Uwe Eichelberg: Das Land verspielt seine Chancen
LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.landsh.de/cdu-fraktion/ e-mail:fraktion@cdu.landsh.dePRESSEMITTEILUNG VII Nr. 176/00 vom 8. Juni 2000TOP 20 Uwe Eichelberg: Das Land verspielt seine Chancen Der Bericht ist eine Fleißarbeit mit einem nahezu verdreifachten Umfang zu den Vorjahren. Dennoch haben wir einige Kritikpunkte zum Inhalt. Der Name „Wirtschaftsbericht 2000“ drückt aus, dass man sich weniger mit den harten Fakten der über 12jährigen Vergangenheit roter oder rot-grüner Wirtschaftspolitik beschäftigen will als mit Visionen und Plänen. Dies ist im Grundsatz nicht falsch, aber wenn man die Analyse der falschen Politik nicht korrekt vornimmt, kann man auch nicht die Ziele sachgerecht definieren. Selbst in der Kirche kommt erst die Beichte und dann der Segen des Hauses.Jubelmeldungen wie „ Unsere Wirtschaft ist im vergangenen Jahr so stark gewachsen wie in keinem Bundesland“ dienen diesem Ansatz nicht. Denn keiner von uns hat vergessen, dass Schleswig-Holstein 1998 an letzter Stelle beim Wirtschaftswachstum stand, und dass das 1999er Wachstum nahezu ausschließlich den so geliebten Kernkraftwerken zu verdanken ist. Das ist die Wirklichkeit! Übrigens, für 2000 sieht es schon wieder schlechter aus, weil im ersten Quartal deutliche Rückgänge in der Stromerzeugung zu verzeichnen sind!An diesem Beispiel zeigt sich der wesentliche Mangel des Berichtes. Es werden je nach gewünschtem Ergebnis die Bezugsgrößen und Bezugszeiträume entweder als Vorjahresvergleiche oder als Vergleichszahlen der letzten 10 Jahre oder 15 Jahre und sogar Prognosedaten nach belieben herangezogen. Ist nicht gerade die Kontinuität der Zahlenreihen wichtig für das Ermitteln von Trends und für grundlegende Analysen? Es geht der CDU nicht darum, dem neuen Wirtschaftsminister das Leben zu erschweren. Im Gegenteil, wir müssen und wollen im Interesse des Landes alle pragmatischen Ansätze im Sinne einer optimalen wirtschaftlichen Entwicklung stützen. Das Aufzählen von Vorhaben und deren Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklung unseres Landes ist wichtig und gut, zumal sich diese Projekte nahezu vollständig mit den Programmen der CDU decken. Aber was die Sache so beschwerlich macht ist, dass der grüne Koalitionspartner hier im Land immer noch all das aus ideologischen Gründen verhindern will, was unser Land so dringend braucht.Der Zeitplan für die Realisierbarkeit von Infrastrukturmaßnahmen hängt ganz entscheidend auch von der rot-grünen Bundesregierung in Berlin ab.Obwohl häufig anderes behauptet wird, liegt für keine der bedeutenden Maßnahmen eine rechtsverbindliche, also einklagbare Zusage aus Berlin vor, oder liegen Ihnen, Herr Minister, inzwischen Bewilligungsbescheide vor? Auch wenn Sie, Herr Minister, viele Planvorhaben als „gesetzt“ definieren. Der Bundesverkehrswegeplan wird mit Sicherheit erst nach der Bundestagswahl, also von der neuen Regierung verabschiedet. Genauso ist es mit dem Anti-Stau-Programm“, das erst nach der Bundestagswahl wirkt. Sie haben also leider nichts Verbindliches in der Hand!Dazu kommt der Finanzierungsvorbehalt und die Priorität der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit. Ich bewundere den Mut für Baubeginnterminzusagen durch die Landesregierung, insbesondere wenn man dann aus den Presseberichten der Grünen weiß, dass sie sich auch weiterhin gegen den Bau der A20 einsetzen, und dass sie dem Schienenverkehrsengpass Elmshorn/Pinneberg nicht die Priorität geben wollen! Sie, Herr Umweltminister Müller, zeigten sich unlängst in Barsbüttel „guter Hoffnung, dass die A20 westlich von Hamberge nicht fortgeführt wird“ und berufen sich dabei auf kryptische Formulierungen im Koalitionsvertrag. Dagegen wirkt der grüne Wunsch nach einem utopischen 2-gleisigen Ausbau der Strecke Neumünster- Segeberg-Oldesloe eher als ein sehr hilfloses Ablenkungsmanöver!Wir von der CDU-Fraktion befürchten, dass durch gezielte Verzögerungsstrategien die Planfeststellungsverfahren, ja selbst die Linienbestimmung für die A20 nicht termingemäß vorliegen werden, und somit die Maßnahmen wegen nicht vorliegender Planungsreife überhaupt nicht im zukünftigen Verkehrswegeplan erscheinen.Übrigens, das befürchten auch die Regierungen in Dänemark und Schweden, die Zweifel an unserer Verkehrspolitik haben. Sie legen auch deshalb mehr Engagement in den Ausbau der Häfen Esbjerg als Feeder-Verkehrs-Verbindung zu den ARA-Ports. Die großen finnischen und schwedischen Firmen konzentrieren sich bereits auf den Zugang zu den mitteleuropäischen Märkten über preiswerte Fährdienste zu dem gut über Autobahnen angeschlossenen Hafen Rostock inkl. Mukran sowie auf die Kooperation mit dem Hafen Stettin, der mit EU-Mitteln modernste Umschlagkapazitäten sowohl für Fährdienste, Bahnverladungen und auch Binnenschiffsverbindungen bieten wird.Die Konkurrenz im Norden schläft nicht! Die rot-grüne Landesregierung scheint sich dazu aber in einen selbstverordneten Tiefschlaf versetzt zu haben, um diese gefährliche Entwicklung nicht mit ansehen zu müssen! Wie soll sich dann noch die feste Fehmarn-Belt-Querung rechnen, wenn um uns herum längst andere Fakten geschaffen werden. Mit der Strategie der geplanten Langsamkeit und Verzögerung bekommen die Grünen auch hier ihre Zielsetzung durch.Auch beim Flugverkehr werden wir nicht, wie viele erwartet haben, eine Aufwertung von Kiel oder Blankensee mit dem Bau der A20 bekommen. Schwerin-Parchim, wie der ehemalige Militärflugplatz neuerdings schon an den Autobahnen ausgewiesen wird, wird durch die A20 und die nun verlängerte Autobahn bei Schwerin ein Ausweichflugplatz für Hamburg werden. Durch ein Einzugsgebiet bis weit in das südöstliche Holstein entsteht hier eine direkte Konkurrenz zu Lübeck-Blankensee. Hat sich der neue Umweltminister nicht sehr deutlich zum Flughafenausbau geäußert? Für ein neues „Abfertigungshäuschen“ kann er sich noch erwärmen, aber für mehr nicht, war zu lesen.Merken Sie nicht, wie die Riesenchancen, die unser Schleswig-Holstein durch seine Brückenfunktion zu Skandinavien, durch Wiedervereinigung und EU-Erweiterung erlangt hat, mit dem grünen Koalitionspartner auch weiterhin vertan werden?Spätestens, als der Bundesverkehrsminister die Elektrifizierung der Bahnstrecke Lübeck-Hamburg von der Realisierung der festen Fehmarn Belt-Querung abhängig machte, hätten alle Alarmglocken bei der Regierung Simonis schrillen müssen. Herr Minister, die CDU-Fraktion hat ihnen zwar das o.k. gegeben für die 50% Kostenbeteiligung an den Planungskosten, aber glauben Sie an die Elektrifizierung ohne feste Fehmarn-Belt-Querung? Uns war schon die Fahrt auf diesen Strecken mit elektrischen Bahnen für das Jahr 2000 durch SPD-Minister versprochen worden !Erfrischend waren dieser Tage die Meldungen des Wirtschaftsministers, der den 6- streifigen Ausbau für die A7 und die A23 nun endlich für die Landesregierung als notwendig anerkennt. Ist diese späte Einsicht das Resultat von Gesprächen zwischen Ihnen, Herr Dr. Rower, und dem Bundesverkehrsministerium, wo Ihnen zu verstehen gegeben wurde, dass es wegen der Einwände der Grünen mit der A20 wohl nichts wird und man nun mit kleinen Antistaulösungen vorm Elbtunnel beginnen solle ? So führt die rot-grüne Koalition das Land in den Ruin.Die Regierung verweist mit Stolz auf eine Exportquote von 30% und betrachtet dies als ihre Leistung. Da hat sie recht, denn rot-grüne Politik hat so wenig Vertrauen in den Euro gebracht, dass man unsere Waren nun ein Drittel billiger exportieren kann. Aber wer exportiert denn? Insbesondere die größeren Unternehmen wie auch Werften sind begünstigt, während der Mittelstand davon wieder einmal weit weniger profitiert.Mit sehr vollmundigen Worten behauptet die Regierung, den großen Strukturwandel von dem verarbeitenden Gewerbe in die Dienstleitungswirtschaft vollzogen zu haben. Dabei werden insbesondere die starken Steigerungen in den Bereichen der modernen Informations- , Bio- und Medizintechnologien hervorgehoben. Jawohl hier gibt es gute Ansätze, aber die exakte Analyse der Zahlen seit 1985 und noch verstärkt über die letzten 10 Jahre zeigt zwar den Wechsel vom verarbeitenden zum Dienstleistungsbereich. Jedoch nur in geringem Umfang im Bereich der neuen Technologien. Die Bereiche Gesundheits- und Erziehungsberufe mit all den Kindergärtnerinnen und Sozialpädagogen sind die Gewinner. Allein diese Berufe und die üblichen Verwaltungs- und Verkehrsberufsgruppen zeigen das Wachstum und den Ausgleich für verlorene Jobs in den Fertigungsberufen.So ist es nur natürlich, dass nun endlich auch die Landesregierung nach jahrelangen Hinweisen durch die CDU die Wachstumschancen gerade im Gesundheits- und Wellness-Bereich erkennt.Noch eins wird bei genauer Zahlenanalyse über große Zeitspannen deutlich: Die Anzahl sozialversicherungspflichtiger Berufe steigt trotz der enormen Fördermittel für den Landesteil Schleswig kaum. Das Wachstum bei den Arbeitsplätzen erfolgt nahezu allein im Planungsraum I, d.h. in den Landkreisen Pinneberg, Segeberg, Herzogtum Lauenburg und Stormarn mit 26 % seit 1985 gegenüber 13 % im ganzen Land. Dieser Trend hat sich nach 1990 noch erheblich verstärkt. Daraus ist zu schließen, dass sich die Förderpolitik nicht an den spezifischen Besonderheiten der Regionen z. B. dem Landesteil Schleswig orientierte. Welche dauerhaften Arbeitsplätze sollten auch auf den bis zu 80 % geförderten Kleingewerbegebieten neben den Dörfern entstehen? ALDI oder Lidl haben mit ihren Filialen dort die letzten Familien-Läden in den anderen Dörfern beseitigt. Der kleine Spediteur ist von Vaters Bauernhof auf die neue Gewerbefläche gezogen wie der Gebrauchtwagenhändler. Das Dörfergemeinschaftshaus, das so wichtig für den Tourismus auf dem Lande sein sollte, führte zum Schließen der letzen Dorfkrüge. Welche Arbeitsplätze sind also per Saldo geschaffen worden ?Besonders wichtig bleibt dagegen der zielgerichtete Ausbau des Tourismus, der sicherere und mittelständisch orientierte Arbeitsplätze bringen kann. Nur ist der Tourismus artfremd im falschen Ministerium untergebracht, oder glaubt man noch, allein die Zukunft des Tourismus mit den Ferien auf dem Bauernhof abzudecken? Wir mit unserer Betongebäudeeinfalt in den Kurorten, den überzogenen Öko- Planungen und den häufig phantasielosen Kureinrichtungen im Geschmack der 70er Jahre haben doch die Zeichen der Zeit verschlafen ! Eine Tourismusmarketingorganisation nach der anderen geht in Konkurs, während in Mecklenburg bereits nicht nur die Ferien auf dem Bauernhof attraktiver sind. Deutschlands einziger Ferienclub von hohem Niveau entsteht nicht auf Sylt oder in Travemünde sondern in Mecklenburg.Es wird Zeit zum Umdenken in der Förderpolitik zu Gunsten des wunderschönen Landesteils Schleswig und der Küstenorte am besten in der Verantwortung des Wirtschaftsministeriums. Damit wird der Tourismus in Verbindung mit dem „Gesundheitsland“ wieder zu einer Perle unserer Wirtschaft. Übrigens ist es ein Irrglaube oder Wunschdenken, dass unser Land durch größeres Wachstum in den Jahren seit 1985 den Anschluss an die anderen Bundesländer gefunden habe. Das reale Wachstum liegt für diesen Zeitraum bei 31% gegenüber 35% im Durchschnitt aller Altländer.Berichte sind gut, wenn Sie eine seriöse Basis für eine ehrliche, schonungslose Analyse liefern. Visionen sind besser, wenn daraus realistische Ziele und Maßnahmen folgen, die auch konsequent umgesetzt werden.Die Wirtschaftspolitik verlangt aber auch Nüchternheit und keine geschönten Berichte. Darüber wollen wir im Ausschuss sprechen und nachdenken; aber die Regierung macht es wie bisher: Sie übernimmt die Vorschläge der Opposition, hoffentlich nur schneller als früher!