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TOP 35 Thorsten Geißler: Nur dringendste Maßnahmen sind möglich
LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.landsh.de/cdu-fraktion/ e-mail:fraktion@cdu.landsh.dePRESSEMITTEILUNG Nr. 385/00 vom 19. Oktober 2000 TOP 35 Thorsten Geißler: Nur dringendste Maßnahmen sind möglich Der Justizvollzug in Schleswig-Holstein ist gekennzeichnet durch Überbelegung der Haftanstalten, zu wenig Haftplätze, Justizvollzugsanstalten, die zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts errichtet wurden, in denen ein zeitgemäßer Strafvollzug schon lange nicht mehr möglich ist, durch eine immer problematischere Gefangenstruktur, ein Ansteigen der Gewaltbereitschaft und eine Personalausstattung, mit denen die Ziele eines Behandlungsvollzuges in der Regel auch nicht annähernd erreicht werden können.Ich erkenne ausdrücklich an, Frau Justizministerin, dass Sie sich bereits zu Beginn Ihrer Amtszeit ein ungeschminktes Bild von den Zuständen in Schleswig-Holstein gemacht haben. Dabei werden Sie festgestellt haben, dass die Situation, die Sie vorgefunden haben, alles andere als ein Ruhmesblatt der bisherigen sozialdemokratischen bzw. rot-grünen Landesregierung darstellt. Sie haben dann auch erkannt, dass es umfangreicher Investitionen bedarf, um unsere Justizvollzugsanstalten in einen baulichen Zustand zu versetzen, der einen modernen humanen Strafvollzug erst ermöglicht. Wir erkennen auch an, dass es Ihnen gelungen ist, einen Kabinettsbeschluss mit der Zustimmung zu Baumaßnahmen in einem Volumen von 111 Mio. DM zu erwirken.Allerdings, und das muss doch wohl der ehrlichkeit- und seriositätshalber klargestellt werden, finden sich diese 111 Mio. DM bisher weder im Haushaltsplan – einschließlich der Verpflichtungsermächtigungen – bis zum Jahre 2004 sollen 38,2 Mio. DM bewilligt werden, noch in der mittelfristigen Finanzplanung der Landesregierung. Hier sind für das Investitionsprogramm Justizvollzug bis zum Jahre 2004 einschließlich 68,8 Mio. DM ausgewiesen. Ca. 33 Mio. DM sind also weder im Haushaltsplan noch in der mittelfristigen Finanzplanung bisher berücksichtigt. Ich sage dies nicht, weil ich den Investitionsbedarf nicht anerkenne oder weil ich mit Ihnen in der politischen Zielsetzung, diese Mittel im Haushalt zu verankern, nicht übereinstimmen würde, aber bei diesen 33 Mio. DM, Sie haben es im Innen- und Rechtsausschuss selbst eingeräumt, handelt es sich eben bisher nur um Vorschläge und ich sage dies deshalb, weil sich natürlich mit einem 111 Mio.-DM-Programm öffentlichkeitswirksamer agieren lässt, als mit einem 68,8 Mio.-DM-Programm. Meine Damen und Herren, es ist doch uns allen bewusst, dass Herr Möller großzügig ist im in Aussichtstellen von Ausgaben, wenn diese zu einem Zeitpunkt getätigt werden sollen, an denen er mit Sicherheit nicht mehr das Amt des Finanzministers des Landes Schleswig-Holstein bekleiden wird.Sie räumen auch selbst ein, dass mit dem Investitionsprogramm in den Jahren 2001 bis 2004 den nur dringendsten Modernisierungsmaßnahmen die in erster Linie den Sanitärbereich, die Fenster und Fußböden sowie das Schließsystem der Hafträume betreffen, im Rahmen der anstehenden Grundinstandsetzungs- und Sanierungsmaßnahmen realisiert werden. D. h. die bereits bewilligten oder in der Finanzplanung vorgesehenen Mittel werden mitnichten dazu ausreichen, in unseren Justizvollzugsanstalten den Standard zu erzielen, der wünschenswert wäre.Wir möchten daher mit Ihnen, Frau Ministerin, im Rahmen der Erörterung dieses Berichtes im Innen- und Rechtsausschuss sehr sorgfältig darüber diskutieren, welche Maßnahmen im einzelnen wann realisiert werden sollen und wir möchten auch mit Ihnen darüber diskutieren, ob Alternativüberlegungen etwa – wie in anderen Bundesländern geschehen – der privatfinanzierte Bau von Justizvollzugsanstalten mit einem anschließenden Leasing durch das Land für Schleswig-Holstein vorbildlich und rechnerisch vorteilhaft sein könnten. Bei allen Überlegungen wird es auch unser Ziel sein, die Haftplatzkapazitäten in Schleswig-Holstein kurzfristig zu erhöhen, denn die gegenwärtige Überbelegung ist weder unter dem Gesichtspunkt der Qualität des Vollzugs noch unter Sicherheitsaspekten auf Dauer hinnehmbar.Umfangreichen Diskussionsbedarf gibt es auch im Hinblick auf die Qualitätsverbesserung der Behandlungsangebote im Vollzug. Dabei sei vor Euphorie gewarnt. In einem internen Papier Ihres Hauses heißt es wörtlich „die mit der Wiedereinführung des Strafvollzugsgesetzes im Jahr 1977 verknüpften Erwartungen an verbesserter Resozialisierungserfolge wurden nur begrenzt erfüllt. In wenigen Teilbereichen, z. B. in sozialtherapeutischen Anstalten, konnten Behandlungsprogramme entwickelt und auch personell so abgesichert werden, wie sie im Rahmen der Reformdiskussion für weiterer Bereiche des Strafvollzugs gefordert waren.“ Weiter heißt es „ein ständig schwieriger werdendes Klientel bietet immer weniger Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Resozialisierungsarbeit. Die Reformeuphorie wurde durch eine Phase der Ernüchterung, teilweise der Resignation, abgelöst.“ Die Gründe dafür sind nicht zuletzt in einer veränderten Gefangenenstruktur zu sehen.In dem internen Papier Ihres Hauses – das hätte auch in dem jetzt dem Landtag vorgelegten Bericht genauso formuliert werden können - heißt es dazu wörtlich: „Die Klientel der Justizvollzugsanstalten hat sich in den letzten Jahren strukturell verändert. Und sie stellt neue Anforderungen an die Sicherheit und das Personal. Der Anteil ausländischer Inhaftierter ist erheblich angestiegen und beeinflusst die Sicherheitslage der Anstalten negativ. Insbesondere Straftäter osteuropäischer Herkunft sind häufig bandenmäßig organisiert und in der Überwindung von Sicherheitsanlagen geschult. Tatsächlich befanden sich zum Stichtag Ihres Berichts Angehörige aus 55 Nationalitäten im Vollzug. In Ihrem Bericht verweisen Sie darauf, dass Bedienstete mit Fremdsprachkenntnissen an den Justizvollzugsanstalten zur Verfügung stehen. In dem internen Bericht Ihres Hauses heißt es dazu jedoch etwas kritischer: „Die Anstalten bemühen sich, Ausländer so weit wie möglich zu integrieren, stoßen bei der Vielfalt der Nationalitäten aber zunehmend auf Schwierigkeiten. In vielen Fällen ist eine sprachliche Verständigung zwischen Anstaltsbediensteten und Gefangenen nicht möglich. Erhöhte Aggressivität, vielfach aufgrund vom Missverständnissen ist die Regel.“ Natürlich haben diese Beispiele Auswirkungen auf die Möglichkeiten der Gestaltung des Vollzugs. Sie bedeuten zusätzliche Belastungen für das ohnehin knappe Personal. Wir werden sehr sorgfältig im Fachausschuss darüber zu diskutieren haben, wie sie unter diesen Bedingungen in Schleswig-Holstein eine Steigerung des Qualität des Vollzugs erzielen wollen. Besondere Schwerpunkte werden wir dabei legen müssen auf eine verstärkte Bekämpfung der Drogenabhängigkeit ebenso wie auf eine Verbesserung der Ausbildungsmöglichkeiten und eine Verminderung der Arbeitslosigkeit im Vollzug.In diesem Zusammenhang eine Anmerkung: ich begrüße ausdrücklich, dass Sie frühzeitig erklärt haben, den Gesetzentwurf der Bundesjustizministerin zu einer Neuordnung der Gefangenenentlohnung nicht zu unterstützen und statt dessen den Sachsen-Anhaltinischen Entwurf mittragen. Der Entwurf von Frau Deubler-Gmelin würde nicht nur das Land mit erheblichen finanziellen Lasten überziehen. Ebenso schlimm wäre die Tatsache, dass angesichts der dann nicht mehr bestehenden Konkurrenzfähigkeit der Betriebe in unserm Justizvollzugsanstalten mit einer Erhöhung der Arbeitslosigkeit im Vollzug zu rechnen wäre.Es ist in 5 Minuten leider völlig unmöglich, eine ausführliche Debatte über die Situation und die Zukunft des Justizvollzugs in Schleswig-Holstein zu führen. Wir werden uns daher mit der Materie sehr detailliert im zuständigen Innen- und Rechtausschuss beschäftigen müssen. Ich bitte daher um Überweisung des Berichtes an den zuständigen Fachausschuss.