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14.06.18
12:09 Uhr
SPD

Serpil Midyatli zu Top26: Das Grauen geschlechtszuordnender Operationen an Säuglingen muss beendet werden

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html



Kiel, 14. Juni 2018



Serpil Midyatli
TOP 26: Bundesrats-Initiative für ein Gesetz zur Anerkennung der Geschlechtsidentität von Transsexuellen und Intersexuellen Menschen (19/752)
Das Grauen geschlechtszuordnender Operationen an Säuglingen muss beendet werden Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht dauerhaft zuordnen lassen wollen, müssen die Wahl einer weiteren Bezeichnung eines Geschlechts erhalten. Das Personenstandsgesetz ist also dahingehend zu verändern, dass eine Eintragung des dritten Geschlechts möglich oder ganz auf eine Eintragung des Geschlechts verzichtet wird.
Wieder einmal ist es das Bundesverfassungsgericht, das uns, dem Gesetzgeber deutlich sagt: So nicht! Das bestehende Gesetz ist verfassungswidrig. Ich zitiere aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts: „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) schützt auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Darüber hinaus verstößt das geltende Personenstandsrecht auch gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 3 Abs. 3 GG), soweit die Eintragung eines anderen Geschlechts als „männlich“ oder „weiblich“ ausgeschlossen wird.“
Es ist nicht das erste Mal, dass die Politik erst dann reagiert, nach dem das Verfassungsgericht ein Urteil gefällt hat. Bei allen großen gesellschaftspolitisch relevanten Themen in den vergangenen Jahren, haben wir als Politik insgesamt versäumt tätig zu werden. Es ist sehr bedauerlich, dass wir es in der Politik nicht schaffen, unsere eigenen Befindlichkeiten 2



zurückstellen. Die Agentur der Europäischen Union für Menschenrechte (FRA) hatte bereits 2015 kritisiert, dass die Politik in der EU die Rechte Intersexueller oft nicht zu Kenntnis nehme. Teilweise würden Kinder geschlechtszuweisenden Operationen unterzogen werden. Außerdem gebe es kaum spezifischen Schutz vor Diskriminierung. Die FRA hatte damals die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Geschlechtsangaben in Ausweispapieren und Geburtsregistern auf den Prüfstand zu stellen. Die Bundesratsinitiative aus Rheinland-Pfalz und Bremen begrüßen wir daher ausdrücklich und wir begrüßen auch, dass Minister Garg sich bereits dieser Initiative im Bundesrat angeschlossen hat. Ende November letzten Jahres hieße es noch in der Antwort der Landesregierung auf die kleine Anfrage 19/324 des Kollegen Rasmus Andresen, dass die Änderung durch den Bund abzuwarten sei. Nun wird aber progressiv nach vorn gegangen und sich schon im Bundesrat engagiert. Das könnte man auch so deuten, dass man dem neuen Innenmister nicht so wirklich traut, hier etwas Vernünftiges bis Ende des Jahres auf den Weg zu bringen. Erste Pressemitteilungen dazu stimmen mich zumindest nicht euphorisch. Wenn sich bei der Veränderung des Personenstandsrecht für die Möglichkeit einer weiteren Geschlechtsbezeichnung entschieden wird, ist es bei der Umsetzung ganz wichtig, dass den Betroffenen nicht noch ein Attest abverlangt wird, um die selbstbestimmte Geschlechtsbestimmung im Standesamt einzutragen. Diese bürokratische Hürde sollten wir, wenn das Gesetz nun endlich kommt, ablehnen.
In der Bundesratsinitiative werden auch die medizinisch nicht indizierten Operationen an intersexuellen Kindern angesprochen, die in Deutschland immer noch durchgeführt werden. Ich würde mir wünschen, dass diese Operationen in Schleswig-Holstein nicht stattfinden. Ich möchte der Landesregierung gern ein Gespräch mit dem UKSH anregen, um zu identifizieren, ob solche unnötigen geschlechtszuordnenden Operationen an Säuglingen durchgeführt werden. Intersexualität ist keine Krankheit. Der Deutsche Ethikrat hat 2012 in seiner Stellungnahme beschrieben: „Irreversible medizinische Maßnahmen zur Geschlechtszuordnung bei DSD- Betroffenen, deren Geschlechtszugehörigkeit nicht eindeutig ist, stellen einen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Wahrung der geschlechtlichen und sexuellen Identität und das Recht auf eine offene Zukunft und oft auch in das Recht auf Fortpflanzungsfreiheit dar.“
Wir brauchen hier ein gesellschaftliches Umdenken auch bei Ärzten, um den betroffenen Familien den Druck zu nehmen und Kinder vor irreversiblen Entscheidungen zu schützen. Übrigens hat der Ethikrat 2012 auch schon eine Änderung des Personenstandsrechts im Hinblick auf ein drittes Geschlecht gefordert. Ich hoffe nun, dass wir bis zum Ende des Jahres eine zufriedenstellende Regelung in Deutschland erhalten. Eine weitere Baustelle ist dann noch die Reform des Transsexuellengesetzes, was bereits in Teilen für verfassungswidrig erklärt worden ist. Hier müssen wir auch weiter nachhaken.