arbeit, die Vermittlung von Arbeitslosen in Ar- beit bzw. die Qualifizierung von Arbeitslosen bzw. von durch Arbeitslosigkeit Bedroh- ten für Arbeit im allgemeinen Arbeitsmarkt, muss viel stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. Vorschläge, wie sie im Antrag der Fraktion der FDP aufgegriffen werden, sind hier allerdings vorschnell und ungeeignet. Lieber Heiner Garg, gerade die Punkte, die du in deinem Antrag unter Bereich 2 und 3 zusammengeführt hast, erinnern in ihrer Qualität an eine Silvesterrakete. „Erst zischt’s, dann knallt’s, dann leuchtet’s kurz und hell auf, und danach ist es genauso duster wie vorher.“ Die Vorschläge der FDP- Fraktion führen lediglich zu einer Zerschlagung der Bundesanstalt für Arbeit. Es ist aber notwendig, dass die Arbeitsvermittlung, d. h. die Bundesanstalt für Arbeit, Schleswig- wieder neu Vertrauen gewinnen muss. Dazu gehört es eindeutig und klar festzuhalten: HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-Die jetzt aufgedeckte Praxis kann sich nur über lange Jahre hinweg entwickelt haben. Wegschauen, wegdiskutieren bis hin zu einem behördeninternen Klima, in dem Mitar- beiter den Eindruck gewonnen haben, falsche Handlungsweisen wie Fehler bei der Vermittlungsbuchung seien gewollt. Dieses eklatante Fehlverhalten muss abgeschaltet werden, und natürlich muss in diesem Zusammenhang auch über personelle Konse- quenzen geredet werden.Was ist zu tun? Zumindest nicht der Schnellschuss, den der Kollege Garg vorschlägt. Lieber Heiner Garg – lass doch mal die Kirche im Dorf und vermeide doch einmal den Fehler, der uns in der Politik als ständige Versuchung anhaftet. Fehler nicht schlicht als Fehler zu bezeichnen, sondern einen draufzusetzen und tags darauf Patentrezepte aus des Knaben Wunderhorn zu zaubern, die die Glaubwürdigkeit von Politik auch wieder in Frage stellen, weil sie nämlich so durchschaubar sind.Keine Frage, die Statistik der Bundesanstalt für Arbeit muss ordentlich gemacht wer- den. Schleswig-Holstein soll sich dabei an die Spitze der Bewegung setzen. Das ist die Antwort von Heiner Garg. Na prima, dann wollen wir mal von Ihnen hören, was die FDP da aus der Landeskasse springen lassen will. Für ein paar Hundert Stellen bei den Finanzämtern etwa oder wie Sie den kommunalen Finanzausgleich ausdehnen wollen auf die anderen Verwaltungskosten, die nach ihren Vorstellungen ja größten- teils bei den Kommunen landen würden. Und wenn Sie die Arbeitsvermittlung privati- sieren – darüber kann man ja durchaus reden –, sollten dann die Arbeitgeber auch an den Kosten beteiligt werden und müssen, wie bisher die Arbeitsämter, die privaten Dienstleister dann auch die vielen schwierigen Fälle anpacken, die Fälle, die viel Arbeit bringen, aber keine schnellen Vermittlungsergebnisse? Und wie ist es bei privaten Ar- beitsvermittlern - dürfen sie auch Sperrzeiten aussprechen? Sperrzeiten, die ganz di- rekt in die soziale und existenzielle Lage von Arbeitssuchenden eingreifen? Oder ist dies doch eine hoheitliche Aufgabe? Fragen über Fragen, die sich für den Kollegen Garg nicht stellen, denn er hat ja schon die Patentrezepte. -3-Die Bundesregierung ist hier unabhängig von den Vorfällen bei der Bundesanstalt für Arbeit schon große Schritte weiter. Stichworte, wie „fördern und fordern“ oder auch „Mozart“ – ein Begriff, der für die konstruktive Zusammenführung von Arbeits- und So- zialhilfe im Rahmen von Modellvorhaben steht. „Mozart“ heißt ausgesprochen „Modell- vorhaben zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Arbeitsämtern und Trägern der Sozialhilfe“. Übrigens ein Modellvorhaben, das auch in einigen Arbeitsamtsbezirken in Schleswig-Holstein erprobt wird und interessante Ergebnisse verspricht. Oder auch „Job-AQTIV“, ein Gesetz, über das wir auch schon an anderer Stelle hier im Haus dis- kutiert haben.In diesem Zusammenhang sei zum Thema „Job-AQTIV“ erneut angemerkt: Die Ver- stärkung der Vermittlungsbemühungen sind Kernteil des Job-AQTIV-Gesetzes. Mit dem Job-AQTIV-Gesetz folgt die Bundesregierung Empfehlungen des Bündnisses für Arbeit. Im neuen Job-AQTIV-Gesetz ist bereits die Zusammenarbeit mit privaten Ver- mittlern und Weiterbildungsträgern erweitert worden. Vor dem Hintergrund der jetzigen Situation ist sicherlich zu prüfen, wie es hier auch zu einer noch engeren Kooperation einerseits und mehr Wettbewerb andererseits kommen kann. Ein echtes Benchmar- king der verschiedenen regionalen Arbeitsämter mit größter Flexibilität und Verantwor- tung für Entscheidungen vor Ort muss installiert werden – und ob wir dann die ver- schiedenen Organisationsebenen von unten über die Landesarbeitsämter bis zur Bun- desanstalt in Nürnberg noch brauchen, möchte ich auch in Frage stellen, denn viel- leicht reicht in Zukunft eine zweistufige Arbeitsverwaltung. Und bei gut 90.000 Be- schäftigten bei der Bundesanstalt für Arbeit, davon nur 8.000 Arbeitsvermittlern, muss genau über die Aufgaben und Arbeitsschwerpunkte der Bundesanstalt für Arbeit nach- gedacht werden. Das Nebeneinander unterschiedlicher Sicherungssysteme bei Arbeitslosigkeit verur- sacht auch für die Zukunft zweifelsohne Reibungsverluste, und wir haben hier eindeu- tig Reformbedarf. Der Anteil der Arbeitslosen an allen Leistungsempfängern der Bun- desanstalt für Arbeit, die Arbeitslosenhilfe erhalten, beträgt in Westdeutschland 44,4 % und in den neuen Bundesländern 48,2 %. Die Kommunen wären von Leistungsein- schnitten bei der Arbeitslosenhilfe stark betroffen, weil dieser Personenkreis nahezu -4-unmittelbar auf die Sozialhilfe zurückgreifen müsste. Deshalb – Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe müssen aufeinander zugehen, aber es muss ein Weg gefunden werden, der nicht dazu führt, dass Arbeitslosenhilfeempfänger und ihre Familien automatisch mit Kürzungen in eine Armutsspirale getrieben und die finanziellen Lasten über die Sozialhilfe auf die Kommunen übertragen werden – in Schleswig-Holstein übrigens mit einer Landesbeteiligung von 39 %.Es bleibt festzuhalten: Der jetzt aufgedeckt Missstand hat den Ruf der Arbeitsverwal- tung erheblich geschädigt. In ihrer wichtigsten Kernkompetenz – Vermittlung – besteht ein ernsthafter Grund für die Annahme erheblicher Mängel. Hier gilt es, neues Ver- trauen zu gewinnen. In diesem Prozess wird auch über die Struktur und Dienstleis- tungsorientierung sowie den Namen der Arbeitsvermittlung offen zu diskutieren seien. Ob am Ende ein Job-Center oder eine Personal- oder Dienstleistungsagentur dabei herauskommt, ist gleich. Völlig klar ist aber, dass am Ende des Beratungsprozesses eine neue Organisation für Qualität der Arbeitsvermittlung und der Betreuung von Ar- beitslosen mit neuem Namen und neuer Identität stehen muss.Die Anträge der FDP und auch den Änderungsantrag der Fraktion der CDU wollen wir in den Sozialausschuss überweisen und dort mit der Diskussion die notwendigen Re- formschritte der Bundesanstalt für Arbeit begleiten.