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23.01.02 , 16:51 Uhr
CDU

Dr. Johann Wadephul: Prävention in gesellschaftlichen Kontext einbinden

LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N

Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.landsh.de/cdu-fraktion/ e-mail:fraktion@cdu.landsh.de
PRESSEMITTEILUNG Nr. 28/02 vom 23. Januar 2002
TOP 10 Dr. Johann Wadephul: Prävention in gesellschaftlichen Kontext einbinden
Die Mehrheitsfraktionen dieses Landtages legen uns heute im Plenum einen Antrag vor, der sich die Bekämpfung von Extremismus und Ausländerfeindlichkeit in unserem Land zum Ziel gesetzt hat.
Um es gleich vorweg in aller Deutlichkeit zu sagen und tatsächlichen oder gewollten Missverständnissen vorzubeugen: Die CDU-Fraktion unterstützt dieses Ziel!
Extremismus – in welcher Form auch immer – und Ausländerfeindlichkeit haben in unserer Gesellschaft keinen Platz. Die Bekämpfung extremistischer Tendenzen ist deshalb eine Aufgabe, der sich unsere gesamte Gesellschaft zu stellen hat. Und deshalb steht es auch diesem Hause gut an, selbst – auch zum wiederholten Male – deutlich Position zu beziehen.
Wichtig ist jedoch, dass wir JEDE Form von Extremismus ablehnen – unerheblich, ob von rechts, links, religiös motiviert oder sonstwie.
Wir wissen natürlich auch, dass der Rechtsextremismus gegenwärtig – wenn wir den Zahlen des Verfassungsschutzes folgen wollen – das quantitativ erheblichste Problem darstellt. Die besondere Betonung dieses Aspektes ließe sich im Antragstext eindeutig darstellen.
Lassen Sie mich jetzt jedoch auch inhaltlich zu diesem Antrag Stellung nehmen. Wenn wir effektiv gegen den Extremismus, insbesondere gegen den von Gruppierungen vorgehen wollen, die Ausländerfeindlichkeit zu einem zentralen Thema gemacht haben, stellt sich doch zunächst folgende Frage:
Warum gelingt es solchen Organisationen in teilweise erheblichem Umfang, junge Menschen für Ihre Ziele zu gewinnen? Auf diese Frage antwortet Ihr Antrag nur sehr bruchstückhaft, indem er als Antwort voraussetzt: „Weil ein Teil der jungen Menschen in Schleswig-Holstein derzeit nicht zu gefestigten und toleranten Demokraten erzogen wird.“
Die Ansatzpunkte, die Analyse der konkreten Themen, mit denen junge Menschen vor Ort angesprochen und geködert werden, blendet Ihr Antrag leider völlig aus.
Dabei gehört es zu einem wirkungsvollen Präventionsprinzip notwendig dazu, dass ich nicht nur die Symptome, sondern auch die Ursachen – und zwar offen und ehrlich ALLE Ursachen – bearbeite.
Ich nenne ganz bewusst zuerst die Rolle der Familie. Wer junge Menschen von der Gewalt abhalten will, muss sich dafür einsetzen, dass die Familie gestärkt wird. Werte müssen wieder groß geschrieben werden. In den Familien muss miteinander gesprochen und gelebt werden. Die PISA-Studie zeigt auf, dass hier Defizite herrschen.
Aber auch der Staat hat seine Verantwortung für die Familie und es hätte Schleswig- Holstein gut zu Gesicht gestanden, wenn dieser Landtag unserem Antrag auf Einführung eines Landeserziehungsgeldes gefolgt wäre – so hätten wir die Familien wirksam gestärkt.
Zu den Ursachen gehört es aber auch, dass es der Politik in Berlin – und ebenso hier in Kiel – nicht gelungen ist, allen jungen Menschen eine Perspektive aufzuzeigen, was sie mit Ihrem Leben anfangen sollen. Dazu gehört, dass unser Staat derzeit die Bedürfnisse nach Bildung, Ausbildung – also nach Forderung – und auch nach Arbeit – nicht aller jungen Menschen befriedigen kann.
Dazu gehört die Anerkenntnis, dass Toleranz nicht beliebig auszudehnen ist und dass die Politik Mitschuld an ausländerfeindlichen Geschehnissen trägt, wenn sie die Fähigkeit zur Toleranz konsequent und gewollt überstrapaziert. Im übrigen nicht nur bei jungen Menschen.
Ich will diese Aussage gar nicht an der Zahl ausländischer Mitbürger in unserem Land festmachen. Aber wir müssen einsehen, dass die große Toleranz, die wir als Staat gegenüber den Ausländern üben, die nicht bereit sind, eine eigene Integrationsleistung zu erbringen, den Unmut vieler Menschen hervorruft.
Darunter leidet nicht nur der ausländische Mitbürger, der sich integrieren möchte und fälschlicherweise schief angeguckt wird, darunter leidet unsere gesamte Gesellschaft, da Toleranz mehr und mehr zu Pflichtübung zu werden droht.
Um es kurz zu sagen: Präventionsmaßnahmen sind ja gut und richtig. Aber - helfen Sie doch endlich mit, sie in einen gesellschaftlichen Kontext einzubinden, in dem sie weniger schwer zu vermitteln sind. Junge Menschen haben ein sehr feines Gespür dafür, ob sie ernst genommen werden. Insbesondere die Politik wird von ihnen in dieser Hinsicht kritisch beäugt. Deshalb ist es auch so wichtig, dass Anträge, die sich in diesem Feld bewegen, Substanz haben.
Wir haben alle die Haushalsdebatte noch in frischer Erinnerung, wo sich die Landesregierung gezwungen sah, auch in Bereichen zu kürzen, die jungen Menschen zugute kommen sollen. Leider insbesondere in solchen Bereichen, in denen das Geld Vereinen und Verbänden zu Verfügung gestellt wird, um vor Ort und in eigener Verantwortung Jugendarbeit zu betreiben.
In Zeiten, in denen die Landesregierung den jungen Schleswig-Holsteinern weniger Geld geben will, kommt also der Aufschrei der Mehrheitsfraktionen nicht so sehr dort, wo Strukturen der Jugendarbeit gefährdet werden, die Verantwortungsbewusstsein und Selbständigkeit fördern.
Stattdessen gehen Sie den Weg, dass Sie von Kiel aus immer gezielter vorschreiben wollen, wie Jugendarbeit ganz konkret auszusehen hat und – wird vor Ort etwas anderes praktiziert – hat man ja einen guten Grund nicht mehr zu helfen.
Ich lehne das ab. Jugendarbeit bedeutet Spielraum geben für die Ideen, die junge Menschen vor Ort umsetzen wollen und nicht bevormunden durch einen immer engeren Rahmen, in dem noch Projekte gefördert werden. Damit verlieren wir die Vielfalt in der Jugendarbeit und vergraulen einen nicht unerheblichen Teil der Ehrenamtler.
Wie gesagt, über den Weg kann man trefflich streiten. Aber wenn Sie glaubwürdig sein wollen, müssen Sie sich schon für einen Weg entscheiden. Sie können doch nicht in Ihren Antrag schreiben, dass das Land einen Schwerpunkt bei Maßnahmen setzen soll, die zur Beteiligung an demokratischen Entscheidungsprozessen befähigen – und auf der anderen Seite die Hand für Kürzungen beim VPJ heben! Sie können das doch nicht fordern und die ernsthafte Diskussion mit dem AStA der Uni Kiel verweigern!
Aber es kommt ja noch besser. Nicht nur, dass die eigentliche Zielgruppe, also die jungen Menschen in unserem Land, leichte Zweifel daran haben, ob Ihre Landespolitik denn noch weiß, was sie tut – sie müssen auch gleich noch den Hauptamtlern erzählen, wie sie denn ihre Arbeit richtig zu machen haben.
Wer sich von Ihnen auch nur ein wenig in der Jugendarbeit und im Bereich der Jugendhilfe auskennt, der weiß auch, dass wir vor Ort in den Kreisen und Gemeinden längst nicht mehr das leisten, was pädagogisch erforderlich wäre, sondern seit Jahren versuchen, mit knappen Mittel noch das Bestmögliche zu erreichen.
Ich finde es gut, wenn Sie überregionale Fortbildungsangebote schaffen wollen. Und ich kann auch nachvollziehen, wenn Sie sich eine Verzahnung von Präventionsangeboten wünschen. Ich frage mich nur: Was glauben Sie denn wird in den Kreisen geleistet? Dort suchen Freie Träger und Jugendämter doch nach den letzten noch realisierbaren Synergieeffekten, um den Jugendliche ein Maximum der Mittel zugute kommen zu lassen. Ich sage, wenn Sie die Präventionsarbeit wirklich voranbringen wollen, dann sorgen Sie dafür, dass das Land endlich seinen Verpflichtungen nachkommt und den Kreisen

die inzwischen –zig Millionen zur Verfügung stellt, auf die sie in den vergangenen Jahren im Jugendhilfebereich vergeblich gewartet haben.
So würden Sie dazu beitragen, dass für den Bereich der Freiwilligen Aufgaben, also auch für die Präventionsarbeit vor Ort wieder mehr Mittel zur Verfügung stehen. Geld ist natürlich nicht alles – aber wenn wir etwas Gutes tun wollen, dann müssen wir da helfen, wo es kneift. Und es mangelt in der Präventionsarbeit in erster Linie an den Mitteln. Gute Ansätze gibt es genug – auf deren Übersendung aus Kiel kann vor Ort verzichtet werden.

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