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24.02.06
12:22 Uhr
CDU

Manfred Ritzek zu TOP 37: Alle Chancen einer zukunftsfähigen Energiepolitik nutzen

Nr. 83/06 24. Februar 2006


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG Pressesprecher Dirk Hundertmark Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de
Es gilt das gesprochene Wort Energiepolitik Manfred Ritzek zu TOP 37: Alle Chancen einer zukunftsfähigen Energiepolitik nutzen
Schleswig-Holstein ist von der Steigerung des globalen Energiebedarfs abhängig und damit herausgefordert, durch eine zukunftsfähige Energiepolitik den Bedarf un- seres Landes zu decken.
Der Weltenergierat WEC (World Energy Council) prognostiziert einen Anstieg der weltweiten Energienachfrage um 30 bis 50 % bis zum Jahre 2020. Die jüngste EU- Prognose sagt sogar schon bis zum Jahre 2010 einen Anstieg von 55 % des globa- len Rohölverbrauchs voraus, allein verursacht durch den Wirtschaftsboom in Asien.
Wenn man bedenkt, dass heute noch 1,5 Milliarden Menschen ohne Zugang zu kommerzieller Energie sind, lässt sich erahnen, dass die Prognose des Shellkon- zerns, nämlich ein Anstieg des weltweiten Energiebedarfs um das Dreifache bis zum Jahre 2060, unvorstellbare Herausforderungen an die Energiepolitik stellt.
Bedingt durch den starken Anstieg des Weltenergieverbrauchs wird sich der Bedarf an Öl, Kohle und Gas weiter deutlich erhöhen, über die schon heute weltweit knapp 4 Milliarden Tonnen gefördertes Rohöl pro Jahr und die etwa 2700 Milliarden Kubik- meter Erdgas.
Die Deckung dieses enormen Anstiegs der Nachfrage nach Energie erfordert eine möglichst breite Palette von Energieträgern, um Versorgungs-, Preis- und Umweltri- siken so gering wie möglich zu halten.
Der neue Energiekommissar der EU, der Lette Andris Piebalgs, sieht in einer effekti- ven und effizienten Energiepolitik der EU einen Schlüsselbereich für die Europäische Wirtschaft und damit für die Umsetzung der prioritären Lissabon-Strategie.
Die Europäische Öl- und Gasförderung wird innerhalb der nächsten 20 Jahre erheb- lich sinken, da besonders die Fördergebiete in der Nordsee weitestgehend erschöpft sein werden. Selbst mit größeren Einsparungen und dem Einsatz erneuerbarer E- nergien wird sich der Importbedarf der Europäischen Union und auch Deutschlands hinsichtlich Erdöl und Erdgas in der mittel- und langfristigen Perspektive weiter steigern. Im Jahre 2020 wird Europa verschiedenen Schätzungen zufolge bis zu 90 % seines Erdöls und 70 % seines Erdgases importieren müssen.
In diesem enormen Spannungsfeld zwischen internationalem und nationalem Ener- giebedarf und Energieverfügbarkeit muss der Bericht der Landesregierung über die zukünftige Energiepolitik für Schleswig-Holstein bewertet werden.
Es ist ein Bericht, der nach meiner Einschätzung mit hohem Fachwissen, mit Begeis- terung und Überzeugung geschrieben wurde. Er beweist die hohe Qualifikationen des gesamten Ministeriums zum Energiethema, wie die wissenschaftlichen - oft nicht leicht verständlichen Passagen -, die wirtschaftlichen Analysen und die Darstellung der Zusammenhänge beweisen.
„Die Landesregierung fühlt sich insgesamt dem Ziel verpflichtet, zur langfristigen Si- cherung der Energieversorgung, zur Ressourcenschonung und zum Klimaschutz un- ter Berücksichtigung von für Haushalte sozial verträglichen und für Gewerbe und In- dustrie wettbewerbsfähigen Energiepreisen beizutragen“, so ein Zitat aus dem Be- richt.
Mit Recht weist die Landesregierung darauf hin, dass zur Zielerreichung dieser An- forderungen unterschiedliche Wege diskutiert werden müssen, auch bei uns.
Ein Aspekt dieser Diskussion ist die Verlängerung der Restlaufzeiten der Kernkraft- werke und damit verbunden eine Änderung der gegenwärtigen Bestimmungen im Bundes-Atomgesetz. Auch wenn in anderen EU-Ländern wie z.B. in Schweden und Finnland eine Verlängerung der Restlaufzeiten beschlossen wurde, so weist die Lan- desregierung darauf hin, dass hierzu wegen der Koalitionsvereinbarung keine Ver- änderung der Rechtssituation vorgenommen werden kann.
Der Bau von neuen Kohlekraftwerken muss unter den Anforderungen von Niedrigst- grenzen für Emissionswerte und Höchstwerte für Wirkungsgrade diskutiert werden. Ebenso gehört auch die Forderung nach der Entwicklung der „Clean Coal Technolo- gy“ dazu. Allerdings wird diese Option nach heutigen Erkenntnissen in den nächsten ein bis zwei Dekaden noch keine wesentliche Rolle spielen.
Entscheidend ist auch die Entwicklung der regenerativen Energien. Darauf konzent- riert sich der Bericht, was ja auch mit unserem Antrag beabsichtigt war. Alternative Energieträger, regenerative Energien sollen und müssen unsere Energiebilanz von Abhängigkeiten befreien. Noch ist der Beitrag ernüchternd, oder anders ausgedrückt, wir müssen noch einen langen, kostenintensiven Weg gehen, ehe regenerative E- nergien einen bedeutenden Beitrag zur Energieversorgung leisten können.
Die bedeutendsten Energieträger, die zum Endenergieverbrauch in Schleswig- Holstein beitragen, also zu der Energie, die beim Verbraucher ankommt, sind nach wie vor Mineralöl und Gas mit zusammen über 75 %, dann Strom mit knapp 16 %.
Für die Stromerzeugung stehen derzeit knapp 6.000 MW konventionelle Gesamt- kraftwerkskapazität zur Verfügung, wie Kraftwerke für den Einsatz fossiler Rohstoffe, Kernkraft- und Heizkraftwerke. Hinzu kommen mit den etwa 2.600 Windkraftanlagen weitere knapp 2.200 MW installierte elektrische Leistung. Natürlich
entspricht die installierte Leistung der Windkraftanlagen nicht der definitiv gelieferten Energieleistung. Schwacher Wind, Reparaturstillstände, Engpässe in den Netzen und bei der Aufnahmefähigkeit der konventionellen Kraftwerke reduzieren die eingespeis- te Leistung. Auf alle Fälle gilt, das sagt auch der Bericht, dass jede durch Windkraft erzeugte Kilowattstunde – was für alle regenerativen Energien gilt – irgendwo in Deutschland eine fossil erzeugte KWh ersetzt. Das ist ein wichtiges Ziel, ein wichti- ges Ergebnis.
Die Landesregierung bekennt sich ausdrücklich zur Unterstützung der Windenergie mit Augenmaß. Das wird auch dokumentiert durch die Unterstützung der geplanten und bereits genehmigten Offshore-Windparks mit einer Gesamtleistung von über 2200 MW, durch die Identifizierung von 10 Standorten an Land für „Multi-Mega- Anlagen“ und durch die unmittelbar bevorstehende Genehmigung für den Bau von Kabelanbindungen.
Bis zur Realisierung ist es dennoch ein weiter, schwieriger Weg. Denn 5-MW- Anlagen mit einer Höhe von 200 Metern, entsprechenden Fundamenten, hohen Kos- ten für die Kabelverlegung und die explodierenden Stahlpreise bedeuten große Hin- dernisse, zusätzlich zu den Fragen der Umwelt und Sicherheit.“ Jede umfangreiche Tätigkeit auf dem Meer wirkt auf jede andere“, so Elisabeth Mann Borgese in einem Bericht an den Club of Rome. Sie wird in Zukunft dem „Schleswig-Holstein Meeres- preis“ den Namen geben.
In der Bioenergie hat Schleswig-Holstein eine Führerschaft übernommen. Wenn auch das Gesamtpotential von 13 % des Primärenergieverbrauchs erst zu einem Prozent ausgeschöpft ist, so beschreibt der Bericht doch die Vielzahl der Projekte mit den unterschiedlichsten Anwendungsmöglichkeiten. Besonders beeindruckend ist die bereits produzierende Biodieselanlage in Brunsbüttel auf der Grundlage von Raps als Rohstoff mit einer Kapazität von 150.000 Jahrestonnen Biodiesel, das entspricht immerhin knapp 10 % der Produktion in Deutschland. Mit der erlaubten Beimi- schungsmenge von heute 5 % und der bis 2010 von der EU geforderten Beimi- schung von 5,75 % zum Normaldiesel ist mit einem weiteren Wachstum zu rechnen. Daran sollten wir teilnehmen. Auch die Entwicklung des Bioethanolmarktes, also die Produktion und Beimischung zum Benzin, ist auf dem richtigen Weg. Die zukünftige Besteuerung dieser Biokraftstoffe darf allerdings diese Entwicklung nicht hemmen oder gar abbrechen.
Aber, und darauf muss hingewiesen werden, die Anbaufläche für Raps, Mais, Getrei- de als Rohstoffe für Energiegewinnung ist begrenzt. Wir brauchten die doppelte Ag- rarnutzfläche der Bundesrepublik, um die heutigen etwa 55 Mio. Tonnen Kraftstoffe durch Biokraftstoffe zu ersetzen.
Wenn es auch keine regenerativen Produkte sind, so sollten dennoch Initiativen er- griffen werden, um Flüssiggas und Erdgas stärker für den Antrieb von Kfz einzuset- zen, weil diese umweltfreundlich sind.
Die Aussagen über die Entwicklung der Solarenergie und der Geothermie und auch der Kraft-Wärme-Kopplung zeigen die Verantwortung der Landesregierung in diesen Bereichen.
Spannend sind die Ausführungen zum Wasserstoff, die Option für die Jahre nach 2015. „Wasserstoff wird, so die Landesregierung, innerhalb der nächsten zehn Jahre
zur notwendigen Energiespeicherung beitragen können“. Wasserstoff herstellen durch regenerative Energie, dass ist die Herausforderung für die Zukunft. Der Einsatz von fossilen Energieträgern zur Herstellung von Wasserstoff schließt sich aus.
Über up-scaling und Scalierungsrichtlinien wird man sich in Fachkreisen unterhalten, auch darüber, dass die Verbrennungstechniken stets mit dem Volumen scalieren, demgegenüber die Windtechnik mit der überstrichenen Rotorfläche. Solche Darstel- lungen, solche in die Tiefe gehenden wissenschaftlichen Aussagen, zeigen in der Tat die hohe Kompetenz der Mitarbeiter; ich fand leider so schnell keinen, der mir das erklärte.
Universitär und wissenschaftlich ist unser Land hervorragend für die Wasserstofffor- schung ausgestattet. Das erfahren wir im Bericht. Die stärkere länderübergreifende Zusammenarbeit sollten wir sofort beginnen. Hamburg ist ein idealer Partner, geht doch die Hansestadt in die zweite Phase mit jetzt 9 Wasserstoff getriebenen Bussen, mit der ständigen Forschung und Entwicklung der Aggregate und mit dem Ziel, in- nerhalb der nächsten 8 Jahre sogar eine Barkasse mit Wasserstoffantrieb zu entwickeln. Die Lindenau- werft in Kiel ist bereit, auf diesem Feld mit der Hamburger Hochbahn zusammenzu- arbeiten. Das ist in die Wege geleitet.
Schleswig-Holstein ist auf einem guten Weg, alle Chancen einer zukunftsfähigen E- nergiepolitik zu nutzen. Wir müssen zumindest in Teilbereichen der regenerativen Energietechnologie und -anwendung die absolute Führerschaft einnehmen. Das be- trifft die Entwicklung von regenerativen Energietechniken und deren Anwendung, die Schaffung erstklassiger Arbeitsplätze und den Export von modernsten Techniken im Energiebereich.
Der Bericht mit seinen Inhalten ist für uns alle Verpflichtung - handeln wir entspre- chend.