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05.05.06
10:15 Uhr
CDU

Ursula Sassen zu TOP 34: Wie viel Datenschutz muss sein?

Nr. 174/06 05. Mai 2006


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG Pressesprecher Dirk Hundertmark Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de
Es gilt das gesprochene Wort Innenpolitik Ursula Sassen zu TOP 34: Wie viel Datenschutz muss sein?
Uns liegt ein umfassender, übersichtlich gegliederter Tätigkeitsbericht des Unabhän- gigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein für das Jahr 2005 vor. Danke dafür an alle, die an der Erstellung mitgewirkt haben.
Der Bericht ist in verständlicher Sprache abgefasst und findet durch die Auswahl der praktischen Beispiele und Einzelbeanstandungen des Datenschutzbeauftragten so- wie seiner Vorschläge zu Problemlösungen sicherlich breites Interesse in der Öffent- lichkeit.
Datenschutz ist auch Verbraucherschutz und nimmt angesichts des immer problem- loseren Zugriffs auf persönliche Daten einen hohen Stellenwert ein. Daher begrüße ich es außerordentlich, dass der jährliche Bericht des ULD in diesem Jahr wieder zunächst im Plenum und dann in den Fachausschüssen diskutiert wird. In der Einlei- tung zum Datenschutzbericht wird die Frage gestellt: „Welchen Datenschutz können wir uns noch leisten?“
Der Verfasser macht keinen Hehl daraus, dass er durch die große Koalition auf Bun- des- und Landesebene eine reserviertere Haltung gegenüber dem Datenschutz be- fürchtet, wie das folgende Zitat zeigt: ‚Die Frage nach Sinn und Unsinn beziehungs- weise Art und Umfang des Datenschutzes stellt sich zudem heute anders als noch ein Jahr zuvor. Sowohl in Schleswig-Holstein als auch auf Bundesebene wurde bis- her mit knappen Regierungsmehrheiten regiert. Diese politisch unsichere Lage mag ein Grund gewesen sein, dem Datenschutz besonders aufgeschlossen gegenüberzu- treten und Interesse daran zu zeigen, dass die unabhängigen Datenschutzkontrollin- stanzen die Politik mit einer freundlichen Grundeinstellung begleiten. Nun regieren im Bund sowie in unserem Land große Koalitionen, die angesichts sat- ter Mehrheiten zumindest rechnerisch keine Rücksichten mehr nehmen müssen, auf solche speziellen gesellschaftlichen Anliegen.’
Diese Äußerungen haben mich irritiert. Die Formulierung „diese politisch unsichere Lage“ ist ebenso erklärungsbedürftig wie die vorwurfsvolle Aussage, dass die „satten Mehrheiten der Koalitionspartner keine Rücksichten mehr nehmen müssen, auf sol- che speziellen gesellschaftlichen Anliegen.“ Dies darf so nicht im Raum stehen bleiben! Für mich stellt sich nicht die Frage: „Wel- chen Datenschutz können wir uns noch leisten?“ – sondern: „Wie viel Datenschutz muss sein?“
Ich bin sicher, dass auch eine große Koalition mit satten Mehrheiten Datenschutzpoli- tik weder nach Kassenlage noch gegen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger praktizieren wird und halte daher die kritischen Anmerkungen des Landesdaten- schutzbeauftragten in diesem Punkt für unangemessen.
Auch dieser Datenschutzbericht verdeutlicht das Spannungsfeld der Abwägung, auf welche Weise der Staat einerseits seinen obligatorischen Schutzpflichten genügen kann, andererseits aber die Bürgerinnen und Bürger vor überzogenen Eingriffen in die Individualrechte geschützt werden müssen. Das zeigt sich insbesondere im Be- reich der inneren Sicherheit.
Wir sehen eine zwingende Notwendigkeit, die Polizei mit dem notwendigen Hand- werkszeug auszustatten, damit organisierte und Schwerstkriminalität wirksam be- kämpft werden können. Hierfür sind Maßnahmen wie Schleierfahndung, Video- und Telefonüberwachung und auch Techniken wie das KfZ-Kennzeichen-Scanning erfor- derlich. Moderne Technik darf nicht nur den Straftätern zur Verfügung stehen, auch der Staat muss hier auf Augenhöhe sein.
In Kenntnis des bestehenden Spannungsfeldes haben wir uns um einen Ausgleich bemüht. Daher gibt es klare Regeln für die Datenverarbeitung und die Dauer der Speicherzeiten. Ein gutes Beispiel ist hierfür das bereits erwähnte KfZ- Kennzeichen- Scanning: Dieses könnte sicherlich als Mittel angewandt werden, um Bewegungs- profile der Betroffenen zu erstellen. In der Umsetzung haben wir daher Wert darauf gelegt, dass unverzüglich ein Datenabgleich mit der Fahndungsdatenbank erfolgt und danach die Daten derer, die nicht in der Fahndungsdatenbank enthalten sind, wieder gelöscht werden. Die Kritik des Landesdatenschützers an der Änderung des Landesverwaltungsgesetzes ist daher deutlich überzogen, zumal im Anhörungsver- fahren seine Anregungen an vielen Stellen berücksichtigt worden sind. Die große Koalition hat auch nach Datenschutzgesichtspunkten maßvoll gehandelt. Andere Bundesländer haben in ihren Polizeigesetzen weniger Wert auf die Grundsätze des Datenschutzes gelegt.
Dass innere Sicherheit und Datenschutz sich nicht ausschließen, machen die Be- merkungen zur Handhabung der Auskunftssperre aus dem Melderegister im An- tragsverfahren deutlich. Hier besteht Handlungsbedarf, insofern als gefährdete Per- sonen schon während eines Antragsverfahrens geschützt werden. Diese Anregung müssen und werden wir aufnehmen um schnell eine Lösungen herbeizuführen.
Als gesundheitspolitische Sprecherin meiner Fraktion habe ich mit besonderem Inte- resse die Ausführungen zum Schutz des Patientengeheimnisses bei der elektroni- schen Gesundheitskarte und des Mammografie-Screenings gelesen. Es ist beruhi- gend zu wissen, dass sowohl die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Län- der eine Weisung des Bundesgesundheitsministeriums an die extra geschaffene Ge- sellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH (Gematik) unter- stützen, deren Ziel es ist, die Rechte der Betroffenen bei der Fortentwicklung der technischen Standards und Spezifikationen zu sichern. Acht Regionen sind bundesweit am Modellversuch zur Einführung der eGK beteiligt. Für Schleswig-Holstein hat die Fachhochschule Flensburg vorbildliche Arbeit geleis- tet und führt in enger Kooperation mit dem Datenschutzbeauftragten im Raum Flens- burg Testversuche durch. Ich hoffe sehr, dass Schleswig-Holstein die Nase vorn be- hält, und der gute Start nicht an der Kostenfrage scheitert. Dies wäre ein Rückschlag für die Gesundheitsinitiative Schleswig-Holstein.
Auch beim schleswig-holsteinischen Krebsregister hat sich die intensive Mitarbeit des Landesbeauftragten für Datenschutz positiv ausgewirkt. Durch die flächendeckende Mammografie-Screenings wurde eine Verfahrensänderung erforderlich, um Erfolgs- kontrollen vornehmen zu können.
Eine landesweit zentrale Stelle – für Schleswig-Holstein sind der Medizinische Dienst, die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenversicherungen im Ge- spräch – übernimmt eine große Verantwortung. Es bedarf eines Landesgesetzes als Rechtsgrundlage für derartige medizinische Untersuchungen. Wir haben dieses Ge- setz in der letzten Sozialausschusssitzung beraten und der Vorlage zugestimmt.
Als selbständige Kauffrau seit mehr als 20 Jahren und Mitglied in verschiedenen Wirtschaftsverbänden hat mich das ULD-Gutachten zum Kredit-Scoring aufhorchen lassen. Die Praxis der Kreditwirtschaft ist weit entfernt von den Zielen der Politik, den Einstieg in die Selbständigkeit zu erleichtern und kleine Unternehmen zu stärken.
Bei der Aussagekraft für die Bewertung der Kreditwürdigkeit sind Merkmale wie
Adresse Alter Geschlecht Staatsangehörigkeit Familienstand und Zahl der Kreditanfragen
offensichtlich wichtiger als
Beschäftigung von Mitarbeitern Kontinuität Charakter und Zuverlässigkeit
der Kreditnehmer, da diese Eigenschaften im Zuge der Fusionen von Kreditinstituten, Überregionalität und Anonymität untergegangen sind.
Hier kann ich mich der Forderung des Landesdatenschutzbeauftragten nach verbes- serter Beratungs- und Aufklärungsarbeit vor allem durch die Verbraucherzentralen und einer verstärkten Kontrolle durch die Datenschutzaufsichtsbehörden nur an- schließen.
Der Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für Datenschutz 2006 ist trotz kritischer Anmerkung mehr als ein Bericht – er ist ein Nachschlagwerk für alle Fälle.