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14.11.01 , 12:16 Uhr
CDU

Helga Kleiner: Sozialministerin fehlt die Kraft zum Umsteuern

LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N

Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.landsh.de/cdu-fraktion/ e-mail:fraktion@cdu.landsh.de
PRESSEMITTEILUNG Nr. 456/01 vom 14. November 2001
TOP 44 Helga Kleiner: Sozialministerin fehlt die Kraft zum Umsteuern
Wer das Handlungskonzept der Sozialministerin vom 4. September 2001 zur „Qualität in der stationären Pflege“ und den heute zur Diskussion stehenden Bericht vom 1. November 2001 mit den Antworten auf die ergänzenden Fragen unserer Fraktion sorgfältig und vergleichend liest, kommt nach meiner Auffassung zu folgender Gesamtbewertung: Die Sozialministerin bemüht sich zwar, die vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung aufgedeckten Missstände in den schleswig- holsteinischen Pflegeheimen zu beseitigen. Sie hat hierzu auch eine Reihe von nützlichen Maßnahmen bereits eingeleitet oder jedenfalls angekündigt. Aber im ganzen gesehen fehlt ihr die politische Kraft und die persönliche Entschlossenheit, das Ruder wirkungsvoll herumzureißen und einen neuen Kurs mutig anzusteuern. Bleibt die Landesregierung im jetzigen Fahrwasser, so wird es noch sehr viele Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern, bis wir endlich unser Ziel erreicht haben: In allen stationären Einrichtungen den pflegebedürftigen älteren Menschen eine sorgfältige und zugleich auch freundliche Pflege zu gewährleisten.
Auf diesem Wege werden wir noch erhebliche finanzielle Lasten schultern müssen. Aber ich füge – auch veranlasst durch die Bekanntgabe der neuen Steuerschätzung in der letzten Woche – nachdrücklich hinzu: nicht alle Maßnahmen, die wir von der Sozialministerin zur Sicherung der Pflegequalität in den stationären Einrichtungen dringlich verlangen, kosten Geld.
Vieles könnte schon bewirkt werden, wenn die Sozialministerin sich endlich entschließen würde, von den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten in politischer und rechtlicher Hinsicht einen angemessenen Gebrauch zu machen. Unverbindliche Gespräche an runden Tischen können eben kein Regierungshandeln ersetzen. Ihr Politikstil, Frau Ministerin Moser, ist ein überständiges Relikt aus Schönwetterzeiten. Die Zeiten sind endgültig vorbei, in denen die Mitglieder der Landesregierung mit Bewilligungsbescheiden in der Hand gern gesehene Gäste bei allen Verwaltungen und Verbänden waren. Sie sind, Frau Ministerin Moser, ich sage es unumwunden, konfliktscheu. Das allein ist auch der wahre Grund, warum meine Forderung an Sie, endlich das Instrument der ihnen zustehenden Fachaufsicht gegenüber den Heimaufsichtsbehörden angemessen einzusetzen, auf taube Ohren stößt.
Ihre Antworten auf unsere Fragen Nr. 1 und 8 zeigen dies deutlich. Dabei kann ich ja noch verstehen, dass Sie die Hoffnung haben, die Heimaufsichtsbehörden würden jetzt, wo die Bildung der entsprechenden Arbeitsgemeinschaften ab 1. Januar 2002 durch die Heimgesetznovelle gesetzlich vorgeschrieben ist, auch bereit sein, an der Bildung dieser Arbeitsgemeinschaften mitzuwirken und den Vorsitz zu übernehmen. Aber warum die Sozialministerin sich nicht bereit findet, den Heimaufsichtsbehörden eine entsprechende Berichtspflicht aufzuerlegen, bleibt mir unerklärlich – es sei denn, ich nähre die Vermutung, die Sozialministerin will sich nicht bösgläubig machen lassen. Dabei ist der Sozialministerin selbstverständlich klar, dass die Heimaufsichtsbehörden mit dem Inkrafttreten der Heimgesetznovelle eine erheblich größere und damit personalintensivere Aufgabenlast übernehmen müssen. Die Sozialministerin wäre daher schon aus diesem Grunde gut beraten, wenn sie sich regelmäßig berichten ließe, wie die Landkreise und die kreisfreien Städte mit dieser neuen Aufgaben- und Haushaltslast fertig werden.
Die Antwort auf unsere Frage Nr. 2, Fortbildungsmaßnahmen betreffend, ist ein weiterer Hinweis auf die Neigung der Sozialministerin, Schwierigkeiten, die jenseits des Verteilens von Haushaltsmitteln liegen, auszuweichen. Wir sind aber nicht die Fachberater der Sozialministerin. Sie mag daher durch die Referenten ihres Hauses die Frage bedenken lassen, welche rechtlichen Folgen es haben kann und muss, wenn die Träger von Pflegeeinrichtungen sich auf Dauer weigern, ihre Leitungskräfte in den stationären Pflegeeinrichtungen an notwendigen Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen zu lassen. Wir werden zu gegebener Zeit darauf zurückkommen.
Doch nun zu dem für mich besonders wichtigen Punkt der besseren Einbindung der Ärzte in die Sicherung der Pflegequalität (unsere Frage Nr. 5): Auch ich halte eine bessere Einbindung derjenigen praktizierenden Ärzte, die in Pflegeheimen lebende Patienten behandeln, in die Qualitätssicherung für geboten.. Das haben meine vielen Gespräche mit Altenpflegerinnen und Altenpflegern in den letzten Monaten ergeben. Aber ich bin weit davon entfernt, die Ärzte in einer solchen Form zu kritisieren, wie es die Sozialministerin für nötig hält. Ihre Behauptung: Manche Pflegemissstände hätten durch eine aktivere Rolle der behandelnden Ärzte verhindert werden können, hat sie bislang durch nichts belegt. Es ist jedenfalls nicht die feine Art, von eigenen jahrelangen Versäumnissen abzulenken, indem man andere beschimpft, die sich nicht sofort gegen derartige Vorwürfe wehren können. Aber lassen wir diese Frage von Takt und Stil beiseite. Was also will die Sozialministerin tun? Sie greift wieder zu ihren alten Instrumenten, die nach meiner Ansicht langsam ausgedient haben sollten. Die Sozialministerin führt, wie sie es formuliert, ein umfassendes Grundsatzgespäch mit dem Präsidenten der Ärztekammer und dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung mit dem banalen Ergebnis, dass alle an diesem Gespräch Beteiligten feststellen, „dass den behandelnden Ärzten im Gesamtbereich der Pflege eine wichtige und weiter auszubauende Rolle zukommt“ - eine wahrhaft zukunftsweisende Perspektive der Politik, füge ich an. Sie will, „unter Erweiterung des Beteiligtenkreises die Möglichkeiten der modellhaften Entwicklung eines Heim arztkonzepts prüfen“. Und sie will weiter prüfen, „ob und in welcher Weise Vertreterinnen oder Vertreter der ärztlichen Organisationen an der Arbeit im Landespflegeausschuss beteiligt werden können“. Da sind sie wieder, die alten Hüte der Sozialministern: Gespräche an runden Tischen, neue Modellversuche und Erweiterung der Beratungsgremien.
Dabei kann das Ziel doch leicht und ganz konkret beschrieben werden: Es muss sichergestellt werden, dass wirklich alle Ärzte, die in Pflegeheimen lebende Patienten zur medizinischen Behandlung aufsuchen, auch stets Feststellungen darüber treffen, ob diese Patienten an Dekubitis, an Austrocknung und an mangelhafter Ernährung leiden. Und es muss weiterhin sichergestellt werden, dass derartige Pflegemängel, gegebenenfalls unter Einschaltung und Mitprüfung eines Amtsarztes zur Kenntnis der Heimaufsichtsbehörden gelangen. So einfach ist das! Und an die Haushälter der Fraktionen gewandt: ganz ohne die Bereitstellung weiterer Haushaltsmittel! Gehen wir diesen Weg, so würden wir das Prinzip der freien Arztwahl in keinem Punkt antasten und wir würden den Ärzten die erforderliche Rückendeckung geben gegenüber den Pflegedienstleitungen und gegenüber den Heimträgern. Natürlich reicht ein Erlass der Landesregierung dafür nicht aus. Es müssen vermutlich Bestimmungen des Bundes- und des Landesrechts geändert oder ergänzt werden. Es müssen möglicherweise darüber hinaus auch Vereinbarungen mit und unter den im Pflegebereich tätigen Institutionen und Organisationen geändert und ergänzt werden. Die Landesregierung verfügt über eine große Anzahl erfahrener und tüchtiger Gesetzgebungsreferenten. Sie sollten sich an die Arbeit machen und danach sollte die Landesregierung die erforderlichen Initiativen ergreifen.
Zu den Antworten auf unsere Fragen Nr. 10 und 11 muss ich mich leider ganz kurz fassen: Erwartungsgemäß steht nunmehr fest, dass vor der Bundestagswahl 2002 mit weiteren Schritten zur Verwirklichung der Grundsätze „ambulant vor stationär“ und „Prävention und Rehabilitation vor Pflege“ nicht zu rechnen ist. Auch wird es keine Bundesratsinitiative der Landesregierung zur Dynamisierung der von den Pflegekassen zu zahlenden Leistungsbeträge geben.
Dabei ist sich die gesamte Fachwelt einig: Die ständig steigende Nachfrage nach Plätzen in den stationären Pflegeeinrichtungen kann nur durch grundlegende Verbesserungen in der Prävention und Rehabilitation sowie durch weitere strukturelle Änderungen in der Pflegeberatung, also Case Management, abgebremst werden. Bremsen wir hier nicht ab, wird der zusätzliche Bedarf an Pflegeheimplätzen in der Bundesrepublik jährlich um mindestens 10.000 steigen. Diese Entwicklung und das weitere Hinauszögern der Dynamisierung der Leistungsbeträge wird die Kosten der Sozialhilfe weiter in die Höhe treiben. Die Leidtragenden werden in erster Linie wieder die Kommunen sein, die schon jetzt unter den Lasten der ihnen ständig neu übertragenen Aufgaben kaum noch handlungsfähig sind.

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