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27.09.01 , 11:20 Uhr
SPD

Hermann Benker zu TOP 53: Bedeutung des Handwerks

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 27.09.01 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell


Hermann Benker zu TOP 53:


Die Bedeutung des Handwerks
Zunächst eine Vorbemerkung: Es ist gut, dass wir uns in größeren Zeitabständen nicht nur mit Wirtschaftspolitik, sondern konkret mit der Situation des Handwerks beschäfti- gen. Nach der Großen Anfrage der CDU 1994 haben wir uns hier im Landtag vor ge- nau zwei Jahren mit der Anfrage der F.D.P. beschäftigt. Auch wenn die Rahmenbe- dingungen größtenteils auf Bundesebene bestimmt werden, ist die Landesregierung dem Wirtschaftsbereich Handwerk bei der zukünftigen Weiterentwicklung ein verlässli- cher Partner. Die steuerfreie Reinvestitionsrücklage ist z. B. eine erfolgreiche Maß- nahme der Landesregierung.

Der Bericht heute und der Bericht von 1999 gehören zusammen. Für Schleswig- Holstein hat das Handwerk einen besonderen Stellenwert. Es ist ein zentraler Bereich schleswig-holsteinischer Wirtschafts- und Mittelstandspolitik.

Während im Bundesdurchschnitt 12,5 % der Erwerbstätigen im Handwerk zu finden sind, sind es in Schleswig-Holstein 20 %. Und hier wird auch ein Drittel aller Ausbil- dungsplätze vom Handwerk gestellt. Dafür haben wir dem Handwerk ausdrücklichen Dank zu sagen.

Wenn ein weiterer Satz Gültigkeit haben soll, nämlich „das Handwerk ist und bleibt ei- ne stabilisierende Kraft für die Wirtschaft, den Arbeits- und Ausbildungsmarkt Schleswig- und für Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



die gesamte Gesellschaft“, dann müssen wir den Herausforderungen Rechnung tra- gen.

Diese sind: Das Handwerk ist im wesentlichen regional tätig und hat einen überschau- baren Einzugsbereich. Das Handwerk ist eine nachfrageorientierte Dienstleistung. Ge- rade dies ist lebensentscheidend für eine gesunde Struktur im ländlichen Bereich. Der Trend der Handwerksbetriebe, sich außerhalb der Ballungszentren niederzulassen, ist ein statistischer Faktor für die ländlichen Gebiete. Aber: Wir beobachten, dass Güter- produktion und die Produktion von Dienstleistungen nationale Grenzen überschreiten und Entfernungen an Bedeutung zu verlieren beginnen. Bei Aufträgen an Generalun- ternehmen werden häufig Klein- und Kleinstbetriebe zu Unterauftragsnehmern, die nicht aus Schleswig-Holstein sind, Firmen, die oft während oder nach dem Auftrag gar nicht mehr existieren. Ich weise hier auf die besondere Verantwortung derjenigen hin, die für die Auftragsvergabe verantwortlich sind, damit nicht zuletzt Haftungsfragen und Gewährleistungsprobleme gelöst werden können.

Im Handwerk sind nach wie vor Familienbetriebe oder Personengesellschaften zu fin- den, daher werden die neuen innerbetrieblichen Organisationsformen von Großunter- nehmen auf das Handwerk noch stärker als bisher ausstrahlen. Das gilt sowohl für das „Outsourcen“ bestimmter Bereiche, als auch für Übernahmen von Serviceleistungen durch die Betriebe selbst, was nur handwerksintern gelöst werden kann.

Das Handwerk hatte bisher eine kontinuierliche Entwicklung sowohl in der Produktion selbst als auch häufig in den verwendeten Materialien und Werkzeugen. Aber der be- schleunigte technische Fortschritt sowie die Notwendigkeit, auch für Umweltfragen Lö- sungen anzubieten – ich nenne hier nur die Einsparung von Strom und Wärme – er- fordert eine noch schnellere Anpassung, und hier werden in der Regel die Grenzen, insbesondere in der Liquidität des Handwerks, aufgezeigt. Günstige Finanzierungshil- fen, Zuschüsse zur Qualifizierung: Investitionsbank, Bürgschaftsbank und Sparkassen sind hier die wichtigsten Partner für unsere Handwerksbetriebe in Schleswig-Holstein. -3-



Nicht nur im Bereich der öffentlichen Auftraggeber beobachten wir die Neigung, nur noch Generalunternehmer zu beauftragen, auch private Kunden fordern zunehmend Komplettlösungen. Allein dieser letzte Bereich erfordert neue unternehmerische Vor- gehensweisen, wie die Bildung von Arbeitsgemeinschaften oder das Anbieten von Leistungen aus einer Hand durch Kooperation und angebotenem Verbund.

„Fit für die Zukunft“, unter diesem Motto haben wir eine Reihe von Hilfen für das Handwerk anzubieten. Ich erinnere nur an das Beispiel der Fortsetzung Meister-Bafög oder an die Bezuschussung der überbetrieblichen Ausbildung, denn Qualifizierung und die Nutzung neuer Technologien ist wichtig für den Zukunftsbestand. Weiter werden wir nicht verhindern können, dass die Richtlinien der EU und die Ausnahmeregelung des § 8 der Handwerksordnung den Konkurrenzdruck verstärken wird.

Um hier einen Dammbruch zu verhindern, teile ich daher nach wie vor die Auffassung der Landesregierung, an dem großen Befähigungsnachweis, d. h. einer Meisterprü- fung, festzuhalten. Auch wenn die Monopolkommission die Abschaffung gefordert hat. Nach wie vor sind die Meisterprüfungen das größte Existenzgründungsprogramm, das wir haben, denn immerhin machen sich jährlich rund 60 % aller Absolventen anschlie- ßend selbständig.

Mit 20.000 Ausbildungsplätzen ist das Handwerk der ausbildungsintensivste Bereich der schleswig-holsteinischen Wirtschaft. Erfreulich ist, dass inzwischen 30 % der Aus- zubildenden den Realschulabschluss haben. Aber warum soll nicht durch eine Image- verbesserung des Handwerks es auch den Abiturienten schmackhaft gemacht werden, ein Handwerk zu erlernen?

Wir haben in Schleswig-Holstein einen Schritt dazu getan, indem wir die Studienmög- lichkeit auch für erfolgreich beruflich Tätige geschaffen haben. Es ist aber nicht allein der immer noch ungebrochene Trend zu einem Weißkittelberuf, der Abiturienten von einem Handwerk abhält, sondern es ist die Belastung der Familien, die in mittelständi- -4-



schen Unternehmen und insbesondere im Handwerk mit der Selbständigkeit einher- geht.

Immer ist in Handwerksbetrieben auch die gesamte Familie betroffen. Nie gibt es für die Familie eine 38-Stunden-Woche. Immer ist die Ehefrau mit betroffen, häufig auch mithaftend oder im Beruf tätig. Meist sind es auch die Kinder, die bei Engpässen hel- fen müssen. Diese familiäre Belastung lässt viele davor zurückschrecken, sich selb- ständig zu machen. Das gilt auch für die Nachfolgeregelung, wozu der Bericht aller- dings keine neue Zahl ausweist. Bei der Betriebsweiterführung oder Betriebsübernah- me wird nach wie vor von Schwierigkeiten berichtet.

Man kann auch nicht über Handwerk sprechen, ohne über Schwarzarbeit zu sprechen. Ursachen für Schwarzarbeit mögen zwar in erster Linie die hohen Lohnnebenkosten sein, aber das Grundübel für die Schwarzarbeit ist deren gesellschaftliche Akzeptanz. Es gilt eher als clever denn als Betrug, Schwarzarbeit organisiert zu haben oder Schwarzarbeit zu leisten. Und der Blick auf den „Schwarzarbeiter“ ist zu einseitig, denn es gibt immer auch einen Schwarzarbeitgeber. Dieser gesellschaftlichen Akzeptanz der Schwarzarbeit gilt es entgegenzuwirken.

Wir unterstützen daher weiter die gesetzgeberischen Initiativen zur Verfolgung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung. Dies ist auch einer der 5 Punkte, die im Ju- ni vom Wirtschaftsminister mit der Bauwirtschaft vereinbart wurden. Ein weiterer Punkt war, dass die Verdingungsordnungen strikt einzuhalten sind. Und die Aufforderung an alle öffentlichen Auftraggeber, Bauleistungen so weit als möglich in Teil- und Fachlose getrennt zu vergeben und bei der Wertung der Angebote die natürlichen Vorteile regi- onaler Anbieter mit Ortsnähe und schneller Verfügbarkeit zu bevorzugen.

Die Bewilligungsbescheide des Wirtschaftsministeriums zukünftig mit einer Informati- onsschrift über die Vergabevorschriften zu versehen, halte ich für den richtigen Weg. Denn bei der Beurteilung des wirtschaftlichsten Angebotes, das häufig mit dem billigs- ten verwechselt wird, sind die Einhaltungen von Gewährleistungsbedingungen ein -5-



nicht zu unterschätzender Faktor. Und diese Gewährleistung kann durch den ortsna- hen regionalen Handwerker eben sehr viel eher geleistet werden als durch einen pleite gegangenen Unterunternehmer eines Generalunternehmers.

Zur Vereinbarung gehört auch, dass die Zahlungsmoral, ich will mal sagen die zögerli- che Zahlungsmoral, der privaten Auftraggeber inzwischen abgefärbt hat auf die öffent- liche Hand. Auch hier ist die Weisung des Wirtschaftsministers an seinen nachgeord- neten Bereich, pünktlich zu zahlen, notwendig geworden.

Dass Tariftreue gesetzlich vorgeschrieben werden soll, ist im Augenblick im Gesetz- gebungsgang. Und die Zusage des Landesarbeitsamtes, dass auf Baustellen ver- schärft die Einhaltung von Mindestlohnvorschriften nach dem Arbeitnehmerentsende- gesetz geprüft werden, gehört ebenfalls zu den mit der Bauwirtschaft vereinbarten Punkten.

Der Bundesrat hat ja den Bundestag aufgefordert, ein Vergabegesetz zu verabschie- den. Damit würden die Rahmenbedingungen in allen 16 Bundesländern auf die gleiche Grundlage gestellt werden. Wir werden prüfen, ob dann ein Schleswig-Holstein- Vergabegesetz entfallen könnte.

Wir werden mit Sicherheit über den einen oder anderen Punkt aus dem Bericht im Wirtschaftsausschuss noch zu beraten haben, aber vielleicht abschließend noch ein paar Sätze zu den Perspektiven des Handwerks.

Ich werde einen Satz voranstellen, der für mich am ehesten die Situation charakteri- siert. Die Stimmung ist schlechter als die Lage. Wenn 99,8 % aller Unternehmen im Lande Klein-, mittlere Unternehmen und Handwerksbetriebe ausmachen, dann ist es logisch, dass die Landesregierung und Bundesregierung mit Nachdruck eine mit- telstandsfreundliche Politik verfolgen. Dazu ist u. a. eine Verstetigung der Aufträge hilf- reich. Dazu hat die Auftragslage, das zeigt dieser Bericht deutlich, sowohl beim staatli- chen Hochbau als auch beim Straßenbau, geführt. Wenn man die Jahre von 1990 bis -6-



zum Jahr 2000 betrachtet, dann liegen die Bauausgaben beim staatlichen Hochbau im Schnitt kontinuierlich bei 200 Mio. DM. Auch beim Landesstraßenbau liegen die Mittel bei 90 - 100 Mio. DM kontinuierlich. Im übrigen interessanterweise auch im kommuna- len Straßenbau, wo knapp über 100 Mio. DM jährlich erreicht werden. Der entschei- dende Einbruch im Baubereich liegt in der zurückgegangenen Baunachfrage im Ge- werbebau und im Wohnungsbau. Und hier zeigt sich, dass Wirtschaft eben auch von Zukunftserwartungen lebt. Investitionen werden mit einer Erwartungshaltung auf Vor- teile in der Zukunft gemacht, und da hilft es wenig, ständig zu räsonieren, sich zu be- klagen und die Gesamtsituation schlechter zu reden, als sie ist.

Aber im Gegensatz zur Opposition sind wir der Auffassung, dass es Politikern obliegt, Zuversicht auszustrahlen, Mut zu machen, nicht nur bei der Existenzgründung, son- dern bei jeder konjunkturellen Situation, und es nicht beim Schwarzsehen zu belassen. Bei uns Sozialdemokraten sind die Sorgen, aber auch die Chancen des Handwerks gut aufgehoben.

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