Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

17. Oktober 2024 – Oktober-Plenum

Sprachförderung: Frühzeitige Tests sollen Kindern helfen

Das Plenum ist sich einig: Eine gute Sprachkenntnis erhöht die Bildungschancen, Sprachtests vor der Einschulung sind deswegen sinnvoll. Im Detail, etwa beim Umsetzungstempo, treten jedoch unterschiedliche Sichtweisen zutage.

24_10_15_kita_sprachliche_bildung_test_kinder_web
Gezielte Förderung hilft Kindern bei sprachlichen Problemen. Foto: dpa, Arno Burgi

Mit neuen Perspektiv-Kitas und Sprachtests für Viereinhalbjährige soll Kindern der Übergang von der Kita in die Schule erleichtert werden. Das fordert ein Antrag der SPD – und das will laut vorgestelltem Bericht auch die Regierungskoalition. Doch während Bildungsministerin Karin Prien (CDU) die Zusammenarbeit von Bildungs- und Sozialministerium lobte und betonte, dass sich alle Seiten darüber einig seien, „welche große Rolle für die Bildungsbiographie die frühkindliche Förderung von der Kita bis zur Grundschule spielt“, kam von der Opposition Kritik am Tempo der Umsetzung dieser Erkenntnisse. Man habe vielmehr, so Oppositionsführerin Serpil Midyatli (SPD), „die Hände in den Schoß gelegt und nicht gehandelt“. Der Antrag der SPD und ein Änderungsantrag von CDU und Grünen wurden an den Bildungsausschuss und mitberatend in den Sozialausschuss überwiesen.

Midyatli forderte die schnellere und flächendeckende Einführung der Sprachtests für Kinder in Schleswig-Holstein. Sie verwies auf Studien, die zeigen, dass sich die Sprachkompetenz der Kinder im Land in den letzten zwanzig Jahren dramatisch verschlechtert habe: „Jedes vierte Kind in der vierten Klasse könne kein Pixi-Buch lesen“, sagte Midyatli, dies sei alarmierend. Sie kritisierte, dass Ministerpräsident Günther und Bildungsministerin Prien (beide CDU) viel zu lang gezögert hätten: „Die CDU geht ja sogar so weit und gibt den Schülerinnen und Schülern die Schuld für das schlechte Abschneiden.“ In Hamburg hätten Sprachscreenings für viereinhalbjährige Kinder bereits zu nachweislich besseren Bildungsergebnissen geführt. Es sei nicht hinnehmbar, dass in Schleswig-Holstein zu Beginn nur sieben bis zehn Kitas in das Programm einbezogen würden.

Prien: „Das braucht seine Zeit“

Bildungsministerin Karin Prien (CDU) wies die Kritik zurück und verteidigte die schrittweise Einführung der Maßnahmen. Ziel der Koalition sei ein nahtloser Übergang von der Kita in die Grundschule. „Das erfordert die Einbeziehung aller Akteure und das braucht seine Zeit.“ Sie verwies darauf, dass man keineswegs bei „Null“ anfange, und nannte das „Sprint“-Programm als Beispiel für bereits bestehende Maßnahmen zur Sprachförderung, dass Kinder mit Deutsch als Zweitsprache sowie deutsche Kinder mit Förderbedarf unterstützt. „Genauso haben das die Hamburger gemacht, die sind seit 30 Jahren dabei“, betonte sie. Prien hob hervor, dass Schleswig-Holstein das erste Bundesland sei, das das Konzept der Perspektivschulen auf Kitas ausweite. „Das ist der richtige Weg – früher anfangen, in der Kita anfangen.“

Martin Balasus (CDU) unterstützte die Position der Ministerin und betonte die Notwendigkeit einer gezielten Förderung von Kindern mit besonderem Unterstützungsbedarf. Mit dem „Entwicklungsfokus Viereinhalbjährige“ werde Sprachförderung schon frühzeitig vor dem Schulstart sichergestellt. Balasus wies darauf hin, dass das Land 25 neue Stellen an Kitas und 20 zusätzliche Stellen an Schulen schaffen werde. Außerdem sollen ab März 50 Perspektiv-Kitas starten. „Das ist eine bildungspolitische Trendwende“, so Balasus, die zu mehr Bildungsgerechtigkeit führe und den Lehrkräften eine spürbare Entlastung bringe.

Garg: Multiprofessionelle Teams in den Kitas stärken

Auch er würde sich schneller mehr Perspektiv-Kitas wünschen, konterte Malte Krüger (Grüne) die Kritik der SPD am mangelnden Tempo: „Aber es braucht eine Pilotierung des Projekts an einzelnen Standorten, um nachbessern zu können.“ Zudem seien die finanziellen Bedingungen schwierig. Es sei die Aufgabe der Regierung, dass „zukünftig jedes Kind die gleiche Chance auf einen erfolgreichen Start in der Schule hat“ und „ein fließender und gut geplanter Übergang von der Kita zur Grundschule ist essenziel, um schulischen Erfolg zu gewährleisten.“ Die Kooperation zwischen Kitas und Grundschulen sei dafür sehr wichtig, dafür werde viel getan. „Denn wir müssen auch weitere soziale, motorische und kognitive Kompetenzbereiche im Blick behalten.“

„Es wird etwas Richtiges gemacht“, sagte Heiner Garg (FDP) und schränkte ein: Die geplante Ausweitung des Projekts auf alle Kitas erst ab dem Schuljahr 2028/2029 sei zu langsam: „Das würde nämlich bedeuten, dass wir volle weitere zwei Kita-Kinder-Generationen genau diese Unterstützung nicht gewähren oder man kann auch sagen, dass wir diese verlieren.“ Garg bemängelte auch den Plan, dass Kinder mit höherem sprachlichen Förderbedarf außerhalb der Kita an der Schule gefördert werden sollen, obwohl es professionelle Fachkräfte in den Kitas gebe. Man solle vielmehr auf vorhandenen Strukturen aufbauen, Bindung als wesentlichen Lernfaktor sehen und multiprofessionelle Teams in den Kitas aufbauen beziehungsweise stärken.

SSW: Klare Vorgaben für fließende Übergänge

„Wir wissen, dass Bildung ab Geburt beginnt und das die frühkindliche Bildung höchste Priorität haben sollte, trotzdem werden Kitabildung und Schulbildung noch nicht gleichgesetzt“, monierte Jette Waldinger-Thiering (SSW). Die Zusammenarbeit zwischen Kita und Schule sei eine immens wichtige Stellschraube, im Land beschränke sich diese auf einen undefinierten Kooperationsvertrag. „Das Konstrukt reicht nicht aus, für fließende Übergänge im Bildungssystem benötigen wir klare Vorgaben und Verbindlichkeiten. Nur so kann es gelingen, die Kinder von Anfang an zu begleiten, zu beobachten, zu fördern und zu fordern.“

Die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) für das Jahr 2023 attestiert den Schülerinnen und Schülern der vierten Klasse im deutschen Bildungssystem eine sich seit zwanzig Jahren stetig verschlechternde Lesekompetenz. Jedes vierte Kind erreiche demnach nicht einmal den Mindeststandard beim Lesen, der für erfolgreiches Lernen nötig wäre. Auch die letzte PISA-Studie kam zu dem Ergebnis, dass deutsche Schülerinnen und Schüler schlechter Lesen können als je zuvor. Vor diesem Hintergrund fordert die SPD-Fraktion die Landesregierung jetzt auf, „noch in diesem Jahr den Zeitplan für die Einführung eines flächendeckenden verpflichtenden Sprachscreenings für Viereinhalbjährige vorzulegen“.

Darin enthalten sein sollen demnach „Informationen über die teilnehmenden Kitas und Grundschulen, über die Erfassung von Kindern, die keine Kita besuchen und über die Art und den Umfang der verbindlichen Fördermaßnahmen“. Laut einer aktuellen Ifo-Erhebung sind in Deutschland 81 Prozent der Befragten für verpflichtende Sprachtests mit viereinhalb Jahren und gegebenenfalls verpflichtenden Deutschunterricht.

Schnellere Hilfe bei sprachlichen Defiziten

Am Montag vor der Landtagstagung teilte das Bildungsministerium bereits mit, dass die Koalition bis zum Schuljahr 2028/2029 die Sprachtests und die sprachliche Förderung auf alle Kitas ausweiten will. So soll bei sprachlichen Defiziten schneller Hilfe erfolgen. Die Perspektiv-Kitas sollen in räumlicher Nähe zu den gleichnamigen Schulen entstehen. „Bildungsökonomisch ist heute vollkommen unstreitig, dass die frühen Investitionen in das Bildungssystem die entscheidenden und die effizientesten Investitionen sind“, sagte Bildungsministerin Karin Prien (CDU). Ein Schwerpunkt müsse auf der Sprachförderung liegen, die die Wissenschaft als Schlüssel für den späteren Bildungserfolg erkannt habe.

Das Bildungsministerium plant 20 zusätzliche Stellen ab 2025 für Grundschulen ein. Kostenpunkt: eine Million Euro pro Jahr. Für die Einrichtung der Perspektiv-Kitas will das Land jährlich zwei Millionen Euro bereitstellen. Ab März sollen bis zu 50 Perspektiv-Kitas starten.

Übergang von der Kita zur Schule erleichtern

Ein weiteres, mit den Sprachtests einhergehendes Thema der Debatte ist die Vorstellung eines Regierungsberichts mit dem Titel: „Übergang Kita-Grundschule gemeinsam gestalten, Kompetenzförderung in den Blick nehmen“. Auch hierin kündigt die Landesregierung an, mit neuen Perspektiv-Kitas und Sprachtests für Viereinhalbjährige den Übergang von der Kita in die Schule erleichtern zu wollen. „Wir haben den Anspruch, dass Kinder die besten Voraussetzungen für den Übergang von der Kita in die Schule haben“, sagt Sozialministerin Aminata Touré (Grüne). „Dafür verbessern wir die Förderstrukturen im Kita-Bereich weiter und legen einen besonderen Wert auf die sprachliche Diagnostik und Bildung.“

(Stand: 14. Oktober 2024)

Vorherige Debatte zum Thema:
Juli 2023

Top 21:
Flächendeckende verpflichtende Sprachtests für Vierjährige
Antrag der SPD-Fraktion – Drucksache 20/2563 
Alternativantrag von CDU und Grünen – Drucksache 20/2607

Top 48:
Übergang Kita-Grundschule gemeinsam gestalten, Kompetenzförderung in den Blick nehmen
Antrag der Fraktionen von CDU und B´90/Die Grünen – Drs. 20/1237 
(Landtagsbeschluss vom 13. Juli 2023)
Bericht der Landesregierung – Drucksache 20/2457
(Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur)