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27.04.18
16:35 Uhr
FDP

Jan Marcus Rossa zu TOP 27 "Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der Legislative und Exekutive"

Presseinformation
Sperrfrist Redebeginn! Es gilt das gesprochene Wort Christopher Vogt MdL Vogt, Vorsitzender Anita Klahn MdL Klahn, Stellvertretende Vorsitzende Oliver Kumbartzky MdL Kumbartzky, Parlamentarischer Geschäftsführer
Nr. 138/2018 Kiel, Freitag, 27. April 2018
Recht/ Geschichtswissenschaftli- che Aufarbeitung nach 1945



www.fdp-fraktion-sh.de Jan Marcus Rossa zu TOP 27 „Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der Legislative und Exekutive“ In seiner Rede zu TOP 27 (Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig- holsteinischen Legislative und Exekutive) erklärt der innen- und rechtspoliti- sche Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jan Marcus Rossa: Rossa:
„Die Bedeutung einer intensiven und profunden geschichtswissenschaftli- chen Aufarbeitung von Staatsunrecht und seiner personellen und strukturel- len Kontinuität nach Wiederherstellung rechtsstaatlicher Verhältnisse kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir uns vor menschenverachtendem Staatsunrecht nur wirksam schüt- zen können, wenn wir verstehen, auf welchem Nährboden dieses Unrecht gedeihen, und wie es den Tätern immer wieder gelingen konnte, nach einem Regimewechsel umgehend in den Strukturen der rechtsstaatlichen Instituti- onen unterzutauchen. Dies birgt für den Rechtsstaat erhebliche Gefahren und ist für die Opfer, die jahrelang den Repressionen ausgesetzt und unter diesen gelitten haben, unerträglich, ja schlicht eine Zumutung.
Wir wollen deshalb in Schleswig-Holstein untersuchen, ob und in welchem Ausmaß Täter des nationalsozialistischen Regimes nach 1945 Einfluss auf Politik, Verwaltung und Justiz in unserem Land nehmen konnten und damit trotz des von ihnen zu verantwortenden Unrechts entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung eines jungen Staates nehmen konnten, der sich der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verpflichtet hat. Ich finde es bis heute beängstigend, dass die Täter, die für die Ermordung von Millionen von Men- schen und die Repression eines ganzen Volkes mitverantwortlich gewesen sind, nach 1945 weiterhin die Geschicke unseres Landes maßgeblich mit- bestimmen konnten.

Eva Grimminger, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de Um so etwas verhindern zu können, brauchen wir eine umfassende Befas- sung mit unserer Vergangenheit. In Deutschland ist dies gleich zweimal in- nerhalb von weniger als 50 Jahren schiefgegangen, denn weder die Aufar- beitung des Staatsunrechts nach dem Untergang der nationalsozialistischen Diktatur, noch die Abarbeitung des Unrechtsregimes in der ehemaligen DDR vermögen zu überzeugen, sondern sind in hohem Maße unbefriedigend ge- wesen.
In beiden Fällen konnten Stützen dieser Unrechtsstaaten nach dem Re- gimewechsel in den Strukturen der nachfolgenden Staaten untertauchen und auf herausgehobenen Positionen in der öffentlichen Verwaltung oder in der Justiz weiter wirken, ohne dass gewährleistet war, dass die vormaligen Täter sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung unseres Rechts- staats bekannt hätten. Wir haben nach 1945 genauso wie nach 1989 in un- seren staatlichen Institutionen Menschen in zentralen Funktionen geduldet, denen wegen ihrer Vorgeschichte die notwendige rechtsstaatliche Gesin- nung abgesprochen werden musste.
Ich habe selbst in der Nachwendezeit als junger Rechtsanwalt zahllose Pro- zesse, zum Teil bis zum Bundesarbeitsgericht geführt, um Bedienstete der öffentlichen Hand aus dem Staatsdienst zu entfernen, die zuvor in der ehe- maligen DDR für die Stasi tätig gewesen sind und auf niederträchtigste Art und Weise ihre Mitmenschen, ja sogar Freunde und Familienangehörige ausgespäht und an die Stasi verraten haben. Gegenüber den Opfern des Unterdrückungs- und Spitzelsystems ist es unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass diese Täter keinen Platz in Behörden oder Gerichten haben. Für die Menschen, die in der DDR massiv unterdrückt, drangsaliert und entrechtet wurden, ist es unerträglich gewesen, wenn die Täter von gestern auch nach dem Regimewechsel in verantwortlichen öffentlichen Positionen verbleiben durften, um dort weiterhin ungestört wirken zu können, ohne dass sie sich von ihrem Fehlverhalten distanziert, Reue gezeigt oder sich nachweislich zu unserem freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat bekannt hätten. Dieses Ziel haben wir in der Praxis auch aufgrund der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts trotz klarer Regelungen im Einigungsvertrag leider viel zu oft nicht erreicht, weil auch Milde und Verzeihen zu einem Rechts- staat gehört.
Ich sehe in der unbefriedigenden Vergangenheitsbewältigung nach 1989 durchaus Parallelen zur mangelhaften Aufarbeitung des faschistischen Un- rechts des Dritten Reichs in den 50'er und 60'er Jahren. Auch bei uns im Westen wurden führende Beamte des Nazi-Regimes nahtlos in die Struktu- ren der Bundesrepublik übernommen und integriert. Und auch damals war ein ehrliches und nachweisliches Bekenntnis zum freiheitlichen Rechtsstaat nicht nötig, um im Staatsdienst bleiben zu dürfen. Viele Nazis haben nach 1945 Entscheidungen getroffen, die mehr vom Geist des Dritten Reichs als von den Prinzipien eines Rechtsstaats geprägt waren. Die Rechtsprechung des BGH bietet hier zahlreiche erschreckende Beispiele. Richter haben die Auslegung unseres Rechts so lange strapaziert, bis eine Verurteilung der sogenannten Schreibtischtäter wegen Mordes über viele Jahrzehnte hinweg schlicht verhindert wurde. Erst als die Täter langsam ausstarben, änderte sich diese Rechtsprechung. Entscheidend ist dabei die Erkenntnis, dass die Täter über Jahrzehnte hinweg auf unseren Staat einen unsäglichen Einfluss
Eva Grimminger, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de hatten, obgleich sie für das Unrecht im Dritten Reich in erheblichem Maße mitverantwortlich waren.
Welche schädlichen Folgen diese mangelhafte Bereinigung unseres Beam- tenapparats nach 1945 für unseren Rechtsstaat hatte, muss untersucht werden, damit wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Für eine Auf- arbeitung dieser Frage ist es nie zu spät und sie wird Erkenntnisse liefern, die für die Gestaltung unserer Zukunft wichtig sind.
Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zu der Fortsetzung der geschichtswis- senschaftlichen Studie über die personelle und strukturelle Kontinuität nach 1945.“



Eva Grimminger, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de