Das Land soll keine Menschen in ihr Herkunftsland ausweisen, die in Schleswig-Holstein einen Arbeitsplatz oder eine Lehrstelle haben. Diese Forderung hat die Kieler Verlegerin Bärbel Richter an den Petitionsausschuss gerichtet, und 2.302 Unterstützer haben ihre Eingabe im Internet mitgezeichnet. Ende April begründete Richter bei einer öffentlichen Anhörung ihr Anliegen – und stieß bei den Abgeordneten auf viel Zuspruch.
Petentin Richter kritisiert schleppende Verfahren der Behörden
In den vergangenen Monaten seien zahlreiche Menschen abgeschoben worden, „die seit Jahren in Schleswig-Holstein leben und arbeiten“, so die Petentin. Sie verwies auf aktuelle Beispiele eines Tischlerlehrlings aus Kiel und eines Friseur-Azubis aus Flensburg. Diese Menschen würden außer Landes gebracht, „obwohl sie für die Unternehmen unverzichtbar sind“. Richter forderte die Ausländerbehörden auf, die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen und etwa eine Ausbildungsduldung oder eine Beschäftigungsduldung zu erteilen. Dies geschehe aber zu selten und oft zu langsam: „Warum arbeitet die Abteilung für Abschiebung schneller?“, fragte Richter. Insbesondere in den Bereichen Gebäudereinigung, Bäckerei und Bau gebe es akute Nachwuchsprobleme, sagte Carmen Haas, „Willkommenslotsin“ bei der Handwerkskammer Lübeck. Sie forderte ein „deutliches Zeichen für die Wirtschaft“, damit „motivierte Azubis bei uns bleiben können“.
Die Ausländerbehörden in den Kreisen und kreisfreien Städten seien häufig überlastet, entgegnete Katja Ralfs, Abteilungsleiterin im Kieler Sozialministerium. Zudem habe man nur einen begrenzten Spielraum: „Wir sind an das gebunden, was der Bundesgesetzgeber vorgibt.“ Es gebe aber noch weitere juristische Möglichkeiten wie das „Chancenaufenthaltsrecht“ und den „Spurwechsel“ aus dem Asylverfahren in einen Job. Ihr Ministerium setze sich bei den Kreisämtern dafür ein, diese Wege zu beschreiten, so Ralfs: „Wir motivieren dazu, das Ermessen positiv auszuüben, wenn es ein Ermessen gibt.“
Ruf nach erweitertem Ermessensspielraum
„Ich glaube, dass wir genug Instrumente haben, von denen aber nicht ausreichend Gebrauch gemacht wird“, monierte der FDP-Abgeordnete Heiner Garg. Es bestehe möglicherweise ein „politischer Druck“, höhere Zahlen bei der Abschiebung zu erreichen, und dies betreffe zuerst diejenigen, die am Arbeitsplatz „greifbar“ seien. Auch Dirk Kock-Rohwer (Grüne) vermutete: „Da muss ein Ermessensspielraum sein, der nicht genutzt wird.“ Er rief das Sozialministerium auf, eine eigene Stelle für Fälle der „Abschiebung aus Arbeit“ zu schaffen. Sein Fraktionskollege Oliver Brand kritisierte die hohe Personalfluktuation in den Behörden und die zahlreichen Gesetzesänderungen auf Bundesebene. All dies führe zu extrem langen Verfahren.
Es sei das Ziel der Landesregierung, Neunankömmlinge möglichst schnell in Arbeit zu bringen, betonte Seyran Papo (CDU): „Wir wollen, dass die Menschen von Tag 1 an arbeiten können.“ Der Christdemokrat Heiner Rickers rief die Betriebe auf, diese Fragen mit dem angehenden Azubi zu klären, „bevor man den Ausbildungsvertrag unterschreibt“. „Es wäre in unser aller Sinne, wenn niemand aus Arbeit oder Ausbildung abgeschoben wird“, fasste der stellvertretende Ausschussvorsitzende Michael Schunck (SSW) zusammen, der die Sitzung in Vertretung des abwesenden Hauke Göttsch (CDU) leitete. Der Petitionsausschuss wird in einer späteren Sitzung einen Beschluss zu der Petition fassen.