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Auf dem Grund von Nord- und Ostsee lagern Unmengen an versenkter Kriegsmunition. In beiden Meeren liegen im deutschen Teil in 71 belasteten Gebieten 1,6 Millionen Tonnen konventionelle und etwa 5.000 Tonnen chemische Munition. Lange Zeit wurde das Problem verdrängt. Ein Bericht aus dem Umweltministerium beschreibt aber die Gefahren für Mensch und Umwelt: „Die Hüllen rosten durch, und die Inhaltsstoffe geraten ins Meer, werden von Meerestieren aufgenommen und landen auf unseren Tellern“, mahnte Minister Jan Philipp Albrecht (Grüne).
Deswegen müsse der Einstieg in die Bergung „so bald wie möglich beginnen“, betonte Albrecht. Da Schleswig-Holstein diese „Mammutaufgabe“ nicht allein bewältigen könne, forderte er eine „faire Lastenverteilung von Bund und Ländern“. Um das Problem komplett zu erfassen, sei zudem ein „nationales Munitionskataster See“ erforderlich. Betroffen seien Seeleute, Fischer, in deren Netzen die Minen und Torpedos landen können, Taucher und auch Spaziergänger am Strand, die in Kontakt mit angespültem weißen Phosphor geraten, das wie Bernstein aussieht.
Heiner Rickers (CDU) beschrieb den Umfang des Problems: „Wenn wir einen Güterzug beladen mit 70 Tonnen pro Waggon, dann wäre er 250 Kilometer lang von Kiel nach Hannover.“ Er verwies auf ein Pilotprojekt des Bundes, der eine Offshore-Plattform zur Bergung plant. „Wir haben es mit einer tickenden Zeitbombe zu tun, leider im wahrsten Sinne des Wortes“, so Sandra Redmann (SPD). In vielen Küstengemeinden herrsche große Sorge. Sie rief den Minister auf, alle schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten an einen Tisch zu holen, um eine gemeinsame Linie abzusprechen.
„Es wurde jahrzehntelang einfach weggeguckt“, beklagte Marlies Fitzen (Grüne) die „gefährliche Strategie von Aus dem Auge, aus dem Sinn“. Die nächste Bundesregierung müsse das Thema „ganz weit oben auf die Agenda schreiben“, denn Deutschland sei verantwortlich dafür, „dass die Munition da ist, wo sie ist“ – und zwar nicht nur in heimischen Gewässern, sondern auch im Bereich anderer Staaten. Dennys Bornhöft (FDP) sah auch positive Aspekte: „Die fachgerechte Entsorgung hat ein enormes Wertschöpfungspotential.“ Schleswig-Holstein sei „der ideale Standort für ein weltweites Cluster zur Entsorgung von Kampfstoffen“.
„Es darf nicht sein, dass alleine Schleswig-Holstein und die anderen Küstenländer diese Bürde tragen müssen“, unterstrich Christian Dirschauer (SSW). Es werde viel Überzeugungsarbeit nötig sein, „um überhaupt in Berlin Gehör zu finden“. Jörg Nobis (AfD) mahnte: „Wir werden uns von dem Gedanken verabschieden müssen, dass wir alles bergen können.“ Es müsse zunächst darum gehen, sich auf die Gebiete zu beschränken, wo bekannt sei, dass dort viel Munition versenkt wurde. Die Gesamtkosten veranschlagte Nobis auf „mindestens 30 Milliarden Euro“.
Die Ausschüsse für Umwelt und Agrar, Innen und Recht sowie Europa beraten das Thema weiter.
Schleswig-Holsteins Regierung betont in einem Bericht an den Landtag die Dringlichkeit der Entsorgung von Kriegsmunition aus Nord- und Ostsee. Die Nachweise sprengstofftypischer Verbindungen sowie deren mögliche Auswirkungen, Erkenntnisse zur fortschreitenden Korrosion der Metallhüllen und Folgen der Alterung von Sprengstoffen verdeutlichten einen dringenden Handlungsbedarf, heißt es darin. In beiden Meeren liegen im deutschen Teil laut Umweltministerium in 71 belasteten Gebieten 1,6 Millionen Tonnen konventionelle und etwa 5.000 Tonnen chemische Munition.
Von der Munition gehen dem Bericht zufolge vielfältige Gefahren für Mensch und Umwelt aus: „Das Risiko ergibt sich aus Art und Dichte der Kampfmittelbelastung und der Form der Nutzung der Meeresgebiete, Ufer und Strände.“ Kampfmittel setzen mit zunehmender Korrosion der Metallhüllen toxische Stoffe frei, und die Torpedos und Granaten seien schwerer zu bergen, je stärker sie verrostet seien. „Zusammenfassend sind insbesondere Menschen, die Meeresnutzungen mit Grundberührung betreiben, einem erhöhten Risiko ausgesetzt“, resümiert die Landesregierung. „In geringerem Maße zeigen sich Risiken beim Sammeln von vermeintlichem Bernstein (weißer Phosphor) oder schwer erkennbaren Explosivstoffen (Schießwolle, Treibladungen) und beim Sporttauchen.“
Bei aller gebotenen Dringlichkeit des Handelns müsse aber die gesamte Prozesskette von der Archivrecherche bis zur Entsorgung im Blick behalten werden, schreibt die Kieler Regierung. Die technologische Entwicklung habe deutliche Fortschritte erzielt. Bei den anstehenden Aufgaben, besonders bei der Bergung von Kampfmitteln und der umweltgerechten Entsorgung der Sprengstoffe, sieht die Landesregierung den Bund in der Federführung. Sie selbst sei bereit, „im Rahmen der zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel und Personalressourcen ihren Beitrag zur Lösung des Problems zu leisten“.
(Stand: 23. August 2021)
Meldung bei Antragstellung:
März 2021 (ohne Aussprache)
Weitere vorherige Debatte zum Thema:
Dezember 2019