Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

30.05.01 , 11:31 Uhr
CDU

Thorsten Geißler: Schlichtungsverfahrungen verzögert Rechtsschutz

LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N

Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.cdu.ltsh.de e-mail:info@cdu.ltsh.de
PRESSEMITTEILUNG Nr. 226/01 vom 30. Mai 2001 TOP 5 Thorsten Geißler: Schlichtungsverfahrungen verzögert Rechtsschutz

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf möchte die Landesregierung von der Ermächtigung des § 15 a des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung Gebrauch machen, in der den Ländern die Möglichkeit eröffnet wurde, in bestimmten zivilrechtlichen Streitigkeiten vor den Amtsgerichten als Prozessvoraussetzung ein obligatorisches Schlichtungsverfahren einzuführen. Auch einige andere Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg, sind diesen Weg bereits gegangen. Dennoch ist meine Fraktion keineswegs davon überzeugt, dass für die Einführung eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens ein wirkliches Bedürfnis besteht. Denn schon nach geltendem Recht ermöglichen die vorhandenen Schiedsämter und Schlichtungsstellen der Verbände sowie die Rechtsanwälte – ich verweise in diesem Zusammenhang auf § 796 a ZPO – die außergerichtliche gütliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten. Dies geschieht insbesondere durch die Rechtsanwälte in erheblichem Umfang. Für die verbleibenden Rechtsstreitigkeiten der in § 1 des Gesetzentwurfs aufgeführten Art hat in der Regel eine außergerichtliche Streitschlichtung durch eine anwaltliche Gütestelle oder ein Schiedsamt keine Aussicht auf Erfolg. Es ist die Erfahrung eines jeden Rechtsanwalts, dass Mandanten zu Beginn einer rechtlichen Auseinandersetzung oft weder einigungs- noch vergleichsbereit sind. Es ist daher zu bezweifeln, dass das mit dem Gesetzentwurf beabsichtigte Ziel, die einvernehmliche Streitschlichtung zu stärken, erreicht werden kann. Dem gegenüber gelingt es heute in einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten dem Richter, in einem späteren Stadium des Verfahrens den Rechtsstreit gütlich beizulegen.
Die Einführung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens in den genannten zivilrechtlichen Streitigkeiten führt aber zu Nachteilen für die Rechtssuchenden, und zwar zu einer Verzögerung des Rechtsschutzes des Gläubigers bis zu 3 Monaten, ggf. noch länger, und zwar in all den Fällen, in denen eine außergerichtliche Schlichtung aussichtslos ist, insbesondere weil eine Schlichtung schon vor Anrufung einer Schlichtungsstelle von den Parteien bzw. ihren Rechtsanwälten ergebnislos versucht worden war. Sie führt auch, insbesondere bei der anwaltlichen Gütestelle, zu einer Verteuerung der einvernehmlichen Streitschlichtung, d. h. der gütlichen Einigung der Parteien im Verhältnis zu einer gütlichen Einigung vor dem Amtsgericht. Das Gerichtskostengesetz begünstigt den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs dadurch, dass es den Parteien dafür nur eine Gebühr, nämlich die von 3 auf 1 ermäßigten Verfahrensgebühren abverlangt. Diese eine gütliche Einigung fordernde Kostenregelung lässt insbesondere § 10 des vorliegenden Gesetzentwurfes völlig außer Acht. Im Gegenteil: Der Verfahrensvergleichsabschluss vor der anwaltlichen Gütestelle wird dadurch erschwert, dass beim Zustandekommen eines Vergleichs eine zusätzliche Gebühr fällig wird, vor der anwaltlichen Gütestelle immerhin in Höhe von 130 Euro.
In den Fällen, in denen es nicht zu einer Schlichtung kommt und zur Entscheidung des Rechtsstreits doch vor dem Amtsgericht geklagt werden muss, bedeutet die Einführung eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens zugleich die Einführung einer Vorinstanz, wenn auch ohne Entscheidungskompetenz, und damit einer weiteren Instanz in den § 1 genannten Streitigkeiten vor dem Amtsgericht. Das widerspricht dem heute in der Rechtspolitik verfolgten Bestreben, den Instanzenzug zu verkürzen.
Gerade die Kostenvorschriften müssen daher in der Ausschussberatung einer gründlichen Überprüfung unterzogen werden. Nach Auffassung meiner Fraktion sollte dem Grundsatz des Gerichtskostengesetzes entsprechend der Vergleichsabschluss vor der anwaltlichen Gütestelle und auch vor dem Schiedsamt gebührenmäßig gefördert werden. Auslagen sollten nur in tatsächlich angefallener Höhe erstattet werden. Zugleich gilt es einige handwerkliche Mängel des Gesetzentwurfes zu bereinigen. So muss meines Erachtens in § 10 Abs. 4 das Wort „Vergütung“ durch das Wort „Gebühr“ ersetzt werden.
Selbstverständlich werden wir uns an der Ausschussberatung konstruktiv betteiligen und werden auch die Ergebnisse der Anhörung sorgfältig auswerten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind wir nicht vollends davon überzeugt, dass dieser Gesetzentwurf zu einer Stärkung der gütlichen Streitbeilegung führen wird, befürchten jedoch, dass er zu einer Verzögerung des gerichtlichen Rechtsschutzes des Gläubigers und zu einer Verteuerung einer gütlichen Einigung vor einer anwaltlichen Gütestelle vor dem Schieds-amt im Vergleich zu einer gütlichen Regelung vor dem Amtsgericht führen wird. Im Fall des Scheiterns einer Güteverhandlung vor der anwaltlichen Gütestelle bzw. vor dem Schiedsamt werden auch die für das vergebliche Schlichtungsverfahren entstandene Gebühren zu einer Verteuerung des gerichtlichen Rechtsschutzes führen, wenn daraus ein anschließender Rechtsstreit vor dem Amtsgericht wird, denn nach § 15 a Abs. 4 EGZPO gehören diese Gebühren zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 Abs. 1 und 2 ZPO. Für besonders bedenklich erhalten wir die in Zukunft vorgesehene ungleiche Gewährung des gerichtlichen Rechtsschutzes, denn erst ab einem Streitwert von 750 Euro ist ein unmittelbarer Zugang zum gerichtlichen Rechtsschutz gewährleistet, während bei einem Rechtsstreit von bis zu 750 Euro der Zugang zum Gericht erst nach Durchführung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens gegeben.
Der Überweisung des Gesetzentwurfes an den Innen- und Rechtsausschuss stimmen wir selbstverständlich zu.

Download PDF

Pressefilter

Zurücksetzen