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23.02.06
10:23 Uhr
CDU

Ursula Sassen zu TOP 19 und 32: Palliativmedizin bejaht das Leben und nimmt das Sterben als natürlichen Prozess an

Nr. 70/06 23. Februar 2006


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG Pressesprecher Dirk Hundertmark Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de

Sozialpolitik Ursula Sassen zu TOP 19 und 32: Palliativmedizin bejaht das Leben und nimmt das Sterben als natürlichen Prozess an Der vorliegende Bericht der Landesregierung zeigt, dass Schleswig-Holstein im Vergleich zu anderen Bundesländern in der Palliativmedizin auf einem guten Weg ist.
Hatte man vor 10 Jahren noch die Auffassung vertreten, palliativmedizinische Einheiten nur in Krankenhäusern der Zentral- und Schwerpunktversorgung vorzuhalten, haben sich diese „Keimzellen“ als Wissenstransfer nach außen auch zu den Hausärztinnen und –ärzten und anderen Mitgliedern des therapeutischen Teams entwickelt.
Die derzeit sehr lebhafte öffentliche Diskussion um Palliativmedizin und Hospiz rückt das Ende unseres begrenzten Lebens in unser Bewusstsein, konfrontiert uns mit einer kurzen Zeit, die uns Menschen vor dem Tod noch bleibt. Palliativmedizin bedeutet mehr als Todge- weihte mit den Mitteln der modernen Medizin am Leben zu erhalten.
Palliativmedizin umfasst eine ganzheitliche Betreuung und Begleitung von Patienten, die sich in einem weit fortgeschrittenen und fortschreitenden Stadium einer Erkrankung befinden, bei der eine Heilung nicht mehr möglich ist. Sie umhüllt und schützt den Patienten, wobei das oberste Ziel der palliativmedizinischen Versorgung der Erhaltung einer hohen Funktionsfä- higkeit und Lebensqualität gilt, wenn Heilung nicht mehr möglich ist. Dieses Konzept stammt ursprünglich aus der Betreuung unheilbar kranker Krebspatienten, gilt heute aber für jede Erkrankung, die progredient und unwiederbringlich zum Tode führt.
Palliativmedizin bejaht das Leben und nimmt das Sterben als natürlichen Prozess an. Sie ist eine Absage an aktive Sterbehilfe und umfasst auch die Betreuung der Familie vor und nach dem Tod. Das klingt tröstlich! Doch wie kommen wir dahin, die Leiden der Sterbenskranken zu lindern, ihnen die Angst vor dem Tod zu nehmen und die Trauer der Angehörigen zu mil- dern?
Die umfassende Betreuung der Patienten und ihrer Angehörigen erfordert ein Team aus Ärz- ten, Pflegepersonal, Sozialarbeitern, Psychologen, Physiotherapeuten und Seelsorgern. Ne- ben den hauptamtlichen Mitarbeitern ist die Einbindung von
ehrenamtlich Tätigen in der Hospizbewegung wichtig. Zwar kommt Palliativmedizin bei den meisten Patienten mit wenig technischen Maßnahmen aus, der personelle und zeitliche Aufwand ist dafür umso größer. Wichtig ist dabei, die unterschiedlichen Erfahrungen und Schwerpunkte der verschiedenen Berufsgruppen einfließen zu lassen und daraus mit dem

Patienten und den Angehörigen ein individuelles Behandlungsziel für jeden Patienten zu finden.
Palliativmedizin sollte jedoch nicht auf die Palliativstationen und Hospize beschränkt bleiben. Die Planungen in Schleswig-Holstein konzentrieren sich darauf, den Schwerpunkt der pallia- tivmedizinischen Versorgung inhaltlich und konzeptionell auf die Vernetzung von ambulanten und stationären Einrichtungen sowie auf die Kooperation von hauptamtlich und ehrenamtlich Tätigen in diesem Bereich zu legen. Auch hier gilt das Motto „ambulant vor stationär“, was den Ruf nach ausgebildeten Care-Teams lauter werden lässt.
Daher ist für mich der Punkt 4. „Derzeitige regionale Versorgungssituation mit dem Unter- punkt ‚Quantitative Auflistung von ambulanten und stationären Angeboten’“ besonders wich- tig.
Eine akute Mangelsituation vermag ich nicht zu erkennen, wohl aber die Notwendigkeit, eine bessere Vernetzung der Angebote, intensive Öffentlichkeitsarbeit und professionelle Unter- stützung und Ausbildung von „Care Teams“ anzustreben.
In Schleswig-Holstein stellt sich die Versorgungssituation wie folgt dar: Schleswig-Holstein verfügt derzeit über 5 stationäre Hospize mit insgesamt 65 Plätzen. In diesem Bereich sind mit über 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch weitere 80 Ehren- amtliche tätig, denen unser besonderer Dank gebührt.
Dem Palliativ- und Hospizverband Schleswig-Holstein e. V. gehören derzeit 38 ambulante Hospizgruppen an, davon sind 13 Hospizdienste in der ambulanten Hospizarbeit tätig. Dar- über hinaus befinden sich weitere Hospizgruppen in der Gründungsphase, und einige der Hospizgruppen haben regionale Untergruppen gebildet. Es gibt außerdem Hospizgruppen, die wertvolle Arbeit leisten, aber nicht dem Verband angehören und daher im Bericht nicht erfasst wurden.
In Ergänzung zur ambulanten Hospizbetreuung und der Versorgung Sterbender in Pflege- heimen sind neben den stationären Hospizen auch Palliativstationen erforderlich. Hier wer- den Sterbenskranke rund um die Uhr ärztlich betreut, oft aber nach Einstellung mit Schmerzmitteln wieder in die ambulante Versorgung entlassen. Dafür stehen in Schleswig- Holstein vier Palliativstationen mit 37 Betten zur Verfügung. Die Verzahnung von ambulanten und stationären Einrichtungen von Hospizbewegung und Palliativmedizin ist laut Bericht der Landesregierung offensichtlich gelungen.
Die Gesprächs- und Kooperationsbereitschaft zwischen Hospizinitiativen, Palliativstationen, stationären Hospiz, ambulanten Pflegedienste und Hausärzten ist ein viel versprechender Ansatz zukunftsorientierter Care-Teams und in der Bundesrepublik einzigartig.
Die beteiligten Akteure haben in vorbildlicher Zusammenarbeit von professioneller Pflege- kräften und ehrenamtlich Tätigen Beispiele geschaffen, wie die Weiterentwicklung der pallia- tivmedizinischen Pflege und Therapie im Hinblick auf die Umsetzung des Grundsatzes „am- bulant vor stationär“ erfolgen kann. Es wird aber auch deutlich, dass bei dieser Weiterent- wicklung die Besonderheiten im Umfeld der Sterbenskranken zu berücksichtigen sind.
Es stellt sich die Aufgabe, mit allen Beteiligten ein Rahmenkonzept zu erarbeiten, das Raum lassen muss für angepasste, lokale Lösungen und an bestehende, bewährte Strukturen an- knüpft. Die Ärztekammer leistet in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Palliativmedizin einen wesentlichen Beitrag zur Weiterbildung. In den vergangenen 5 Jahren haben sich ca. 150 Pflegefachkräfte und ca. 90 Ärztinnen und Ärzte in palliativmedizinischer Hinsicht fortge- bildet.
Die Aus- und Weiterbildung insbesondere der Pflegekräfte wird auch in Zukunft eine wesent- liche Rolle spielen. Die palliativen Aspekte werden nicht mehr nur im Unterricht thematisiert werden, sondern die Auszubildenden sollen sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich palliative Pflege erlernen. Man kann nur hoffen, dass sich für diese schwere Aufgabe ein geeigneter Personenkreis findet.
Der Bericht der Landesregierung ist eine gute Grundlage für unsere weitere Vorgehenswei- se. Ich freue mich darüber, dass wir uns parteiübergreifend darauf verständigt haben, uns mit allen relevanten Ansprechpartnern auszutauschen, um dem Ziel einer optimalen palliati- ven Versorgung in Schleswig-Holstein ein Stück näher zu kommen. Dass der Kollege Dr. Garg übereifrig für die FDP nun noch einen eigenen Antrag eingebracht hat, sei ihm der Sa- che wegen verziehen. Wir werden ihn im Ausschuss beraten.
Dem Bericht der Landesregierung ist zu entnehmen, dass es derzeit an den Medizinischen Fakultäten in Kiel und Lübeck keine Planungen zur Errichtung einer Professur für Palliativ- medizin gibt. Die Möglichkeit, an der Einrichtung einer Stiftungsprofessur aus dem Förder- programm der Deutschen Krebshilfe zu partizipieren, sollten wir prüfen. Abgesehen davon glaube ich, dass Schleswig-Holstein auch ohne eine Professur für Palliativmedizin durch wei- tere Förderung der Hospizarbeit und der ambulanten palliativmedizinischen Versorgung un- ter Einbindung aller Partner eine deutliche Verbesserung der Versorgung Sterbenskranker erreichen kann.
Einem Gespräch mit der vdak-Landesvertretung konnte ich entnehmen, dass man sich auch aus Sicht der Krankenkassen Gedanken über eine Verbesserung der palliativmedizinischen Versorgung macht. Überrascht hat mich, dass von 713.817 Euro maximaler Fördermittel aus der gesetzlichen Krankenversicherung in 2005 von ambulanten Hospizdiensten nur 443.376 Euro abgeschöpft wurden. Der vdak begrüßt den Ausbau und die Stärkung von Care Teams und ist damit in guter Gesellschaft.
Herr Dr. Hermann Ewald, Oberarzt der Palliativ-Station an der Universitätsklinik Kiel und Vorsitzender des Landesverbandes Hospiz hat kürzlich bei einer Veranstaltung des Hospiz- Dienstes Husum und Umgebung drei Palliativ-Care-Teams für Nordfriesland empfohlen, um eine lückenlose Versorgung der Region zu erreichen. „Ambulant vor stationär“ ist auch dort das Schlüsselwort, und daran wollen wir gemeinsam arbeiten. Die gesundheitspolitischen Sprecher aller Fraktionen und die Landesregierung haben sich darauf verständigt, gemeinsam Öffentlichkeitsarbeit zu gestalten und Gespräche am „runden Tisch“ zu führen.
Wer die Presse der letzten Monate aufmerksam verfolgt hat, wird bemerkt haben, dass Kin- der- und Familienförderung, Barrierefreiheit, Hospiz und Sterbebegleitung stärker in den Blickpunkt geraten sind. Ich hoffe und wünsche, dass dies ein Zeichen dafür ist, Werte und Menschenwürde wieder in den Vordergrund zu rücken.