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TOP 15 Caroline Schwarz: Gleichstellung umfassender sehen
LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.landsh.de/cdu-fraktion/ e-mail:fraktion@cdu.landsh.dePRESSEMITTEILUNG Nr. 431/00 vom 16. November 2000TOP 15 Caroline Schwarz: Gleichstellung umfassender sehen „Gender Mainstreaming“ – das ist ein Begriff, den sicherlich nicht jeder von uns zu seinem aktiven täglichen Wortschatz zählt. Deswegen möchte ich zu Anfang gern einige Erläuterungen zu Gender Mainstreaming geben:Erst einmal zu „Gender“: Der englische Begriff Gender bezeichnet – im Unterschied zum biologischen Geschlecht – die Geschlechterrollen, also die gesellschaftlichen Rechte und Pflichten von Frauen und Männern, die veränderbar sind und einem ständigen Wandel unterlagen und unterliegen.Ziel des Gender-Ansatzes ist es, mehr Gleichberechtigung im Geschlechterverhältnis zu erreichen. Dabei geht es nicht nur um die Stärkung der Position von Frauen, sondern um Veränderungen des Verhältnisses der Geschlechter zueinander. Um dies zu erreichen, bezieht der Gender-Ansatz Männer explizit mit ein.Gender-Mainstreaming nun bedeutet die Integration von Gender-Bedürfnissen, also geschlechtsspezifischen Bedürfnissen, in gesellschaftlich relevante Handlungsfelder. Im politischen Bereich geht es darum, die Bemühungen um das Vorantreiben der Chancengleichheit nicht auf die Durchführung von Sondermaßnahmen für Frauen zu beschränken. Zur Verwirklichung der Gleichberechtigung müssen ausdrücklich sämtliche allgemeinen politischen Konzepte und Maßnahmen eingespannt werden, indem nämlich die etwaigen Auswirkungen auf die Situation von Frauen bzw. der Männer bereits in der Konzeptionsphase aktiv und erkennbar integriert werden. Dies setzt voraus, daß politische Konzepte und Maßnahmen systematisch hinterfragt und ihre etwaigen Auswirkungen bei der Umsetzung berücksichtigt werden.Die Maßnahmen zur Gleichstellung erfordern ein ehrgeiziges Konzept, das von der Bereitschaft der Anerkennung einer weiblichen und einer männlichen Identität sowie von der Bereitschaft zu einer ausgewogenen Teilung der Verantwortung zwischen Frauen und Männern ausgehen muss. Förderung der Gleichstellung ist nämlich nicht einfach der Versuch, statische Parität zu erreichen – da es darum geht, eine dauerhafte Weiterentwicklung der Elternrollen, der Familienstrukturen, der Formen der Arbeitsorganisation und der Zeiteinteilung usw. zu fördern, betrifft die Chancengleichheit nicht allein die Frauen, die Entfaltung ihrer Persönlichkeit und ihre Selbständigkeit, sondern sie betrifft auch die Männer und die Gesellschaft insgesamt, für die sie ein Fortschrittsfaktor und ein Unterpfand von Demokratie und Pluralismus sein kann (Definition der EU).Und genau das ist die Richtung, die die CDU in der Frauen- und Gleichstellungspolitik verfolgt und schon immer verfolgt hat, und die im Vertrag von Amsterdam von der EU 1997 mit dem Begriff Gender Mainstreaming als Prinzip zur Chancengleichheit von Männern und Frauen festgeschrieben wurde.Deshalb bin ich Frau Schlosser-Keichel und Frau Fröhlich sehr dankbar, dass sie dieses Thema heute auf die Tagesordnung gesetzt haben.Das bedeutet allerdings nicht, dass wir mit allen Bestandteilen, mit allen Formulierungen des vorliegenden Antrages einverstanden sind.Ich bin z.B. nicht mit dem 2. Satz des 1. Absatzes einverstanden, in dem davon die Rede ist, dass „unter dem Schein der rechtlichen Gleichheit die traditionellen Ausgrenzungen faktisch nicht fortgesetzt werden dürfen“.Das hört sich so an, als ob sich in den letzten Jahren zum Thema Gleichstellung von Männern und Frauen und Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern nichts getan hätte. Das ist ja nun wirklich nicht der Fall, und – auch wenn es immer wieder von SPD und Grünen gern verschwiegen wird – gerade in den Regierungsjahren von CDU und FDP in Bonn 1982 bis 1998 sind beachtliche Fortschritte auf diesem Gebiet erzielt worden. Sie sind im besten Sinne des Wortes „alltäglich“ geworden. Ein Leben ohne Erziehungsurlaub und Erziehungsgeld, Anerkennung von Erziehungszeiten in der Rentenversicherung – jeweils sowohl für die Frau als auch für den Mann, je nach dem wer die Kinder erzieht bzw. erzogen hat –oder ein Leben ohne Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz können wir uns gar nicht mehr vorstellen.Gerade diese gleichstellungs- und familienpolitischen Errungenschaften haben bewirkt, dass die Ausgrenzung von Frauen abgebaut wurde und die Gleichberechtigung der Geschlechter als Querschnittsaufgabe wahrgenommen wurde. Nichtsdestoweniger sind natürlich noch viele Defizite festzustellen: der erschreckend geringe Anteil von Frauen in Führungspositionen trotz besserer Schulabschlüsse, die ungerechten Einkommenssituationen, die unterschiedliche Teilnahme am öffentlichen Leben, Gewalt gegen Frauen und leider vieles mehr. Auch das Verhältnis von Gender Mainstreaming zur „traditionellen“ Gleichstellungsförderpolitik ist offensichtlich von SPD und Grünen falsch verstanden worden.Die im 3. Absatz des Antrages genannten Instrumente einer spezifischen Frauenförderpolitik wie Frauenförderprogramme, Frauenförderpläne und Gleichstellungsbeauftragte auf der einen Seite und Gender Mainstreaming auf der anderen Seite sind zwei unterschiedliche Strategien für die Erreichung derselben Zielsetzung, nämlich der Gleichstellung von Frauen und Männern.Der Hauptunterschied zwischen den beiden Politiken besteht in den beteiligten Akteuren und den konzeptionellen Ansatzpunkten. Die bisherige Frauenförder- oder Gleichstellungspolitik geht von einer konkreten Problemstellung aus, die die Ungleichheit der Geschlechter betrifft. Über bestimmte organisatorische Einheiten, die für die Gleichstellungspolitik zuständig sind, wird eine konkrete Lösung für dieses konkrete Problem entwickelt.Gender Mainstreaming setzt demgegenüber bei allen politischen Entscheidungen an, auch bei denen, die auf den ersten Blick keinen geschlechtsspezifischen Problemgehalt haben. All diese Maßnahmen werden unter einer geschlechterbezogenen Perspektive betrachtet, d.h. die möglicherweise unterschiedlichen Ausgangsbedingungen oder Auswirkungen der Maßnahme auf beide Geschlechter müssen abgefragt und ermittelt werden. Die unterschiedlichen Realitäten von Frauen und Männern werden deutlich und zum politischen Entscheidungskriterium für die Geeignetheit und Qualität der Maßnahme erhoben. Es muss sozusagen eine Bilanz aufgestellt werden.In dieser Hinsicht habe ich allerdings das sichere Gefühl, dass diese Bilanzierung bei der schleswig-holsteinischen Landesregierung heftig zu kurz gekommen ist. Ein aktuelles Beispiel aus der jüngsten Zeit ist die Beschaffungsordnung der GMSH, die allenfalls dafür geeignet ist, eine Antistimmung gegen Frauen zu erzeugen. Die Bilanz stimmt hier absolut nicht!Also: Mit Hilfe der „traditionellen“ Frauenförder- oder Gleichstellungsmechanismen – vernünftig angewendet – kann rasch und zielorientiert gehandelt werden; die jeweilige Maßnahme beschränkt sich jedoch auf eine spezifische politische Problemstellung. Gender Mainstreaming dagegen setzt als Strategie grundlegender und breiter an. In einem effektiven Gesamtkonzept ergänzen sich beide Politiken, aber nur dann, wenn es sich nicht um isolierte Maßnahmen handelt – wie es bei einer großen Anzahl von Aktivitäten zur Frauenförderung der Landesregierung der Fall ist – , die ohne größeren Einfluss auf die Gesamtsituation der Geschlechtergleichstellung und ohne wesentlichen Einfluss auf politische Konzepte insgesamt bleiben.Der Weg muss also sein: Schwerpunktverlagerung weg von isolierten Maßnahmen zugunsten von Frauen - hin zu einem stärker integrierten Ansatz. Die europäischen Strukturfonds gehen nach diesem Prinzip vor, wie das u.a. auch die Internetseite der Justizministerin Lütkes zum Thema „Frauen im Erwerbsleben“ deutlich macht. Allerdings möchte Frau Lütkes auf dieser Seite gern den Eindruck vermitteln, dass die Einbeziehung von Gender Mainstreaming in die Kriterien der EU-Fördermittelvergabe eine schleswig-holsteinische Erfindung sei – das ist nun wirklich nicht so, sondern das ist Bestandteil einer entsprechenden Entschließung des EU-Rates. Ich halte also fest: Obwohl spezielle Maßnahmen als Teil eines dualen Ansatzes in der Gleichstellungspolitik in nächster Zukunft wohl noch notwendig sein werden, erfordert das Gender Mainstreaming insgesamt einen umfassenderen Ansatz, auch hier im Land. Die fünf im Antrag aufgeführten Punkte sind meiner Meinung aber nur bedingt tauglich, diesen umfassenden und integrativen Ansatz zu verfolgen.Wir beantragen, den Antrag in den Innen- und Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen, und wir werden dort dann dem von SPD und Grünen formulierten Auftrag an die Landesregierung noch einige Aspekte hinzufügen wollen, die diesem von der EU und übrigens auch von der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 gewollten Ansatz entsprechen.