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Brita Schmitz-Hübsch: Schwarzarbeit ist kein Kavaliersdelikt
LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.cdu.ltsh.de e-mail:info@cdu.ltsh.dePRESSEMITTEILUNG Nr. 238/01 vom 31. Mai 2001TOP 7 Brita Schmitz-Hübsch: Schwarzarbeit ist kein Kavaliersdelikt Schwarzarbeit ist Arbeit an den Interessen der Gesellschaft vorbei. Schwarzarbeit bedeutet immer einen Rechtsbruch gegenüber den gesetzlichen und fiskalischen Vorschriften. Schwarzarbeit schädigt das Sozialsystem und verstärkt den Druck auf legal tätige Unternehmen. Schwarzarbeit gefährdet bestehende Arbeitsplätze und schadet dem Arbeitsmarkt. Schwarzarbeit muss bekämpft werden!Bis hierher sind sich alle Institutionen im Lande einig. Damit meine ich die Kammern, die Verbände, die Gewerkschaften, die Politiker, die Landesregierung. Aber die Bevölkerung, die scheint diesem Personenkreis zu entgleiten. Nach einer Studie aus dem Jahr 2000 wollen inzwischen mehr als 32 Prozent der Deutschen schwarz arbeiten und mehr als ein Viertel ist bereit, Schwarzarbeit in Anspruch zu nehmen.Dies ist eine erschreckende Analyse. Sie zeigt, dass fast ein Drittel der Bürger in unserem Land Schwarzarbeit als Kavaliersdelikt betrachtet. Nach einer Pilotstudie in Baden-Württemberg halten dort sogar 40 Prozent der Befragten Schwarzarbeit für ein Kavaliersdelikt, außerdem ist nur noch eine Minderheit für die Bekämpfung der Schwarzarbeit.Diese Einstellung ist auch eine Erklärung dafür, weshalb die Schwarzarbeit in unserem Land die Branche mit den höchsten Wachstumsraten ist. Je nach Autor oder Studie wird ihr Anteil am BIP auf 10 bzw. sogar 16% geschätzt. Es muss also viele Menschen geben, die einerseits ihre Arbeitskraft „schwarz“ anbieten wie auch solche, die diese Arbeitskraft „schwarz“ kaufen.Die Gründe für dieses Verhalten werden an dem Zahlenbeispiel aus dem Handwerk deutlich: 1999 kostete eine legale Maurerstunde 94,10 DM. Davon erhielt der Maurer 18,00 DM netto. Wenn er nach Feierabend schwarz arbeitet, verdient er mit 30 DM/Stunde fast doppelt soviel. Der Bauherr spart sogar zwei Drittel seiner sonstigen Kosten, außerdem muss er nicht befürchten, dass sein Nachbar ihn anzeigt, weil dieser selbst schwarz arbeiten lässt. Die Schwarzarbeit ist also für beide, Maurer und Bauherr, aus ihrer subjektiven Sicht, vorteilhafter als die reguläre Beschäftigung.Aus der Sicht der Betriebe sieht die Rechnung aber anders aus. Der schwarz erledigte Auftrag ist ein Auftrag, der dem regulär bezahlenden Betrieb verloren geht. Sein regionales Auftragspolster wird dünner, es kommt zu Entlassungen. Die noch im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmer mitsamt dem Chef müssen die Sozialleistungen für die arbeitslos gewordenen mit erwirtschaften. Das fängt mit den Beiträgen zur Berufsgenossenschaft an, die inzwischen in einigen Branchen höher sind als die Beiträge zur Krankenversicherung.Auch hier liefert der Bericht ein anschauliches Zahlenbeispiel. Wenn im Jahre 1999 10.000 Arbeitsplätze durch Schwarzarbeit verlorengegangen wären, hätte es Beitragsausfälle in der Sozialversicherung in Höhe von rd. 225 Mio. DM gegeben (ca. 103 Mio. Rentenversicherung, ca. 71 Mio. DM Krankenversicherung, ca. 34 Mio. DM Arbeitslosenversicherung, ca. 9 Mio. DM Pflegeversicherung, ca. 8 Mio. DM Unfallversicherung). Außerdem hätte es Lohnsteuerausfälle in Höhe von rd. 94 Mio. DM gegeben. Der gesamtwirtschaftliche Schaden ist also groß.Ich bin den Verfassern der Antwort auf die Große Anfrage sehr verbunden für diese Rechenbeispiele und möchte mich überhaupt bei den Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums für diesen lesenswerten und informativen Text bedanken. Ich möchte sie auch ausdrücklich für ihre Weigerung loben, im Kaffeesatz herumzustochern und mit geschätzten Zahlen die Fragen 1 bis 15 zu beantworten. Die Fragesteller hätten eigentlich vorher wissen müssen, dass es hier keine verlässlichen Antworten gibt. (Und eigentlich halte ich diese Fragen für ein bisschen reichlich akademisch.)Was wird nun gegen die Schwarzarbeit unternommen? Es gibt eine große Auflistung von Koordinierungsgesprächen, Appellen, Aufklärungsvorhaben, Erfahrungsaustauschen usw. in dem Bericht. Aus der Aufzählung der Behörden, die bei der Aufgabe „Bekämpfung der Schwarzarbeit“ tätig werden, wird zugleich deutlich, wie unübersichtlich hier das Dickicht der Zuständigkeiten ist. Ein Faktum, das übrigens seit längerem von den Handwerksorganisationen heftig beklagt wird!So hat laut Bericht die Bundesanstalt für Arbeit ihre Ermittlungsgruppe für die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und des Leistungsmissbrauchs in Schleswig- Holstein innerhalb eines Jahres fast verdoppelt (von 68,5 Mitarbeitern 2000 auf 111 Mitarbeiter im Mai 2001). Ebenso hat die Zollverwaltung die Zahl der Ermittlungsbeamten von 41 im Jahre 2000 auf 64 Anfang diesen Jahres aufgestockt, bis zum Ende des Jahres sollen es 85 Personen sein.Das Land Schleswig-Holstein hat seinen Anteil geleistet und die personelle Besetzung der Steuerfahndungsstellen deutlich verbessert. Gab es 1995 noch 57 Fahndungsbeamte, so waren sie 2000 bereits auf 107 aufgestockt. Bis zum Ende des Jahres 2001 ist vorgesehen, die Zahl der Fahndungsbeamten auf 136 zu erhöhen. Das ist in nur kurzer Zeit eine Aufstockung des Verwaltungsapparates um 166 Stellen! Haben das die Rufer nach stärkerer Bekämpfung der Schwarzarbeit gewollt? Rechtfertigen die Erfolge diese Aufblähung der Bürokratie?Wirklich gute Erfolge dagegen scheint die Anwendung des Neusser Modells in den meisten der schleswig-holsteinischen Kreise und kreisfreien Städte zu haben (drei Kreise machen noch nicht mit). Hier handelt es sich um ein Selbsthilfe-Modell der Organisationen des Handwerks zusammen mit den örtlichen Ordnungsbehörden. Die Höhe der festgesetzten Bußgelder hat sich in den vergangenen zehn Jahren verzwanzigfacht. Dies möge als ein Indiz für die Effizienz dieser Zusammenarbeit gelten.Trotzdem bleiben alle diese Maßnahmen ein Kurieren am Symptom. Denn die wahren Ursachen der Zunahme der Schwarzarbeit sind unsere hohen Steuern und unsere hohen Sozialversicherungsbeiträge.Der Bericht benennt tapfer diese Ursachen. Er beschreibt für bestimmte Branchen eine erhöhte Schwarzmarktanfälligkeit: z.B. für das Baugewerbe, das Handwerk, den Gartenbau, das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie den sozialen haushaltsbezogenen Dienstleistungsbereich, der Dienste anbietet, die auch im Rahmen der Nachbarschaftshilfe erbracht werden können.Und dann werden die Autoren ganz mutig: Sie erwähnen weitere Einflussgrößen auf den Umfang der Schattenwirtschaft, nämlich die Regulierungsdichte, das Niveau der Lohnersatzleistungen (sprich das Arbeitslosengeld) und die zunehmende Freizeit infolge von Arbeitszeitverkürzungen.Zuerst glaubte ich, ich hätte mich vertan. Aber zu meinem großen Erstaunen war dies wirklich in einem Bericht der rot/grünen Landesregierung zu lesen. Vorsichtshalber jedoch haben die Autoren dies nicht als ihre eigene Erkenntnis ausgegeben, sondern gesagt, dass das in einschlägigen Abhandlungen zu diesem Thema angeführt werde.Es gibt mir aber Hoffnung für die Zukunft unseres Landes, dass das Wissen um den Zusammenhang zwischen der notwendigen Deregulierung der Arbeitsmärkte in der Bundesrepublik und die Entstehung von Arbeitsplätzen inzwischen SPD und Grüne erreicht hat.Es gäbe noch Kritisches anzumerken zur Entwicklung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, zum hohen Lob auf das Teilzeitarbeitsgesetz und zu der Aussage, dass der Trend steigender Sozialabgaben nunmehr gebrochen sei, aber das machen wir dann im Wirtschaftsausschuss.