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25.04.18
15:55 Uhr
SPD

Serpil Midyatli zu TOP 26 + 50: Jamaika lässt Eltern und ihre Kinder im Stich

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html



Kiel, 25. April 2018


TOP 26 + 50 Reform der Kitagesetzgebung (Drs-Nr.: 19/683, 19/669)



Serpil Midyatli:
Jamaika lässt Eltern und ihre Kinder im Stich


Heute ist ein denkwürdiger Tag in der Kitapolitik. Vielen Dank, Minister Garg für ihren wirklich ausführlichen Bericht zur Neuordnung der Kitagesetzgebung. Ich empfehle diese Lektüre allen Paaren, die einen Kinderwunsch haben oder Menschen, die neu in die Komplexität der Kitafinanzierung und der Kitawelt in Schleswig-Holstein einsteigen möchten. Aber für all diejenigen, die heute erste Eckpunkte zur Kitareform und zur Neuordnung der Kitafinanzierung erwartet haben, ist der Bericht eine Enttäuschung. Er ist eine Bestandsaufnahme von der Kitalandschaft in Schleswig-Holstein und beantwortet alleine die Frage was zurzeit wo, wie und von wem geleistet wird. Für alle Beteiligten wie den Kommunalen Landesverbänden, den Trägern, der Landeselternvertretung und auch den Kitasprecherinnen dürften die Ergebnisse nichts Neues sein. Bevor Sie sich nun künstlich in Rage reden, im Bericht selbst, ich zitiere Herr Präsident, „…dass zum jetzigen Zeitpunkt noch keine konkreten Ergebnisse vorgelegt werden…“, geben Sie selbst zu, dass Sie noch keine Eckpunkte vorgelegen können. Was wurde denn in den letzten Monaten eigentlich gemacht? Es wurde ein Arbeitskreis gegründet. Der heißt aber nicht Arbeitskreis sondern Projektgruppe und sorry, es sind sogar zwei Projektgruppen. Es wurden bloß alle bereits bekannten Probleme nun aufgelistet, welche in den nächsten zwei Jahren bearbeitet werden sollen. Das ist auch nicht zu kritisieren. 2



Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass die Koalitionspartnerinnen diesen Zeitplan vorgegeben und Sie sich damit unnötiger Weise selbst unter Druck gesetzt haben. Denn richtig ist: Der Prozess ist schwierig, zeitaufwändig und am Ende werden wir mehr Finanzmittel benötigen, als sie, liebe JamaikanerInnen, bisher in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben. Warum ich das sage? Weil sie nämlich bereits im Haushalt 2018 einen großen Teil der Mittel ausgegeben haben. Wenn also nur ein Bruchteil der vielen Vorankündigungen umgesetzt wird wie zum Beispiel, ich zitiere Herr Präsident: „Als Vorbereitung auf die Neustrukturierung der Kia- Gesetzgebung in SH hat das Familienministerium neben dem aktuellen Finanzierungssystem auch die aktuell geltenden Qualitätsstandards grundlegend analysiert und dabei eine Reihe von Schwachstellen identifiziert“, bedeutet das einen erheblichen Mitteleinsatz. Hier geht um nicht weniger als die Gruppengrößen, Personalausstattung und die räumliche Ausstattung für unsere Kinder. Neben der Kitafinanzierung haben auch das KitaGesetz und die KitaVerordnung einen erheblichen Reformbedarf. Nicht das Sie mich falsch verstehen – ich finde all die Überlegungen gut und werde Sie dabei unterstützen. Aber uns allen muss klar sein, es wird eine enorme Kraft erfordern und mit diesem Bericht ist die Wunschliste nun öffentlich und hinter diese können Sie nicht mehr zurückfallen. Wenn doch – und da seien Sie sich sicher – werde nicht nur ich, sondern auch die Kommunen, die Träger und die Eltern Sie daran erinnern.
Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist die Kita die erste Bildungseinrichtung. Hier wird die Basis für die Entwicklung eines Kindes gelegt. Daher sind uns die Rahmenbedingungen der Kinderbetreuung sehr wichtig und eine Herzensangelegenheit. Daher haben wir in der Küstenkoalition für die Qualität, für die Eltern und die Kommunen viel getan und damit eine gute Grundlage für eine weitere Kitareform in Schleswig-Holstein gelegt. Und die Realität bei den Familien zeigt, dass mehr Kita- und Krippenplätze benötigt werden. Für viele Eltern ist die Kita nicht nur eine Möglichkeit ihre Kleinsten betreuen zu lassen, sondern uns Eltern ist sehr wohl auch die Bedeutung der Kita als Bildungseinrichtung bekannt. Das bedeutet, dass die Ausbaubemühungen der letzten Jahre nicht aufhören dürfen, sondern wir noch mehr Betreuungsplätze im ganzen Bundesland benötigen. Dazu gehört auch, dass sich die Eltern teilweise längere und flexiblere Öffnungszeiten wünschen. Liebe Monika Heinhold, ich hoffe, Sie schreiben gerade mit, denn auch das wird weitere Finanzmittel erfordern. Wichtig und gut ist, dass bei der ganzen Reform die Kindertagespflege mit gedacht und sie stärker mit einbezogen wird.
Mehr Kitaplätze, längere Öffnungszeiten, mehr Qualität in den Kitas bedeutet auch mehr Personal. Bereits jetzt können Träger keine weiteren Gruppen eröffnen, auch wenn genügend Raumkapazitäten vorhanden sind. Wir haben bereits jetzt einen nicht nur fühlbaren, sondern auch tatsächlichen Fachkräftemangel. Wie Sie, Herr Minister, dieses Problem in den Griff kriegen wollen, dazu steht leider nichts in ihrem Bericht. Aber in unserem Antrag haben wir sie daran noch einmal erinnert. Denn eines der drängendsten Probleme der Zukunft der Kitas wird der Mangel an Erzieherinnen und Erziehern sein. Hier gibt es einige Versuche diesem entgegenzuwirken. Aber nur mit Projekten für Quereinsteiger wird dieser Mangel nicht zu 3



beheben sein. Wir brauchen hier eine bundesweite Initiative, denn auch das Modell, was gerade in Mecklenburg-Vorpommern, vorgelegt wurde, reicht in meinen Augen nicht, um hier auch perspektivisch dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Ich finde dieser Vorschlag wird langfristig nicht attraktiv genug sein. Zur Attraktivität gehört aber auch, dass wir es nicht hinnehmen können, dass in einer in der Regel fünfjährigen Ausbildung keine, ja, liebe Kolleginnen und Kollegen Sie hören richtig, keine Ausbildungsvergütung vorgesehen ist. Die jungen Menschen sind auf Bafög und Unterstützung ihrer Familien angewiesen. Im Koalitionsvertrag auf Bundesebene ist dieses Ziel auch formuliert.
Lieber Minister Garg, sie haben ja im kommenden Monat die Familienministerkonferenz hier in Schleswig-Holstein, ich werde Sie sehr gerne dabei unterstützen, wenn Sie hier einen Vorstoß unternehmen würden. Ich bin der festen Überzeugung, dass damit, auch wenn es sich um eine schulische Ausbildung handelt, die Attraktivität des Erzieherinnenberufes steigen würde. Der Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern ist bundesweit gestiegen, alle Bundesländer sind an Lösungen interessiert. Wichtig ist dazu aber auch, dass dieser Punkt bei der Kita-Reform mitgedacht werden muss - bei der Finanzierung sowie beim Personalschlüssel. Vielleicht kann dieser umfassende Prozess der Kita-Reform auch dazu beitragen, dass wir alle uns endlich darüber einig werden, was für eine wertvolle Arbeit in den Kitas insgesamt geleistet wird und vor allem der weitere Bildungserfolg unserer Kinder eng an den Besuch einer Kita geknüpft ist. Zu lange wurden Bildungseinrichtungen, wie die Kita als Betreuungsort betrachtet. Nein, sie sind viel mehr: der erste öffentliche Raum, in dem soziale Kompetenzen erlernt werden, Sprache eine ganz andere und neue Bedeutung erfährt, kulturelle Vielfalt gelebt wird und Kinder spielerisch an Naturwissenschaften, Demokratie und auch an Umweltschutz herangeführt werden. All das wird in der Kita gelernt und noch viel mehr. Daher kann es nicht richtig sein, dass die erste Bildungseinrichtung für unsere Kinder mit hohen Gebühren für Eltern verbunden ist. Kitas sollen wie Unis und neuerdings auch die Meisterausbildung beitragsfrei gemacht werden - und das so schnell wie möglich!
Daher haben wir nochmal in unserem Antrag den Weg zur Beitragsfreiheit reingeschrieben. Damit sie das bei der Reform nicht vergessen. Neuerdings hören wir ja auch von Ihnen, dass das ihr langfristiges Ziel ist. Die Eltern können aber nicht weitere Jahre oder Jahrzehnte darauf warten. Ich hoffe, dass es nicht nur bei Lippenbekenntnissen bleibt und Sie am Ende des Reformprozesses auch einen Weg zur Beitragsfreiheit vorlegen. Wenn nicht, dann tun wir das.