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14.12.00 , 12:27 Uhr
CDU

TOP 2, 17 und 18 Claus Ehlers: Verbraucherschutz hat Vorrang

LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N

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PRESSEMITTEILUNG Nr. 476/00 vom 14. Dezember 2000
TOP 2, 17 und 18 Claus Ehlers: Verbraucherschutz hat Vorrang
Seit dem 24. November dieses Jahres hat sich viel verändert. Die Nachricht, ein BSE- erkranktes Rind ist in Schleswig-Holstein entdeckt worden, hat in Deutschland zu einer BSE- Krise geführt, die teilweise hysterische Ausmaße angenommen hat. Bis zum 24. November sind wir davon ausgegangen, dass deutsche Rinderherden BSE-frei sind und Tiermehl aus unserer Herstellung absolut unbedenklich ist. Mit dieser Sicherheit im Rücken haben wir mit Sorge die Entwicklung, insbesondere in Großbritannien verfolgt und gehofft, von den Problemen nicht unmittelbar betroffen zu sein. Die Situation hat sich jedoch grundlegend verändert. Jetzt hat uns die Krise erreicht und die Politik war und ist gezwungen, umgehend zu handeln.
Der Verbraucherschutz hat Vorrang, daher muss alles getan werden, um den Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Fehler können wir uns nicht leisten, sonst werden wir das Vertrauen der Menschen nicht zurückgewinnen. Deshalb müssen auch überzogene Maßnahmen akzeptiert werden, die in letzter Konsequenz einer sachlichen Prüfung nicht unbedingt standhalten müssen. Um die Sicherheit zu erhöhen, ist die Einführung einer offenen Deklaration für Futtermittel notwendig und auch eine vorgezogene Tierkennzeichnung in den anderen EU-Staaten. Diese erst ab dem Jahre 2002 einzuführen, ist einfach zu spät.
Das Tiermehlverfütterungsverbot, das zunächst nur für sechs Monate befristet ist, wird wahrscheinlich in ein dauerhaftes Verbot münden. Der Bundeskanzler und der Bundeslandwirtschaftsminister haben sich dahingehend geäußert. Es ist nur schwer zu vermitteln, wenn die eine Hälfte eines Rindes für den menschlichen Verzehr geeignet ist, aber die andere Hälfte zu Tiermehl verarbeitet für Allesfresser nicht geeignet sein soll. Die Entscheidung ist gefallen und wir akzeptieren sie, um jedes Risiko auszuschließen und das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher zurückzugewinnen. Mit dieser Entscheidung sind jedoch weitreichende Folgen verbunden, die sowohl die Fleischwirtschaft betreffen, aber auch vor den Höfen nicht halt machen. Die BSE-Krise droht zu einer Überlebenskrise zu werden, wenn hier nicht sofort unterstützende Maßnahmen greifen. Kurzarbeit und befürchtete Entlassungen müssen abgewendet werden.
Die unterschiedliche Behandlung der Krise in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist wettbewerbsverzerrend und unerträglich. Allein die Tatsache, dass BSE-Tests in Deutschland seit dem 6. Dezember durchgeführt werden müssen, aber in den anderen Mitgliedstaaten der EU erst ab dem 1. Januar 2001 sowie die unterschiedliche Regelung für Fischmehl, macht dies deutlich.
Die leidtragenden sind die landwirtschaftlichen Betriebe, die auf den Kosten sitzen bleiben. Möglicherweise entstehen Brüche in der Kette bis hin zu den Verbrauchern, die später nur schwer wieder zu schließen sind.
In der Krise erst zeigt sich, wer auch mit außergewöhnlichen Situationen fertig wird und in der Lage ist, diese zu meistern. Was wir in dieser Hinsicht in den letzten Wochen erlebt haben, ist jedoch alles andere als Krisenmanagement im Sinne einer geordneten Bewältigung der Lage, sondern vielmehr eine chaotische Veranstaltung mit dem sicheren Blick für verwirrende Aktionen.
Die Entnahme von Bodenproben auf dem betroffenen landwirtschaftlichen Betrieb in Anwesenheit des Umweltministers Müller vor laufenden Fernsehkameras hat nichts zur Erhellung des Sachverhalts beigetragen. Weder ist es bisher möglich, eventuelle BSE-Erreger festzustellen, noch hat der Eigentümer der Fläche vorher von dieser geradezu hilflos erscheinenden Aktion Kenntnis gehabt. Ebenso wenig wurde vorher mit dem Landwirt über die Idee des Bundslandwirtschaftsministers gesprochen, den Betrieb zu Versuchszwecken anzupachten. Schön, wenn man so etwas aus der Presse erfährt.
So richtig „gehaltvoll“ wurde die Situation jedoch erst, nachdem ideologisch gefärbte Trittbrettfahrer erkannt haben, dass sie aus der Situation eventuell Kapital schlagen können. Dies reicht von der Empfehlung, nur noch Biorindfleisch zu verzehren bis zu der Forderung der Landwirtschaftsministerin Höhn in Nordrhein-Westfalen, das Bundeslandwirtschaftsministerium aufzulösen.
Diese Situation darf nicht dazu missbraucht werden, die Biobetriebe gegen die konventionelle Landwirtschaft zu stellen. Die Annahme, ein Biobetrieb in Ostdeutschland mit 800 oder mehr Rindern sei klein, kuschelig und gemütlich, ein konventioneller Betrieb in Schleswig-Holstein mit 120 Rindern dagegen eine industrielle Massenhaltung, entspricht wohl nicht ganz den Tatsachen.
Dies alles sind keine Beiträge zur Entspannung der Lage.
Widersprüche begleiten den Umgang mit der BSE-Krise. Fischmehl darf aus Deutschland nicht nach Holland in den Schweinetrog, aber die mit Fischmehl gefütterten Tiere dürfen nach Deutschland verkauft werden. Zunächst wurde übergangsweise lebensmitteltaugliches Fett in das Kälber-Milchaustauschfutter erlaubt, dann wurde diese Verordnung vor dem Inkrafttreten wieder zurückgezogen.
Futtermittel, die tierische Fette enthalten, dürfen nicht verwendet werden, aber vielen Landwirten steht Ersatzfutter nicht zur Verfügung. Die Verwirrung um das Verschwinden des Kopfes der BSE-kranken Kuh ist auch nicht gerade ein Zeugnis für zielgerichtetes und überlegtes Handeln. Nach dem Seuchenrecht hätte der Kopf zur Verfügung stehen müssen. Erst eine schwierige DNA-Analyse konnte die Verwirrung zumindest hier beenden.
Zweifellos, der Verbraucherschutz hat oberste Priorität. Es muss alles getan werden, um die größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten.
Die Landwirtschaft ist zwingend auf das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher angewiesen. Deshalb trägt sie die notwendigen Maßnahmen mit. Unsere Landwirtschaft darf aber nicht allein gelassen werden. In dieser Situation ist keine kleingeistige Ausgrenzung, sondern Solidarität gefragt. Dies gilt auch für die verarbeitenden Betriebe. Die Hilfen, die das Land zur Verfügung stellt, sind ein Anfang. Allerdings muss die Frage gestellt werden, wie das benötigte Geld zusammen kommt, wenn die Bundesregierung und die Europäische Union mauern. Es liegen bereits entsprechende Erklärungen vor, die nichts Gutes erwarten lassen. Darüber hinaus ist genau zu beobachten, wie in anderen Ländern der Europäischen Union verfahren wird. Die bereits angekündigten umgerechnet rd. 945 Mio. DM für französische Landwirte und Fleischverarbeiter sind ein Zeichen für Solidarität.
Die Beseitigung von Tiermehl und –fett ist nicht zum Nulltarif zu haben. Transport-, Lager- und Verbrennung müssen bezahlt werden. Die einfache Formel, der Verbraucher bezahlt das, entspricht nicht immer der Wirklichkeit. Wenn dort die Mehrkosten nicht durchsetzbar sind, werden unsere landwirtschaftlichen Betriebe dafür aufkommen müssen. Wenn dies hier geschehen sollte, aber in anderen Ländern der EU nicht, können wir uns von den Märkten verabschieden.
Angesichts des Einbruches des Rindfleischmarktes werden die Rinder länger auf den Höfen stehen und damit die zulässigen Besatzdichten überschritten. Dies Problem ist bisher nicht gelöst.
Hier im Lande bleibt noch einiges zu tun, um die Krise zu bewältigen.
Die Entsorgung des Tiermehls ist vorläufig, aber noch nicht abschließend geklärt. Die mehrgleisige Kompetenzverteilung des Veterinärdienstes zeigt ihre Schwächen und bedarf einer Neuordnung.
Die unterschiedlichen Mitleistungen der einzelnen Bundesländer – in Nordrhein-Westfalen werden die Landwirte nicht an den Beseitigungskosten beteiligt – führen selbstverständlich zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Ländern.
Die Frage der finanziellen Hilfen ist nicht endgültig gelöst und angedachte Beteiligungen der EU und des Bundes noch offen. Es geht um viel Geld, das unsere Bauern nicht haben.
Aus übergeordneten Gründen würde ich es daher sehr begrüßen, wenn wir im Agrarausschuss den nochmaligen Versuch machen könnten, die vorliegenden Anträge zusammenzuführen.
BSE ist kein Parteithema, sondern eine Bedrohung, die uns alle betrifft.

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