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25.09.24
11:45 Uhr
FDP

Christopher Vogt zu TOP 1 "Regierungserklärung 'Maßnahmenpaket in den Bereichen Sicherheit, Migration und Prävention'"

25.09.2024 | Innen
Christopher Vogt zu TOP 1 "Regierungserklärung ,Maßnahmenpaket in den Bereichen Sicherheit, Migration und Prävention'" In seiner Rede zu TOP 1 (Regierungserklärung „Maßnahmenpaket in den Bereichen Sicherheit, Migration und Prävention“) erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt: 
„Deutschland wurde in den letzten Jahren von mehreren islamistischen Attentaten wie zuletzt in Mannheim oder Solingen und von Vorfällen wie bei uns in Brokstedt erschüttert. Einige geplante Attentate konnten zum Glück auch verhindert werden – nicht selten durch die Hinweise ausländischer Dienste. Hinzu kommen negative Entwicklungen wie die gestiegene Zahl an Messerangriffen und weitere Probleme. Das Sicherheitsgefühl vieler Menschen ist dadurch verständlicherweise erschüttert worden. Es geht hierbei nicht nur um subjektives Empfinden einiger Menschen, sondern um objektive Probleme, auf die die Politik – damit meine ich die etablierten Parteien in Bund und Ländern – angemessen reagieren muss, um dem Problem Herr zu werden und Vertrauen zurückzugewinnen.
Das schreckliche islamistische Attentat von Solingen hat aus unserer Sicht noch einmal verdeutlicht, dass es zu einem Wendepunkt in der deutschen Asyl- und Migrationspolitik kommen muss. Deutschland braucht weiterhin Zuwanderung, aber eben qualifizierte in den Arbeitsmarkt und keine ungesteuerte. Viele Menschen, die zu uns nach Deutschland gekommen sind, bereichern unser Land. Ohne sie würde vieles gar nicht mehr funktionieren und der demographische Wandel wird in den nächsten Jahren auf dem Arbeitsmarkt noch viel stärker als bisher zu spüren sein. Während die Fachkräftezuwanderung nach Deutschland jedoch noch immer zu kompliziert ist, wird unser Asylsystem, das historisch sehr gut begründet ist, weiterhin in großer Zahl zur irregulären Einwanderung genutzt. Und genau dies findet kaum noch Akzeptanz, auch weil die Integration vor Ort immer schwieriger wird. Und hinzu kommt ja leider auch, dass wir nicht immer wissen, wer da eigentlich in unser Land kommt. Islamistische Radikalisierung findet nicht selten auch erst hier in Deutschland statt und auch der Terrorismus hat sich in den letzten Jahren dahingehend verändert, dass es immer öfter um Einzeltäter geht, die sich im Internet radikalisiert haben.
Wir wollen unsere Weltoffenheit – und unsere Art zu leben – verteidigen. Dafür braucht es aber eben erhebliche Korrekturen und einen ‚Schulterschluss der demokratischen Parteien‘ zur Ordnung der Migrationspolitik. Diesen hatte auch Daniel Günther völlig zu Recht nach dem Attentat von Solingen für die Bundesebene gefordert. Ich hatte dem Ministerpräsidenten ebenfalls mehrfach unsere Mitarbeit bei der Lösung der landespolitischen Probleme angeboten. Bisher hat er jedoch leider keine entsprechende Einladung ausgesprochen. Unsere Hand bleibt ausgestreckt, was dies angeht. Ihr heute ausgesprochenes Angebot, Ihre Maßnahmen zu unterstützen, wird dafür jedoch nicht ausreichen, weil Ihre Maßnahmen eben auch nicht ausreichen. Ich verstehe, dass Sie sich koalitionsintern erst einmal sortieren mussten, aber das reicht so nicht. Unsere Vorschläge liegen ja auf dem Tisch und werden auch von den Landkreisen geschlossen unterstützt. Deshalb sollten Sie unser Angebot endlich annehmen.
Ich hoffe auch sehr, dass es auf Bundesebene noch dazu kommt, dass es den ‚Schulterschluss der demokratischen Parteien‘ in der Migrationspolitik geben wird. Alles andere wäre auch vor dem Hintergrund der letzten Landtagswahlergebnisse in Ostdeutschland eine verpasste Chance. Leider habe ich den Eindruck, dass die Union auf Bundesebene daran kein allzu großes Interesse hat. Es ist ja jetzt klar, dass Friedrich Merz Kanzlerkandidat werden wird. Seine Chancen stehen aktuell nicht schlecht, dass er sein Ziel erreichen wird. Er sollte nicht nur an den Wahlkampf denken, sondern auch an die Zeit danach.
Auch über Verschärfungen von weiteren Sicherheitsmaßnahmen kann und muss man sprechen. Die Bundesregierung hatte ja Ende August bereits ein Sicherheitspaket vorgelegt. Die Wirksamkeit vieler Maßnahmen bleibt aber überschaubar, wenn Straftäter und Islamisten weiterhin relativ ungehindert einreisen und sich ganz einfach der Abschiebung entziehen können und dann auch noch weiterhin Geld bekommen als wäre nichts gewesen. Was in Nordrhein-Westfalen mit der nicht weiter verfolgten Abschiebung des späteren Attentäters passiert ist, ist ein Skandal, der aber leider alles anderes als ein Einzelfall ist. Dies darf sich nicht wiederholen. Der Gaza-Krieg und die Entwicklung im Nahen Osten steigern aktuell die Gewaltbereitschaft und die Terrorgefahr in Deutschland. Deshalb muss auch der Schutz für Menschen jüdischen Glaubens und israelischer Herkunft noch mehr im Fokus stehen. Das ist natürlich bitter, dass dies in Deutschland in dieser Form im Jahr 2024 notwendig ist, aber solange dies notwendig ist, müssen wir dies gewährleisten.
Kommen wir zum vorgelegten Maßnahmenpaket: Einige Maßnahmen oder Punkte in dem Papier erscheinen auf den ersten Blick sinnvoll und gerechtfertigt, teils sogar überfällig, wie z.B. der bessere Datenaustausch zwischen den verschiedenen Behörden, die Stärkung des Verfassungsschutzes, oder dass islamische Prediger und Influencer stärker in den Fokus genommen werden sollen. Bei anderen Punkten sind wir hingegen skeptisch, ob sie sinnvoll sind, wie z.B. die Überwachungsmaßnahmen – Quellen-TKÜ oder Gesichtserkennungen – was wir uns sehr genau anschauen werden. oder ob die Punkte über Symbolpolitik auch tatsächlich hinausgehen werden, wie z.B. bei einigen Präventionsmaßnahmen oder bei der angekündigten Vollauslastung der Abschiebehafteinrichtung. Letzteres erinnert dann doch sehr an das Maßnahmenpaket nach Brokstedt, das größtenteils nicht richtig umgesetzt werden konnte. Und es spricht wirklich Bände, dass die Landesregierung eine Vorlage aus Nordrhein-Westfalen für ein Maßnahmenpaket brauchte, da man deren Maßnahmenpaket einfach weitestgehend kopiert hat. Beide Papiere haben die gleiche Überschrift und auch die gleiche Seitenzahl (nämlich 22), Letzteres aber nur durch einen gestreckten Zeilenabstand. Wie kommt das? Interessanter als die Punkte, die Schwarz-Grün aus Nordrhein-Westfalen übernommen hat, sind tatsächlich die vielen Punkte, die Schwarz-Grün nicht übernommen hat. Und diese betreffen die ‚Initiativen in Richtung Länderkreis/Bund‘ zur Verschärfung der Migrationspolitik, die die irreguläre Migration nach Deutschland eindämmen sollen, wie z.B.:
Anpassung der Zuständigkeiten für Dublin-Überstellungen Humanitäre Asylverfahren an den europäischen Außengrenzen (also die GEAS-Reform) Überprüfung der Lageeinschätzungen für Herkunftsländer durch die Bundesregierung Beschleunigte Asylverfahren für Herkunftsstaaten mit einer sehr geringen Anerkennungsquote Weitere Rücknahmeabkommen Abschiebung von Straftätern nach Syrien und Afghanistan Verlust des Schutzstatus bei Heimatreisen
Und so weiter.
Herr Ministerpräsident, warum haben Sie diese wichtigen Punkte nicht übernommen? Dazu haben Sie leider nichts gesagt. Müssen Sie aber eigentlich auch nicht, denn es ist ja klar, woran dies liegt. Ich bleibe dabei – trotz der schwarz-grünen Werbeveranstaltung in der vergangenen Woche und auch hier heute – es war ein Fehler, den Grünen die Zuständigkeit für die Migration zu überlassen. Henrik Wüst scheint dies nun ein Stück weit korrigieren zu wollen. Daniel Günther offenbar nicht – zumindest nicht in ausreichender Form. Meine Sorge ist, dass Schleswig-Holstein bei der Ordnung der Migrationspolitik bundesweit weiterhin auf der Bremse stehen wird, wie zunächst bei den Sicheren Herkunftsstaaten oder auch der Bezahlkarte, und auch landespolitisch hier wenig vorankommt, und wir dazu weiterhin bemerkenswerte Debatten führen müssen, in denen die Grünen uns heftige Vorwürfe machen, um dann irgendwann später nach Monaten doch irgendwie beizudrehen.
Besonders interessant sind die Punkte 5 und 6. Da geht es um die ‚Personaloffensive für die Ausländerbehörden‘ und die ‚Zentralisierung der aufenthaltsrechtlichen Zuständigkeit zur Rückführung von ausländischen Mehrfach- und Intensivstraftätern‘. Wir fordern ja schon lange, die Aufgaben der überlasteten Ausländerbehörden verstärkt zu zentralisieren und dabei vor allem das Rückkehrmanagement in den Blick zu nehmen. Dies fordern nun auch die Landkreise geschlossen von der Landesregierung. Es wird höchste Zeit, diesen konstruktiven Vorschlag der FDP und auch der SPD endlich umzusetzen. Es wurde schon genug Zeit damit verschwendet zu erklären, dass dies gar nicht sinnvoll oder sehr schwierig sei. Sie wollen jetzt immerhin in diese Richtung gehen, aber warum so halbherzig? Es kann nicht sein, dass der Rechtsstaat erst reagiert, wenn man hier schwere Straftaten begangen hat! Das wird die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr akzeptieren, das sehen wir doch!
Sie wollen jetzt bis Anfang Dezember weitere Gespräche mit den Kommunen führen. Deren Wille ist mittlerweile ganz klar formuliert und sie sind sich dabei mit weiten Teilen der Opposition hier im Hohen Hause einig. Ich möchte noch kurz etwas zu den Bürger- und Freiheitsrechten sagen: Ich kann da nur appellieren, behutsam vorzugehen und auf Zielgenauigkeit zu achten. Mit der Quellen-TKÜ und der Gesichtserkennung bei Überwachungskameras geht es um zugegebenermaßen lang gehegte Wünsche der Sicherheitsbehörden und auch der Union. Es muss dabei aber auch tatsächlich darum gehen, Terrorismus zu bekämpfen und nicht alle Bürgerinnen und Bürger zu überwachen. Mir ist dies wichtig, weil wir da ja nicht nur nach China oder andere autoritäre Staaten schauen müssen, sondern auch in einige westliche Staaten, die allerdings auch eine andere Geschichte z.B. der Geheimdienste haben. Und wir wollen ja ‚unsere Art zu leben‘ verteidigen und nicht schrittweise abwickeln. Ich sehe aber auch, dass sich der Terrorismus in den letzten Jahren verändert hat – also z.B. mit Einzeltätern, die keine Netzwerke haben, über die sie auffallen könnten – und dass dies natürlich auch neue Antworten braucht, die aber eben auch sehr gezielt sein müssen.
Mein Fazit: Einige Punkte aus dem Maßnahmenkatalog finden wir richtig und nachvollziehbar. Bei einigen Punkten sind wir skeptisch mit Blick auf die Wirksamkeit. Und bei einigen Punkten sind wir skeptisch mit Blick auf die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger – wir werden uns dies genau anschauen. Insgesamt glauben wir nicht, dass das Maßnahmenpaket ausreichend ist, um dem großen Problem tatsächlich wirksam begegnen zu können. Der Ministerpräsident sprach hier heute vom zentralen Schutz- und Sicherheitsversprechen des Staates, das er halten wolle und bei dem die Politik insgesamt in der Verantwortung stehe. Große Worte, denen aber auch noch weitere Taten folgen müssen. Wir reichen Ihnen weiterhin die Hand, um landespolitisch gemeinsam zu effektiven Lösungen in dieser wichtigen Frage zu kommen. Schlagen Sie diese nicht aus!“
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort.



Christopher Vogt Sprecher für Bildung, Hochschule, Wissenschaft und Kultur


Kontakt: Eva Grimminger, v.i.S.d.P. Pressesprecherin
Tel.: 0431 988 1488 fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de FDP-Fraktion Schleswig-Holstein, Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: www.fdp-fraktion-sh.de