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02.09.05
14:38 Uhr
CDU

Frauke Tengler zu TOP 22: Eigenverantwortung statt Bürokratie

Nr. 205/05 02. September 2005


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG Pressesprecher Dirk Hundertmark Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de

Sozialpolitik Frauke Tengler zu TOP 22: Eigenverantwortung statt Bürokratie
Zunächst liebe Kollegin und lieber Kollege vom SSW habe ich kollegiales Verständ- nis für Sie, wenn Sie Ihre ehemalige Landtagskollegin als Vorstandsmitglied bei „pro familia“ Schleswig-Holstein unterstützen wollen.
Wenig Verständnis haben meine Fraktion und ich dafür, dass Sie dieses Thema, das den intimsten Bereich der Menschen betrifft, in den Landtag ziehen. Wenn dann die Not überhaupt so groß sein sollte, wenn man dann überhaupt daran interessiert wä- re, etwas zu bewirken, dann gehört so ein Thema in den Ausschuss!
Das vom SSW gewählte Verfahren ist populistisch, der Antrag ist populistisch! Es kann dem SSW nicht verborgen geblieben sein, dass ein Paradigmenwechsel im Sozialhilferecht stattgefunden hat: Der Sozialhilfeempfänger bekam bis Ende 2004 einen niedrigen Sozialhilfesatz und musste fast alle Sonderleistungen extra beantra- gen. Dadurch wurden die Antragsteller zunehmend unselbständiger und mussten sich von den Sozialämtern häufig bevormunden lassen. Verbürokratisiertes Mitbe- stimmungsrecht statt Selbstbestimmungsrecht.
Seit dem 01.01.2005 sind die Regelsätze um 15 % angehoben worden, im Gegen- zug wurden alle Sonderleistungen gestrichen.
Um Menschen, die staatliche Transferleistungen in Anspruch nehmen müssen, wie- der mehr Eigenverantwortung zu geben, war dies ein wichtiger Schritt. Dieses Ziel müssen wir auch weiterhin konsequent verfolgen. Die Hilfeempfänger sollen mit dem ihm zur Verfügung stehenden Geld eigenverantwortlich wirtschaften. Sie sollen eige- ne Schwerpunkte setzen wie z.B. die angestellte Friseurin, deren Nettolohn unwe- sentlich höher ist als die Zuwendungen, die eine Leistungsempfängerin erhält.
Die Sonderleistungen des Vorgängergesetzes haben das gesamte System erschüt- tert. Der Bundesgesetzgeber hat mit dem neuen Gesetz den Sonderregelungen ei- nen Riegel vorgeschoben. Stimmten wir dem Antrag des SSW zu, wäre es wieder ein Einstieg in Sonderregelungen und in die Bevormundung der Leistungsbezieher. Die Bedürfniskette ist endlos. Auf Anfrage in einem Sozialzentrum wurde mir berichtet, dass das neue Gesetz, das keine Sonderregelungen mehr vorsieht, von den Leistungsbezieherinnen und Leis- tungsbeziehern akzeptiert wird.
Darüber hinaus werden bereits für bis zu 20-Jährige die Kosten für die Anti-Baby- Pille übernommen. Auch wenn dies dem Hauptziel „Mehr Eigenverantwortung“ wi- derspricht, scheint diese versicherungsfremde Leistung für Personen bis zu diesem Alter sinnvoll. Begründet wird diese Ausnahmeregelung mit der mangelnden Erfah- rung. Und dennoch müssen wir steigende Zahlen von Teenagerschwangerschaften zur Kenntnis nehmen. Wie die Kleine Anfrage von Martin Kayenburg, Drucksache 15/3986, bestätigt. Hier sollte neu nachgedacht werden sach- und zielorientiert. Nur kostenlose Pille reicht nicht, frühzeitige Aufklärung ist in diesem Bereich unerlässlich. Bei über 20-Jährigen, die nicht verhüten, ist zu bezweifeln, dass weitere versiche- rungsfremde Leistungen hier Abhilfe schaffen würden.
Neben dem grundsätzlichen Aspekt spricht folgendes gegen eine per Gesetz gere- gelte grundsätzliche Kostenübernahme: Bei etwa 4,7 Mio. ALG II-Beziehern nach dem vorläufigen statistischen Angaben vom Juli 2005 muss – bei Einbeziehung der Sozialhilfeempfänger und unter Abzug der unter 20-Jährigen – von mindestens 3 Mio. betroffenen Bedarfsgemeinschaften ausgegangen werden. Bei einer im Mittel anzusetzenden Ausgabe für empfängnisverhütende Mittel von rd. 100 Mio. Euro jähr- lich entstünde durch den vorliegenden Antrag ein jährlicher Finanzbedarf von 300 Mio. Euro.
Und wie sieht es in Dänemark aus? Auch hier setzt die Regierung auf Eigenverant- wortung! Der kostenlose Gesundheitsdienst stellt lediglich die Beratung zur Emp- fängnisverhütung zur Verfügung. Kosten der Empfängnisverhütung sind aus dem pauschalierten Regelsatz der Hilfe zum Lebensunterhalt zu bestreiten.
Liebe Kollegen vom SSW, wir wollen mehr Eigenverantwortung der Menschen und einen verantwortungsbewussten Umgang mit den zur Verfügung gestellten Ressour- cen, die endlich sind.
Die Zeiten, in denen der Staat den Menschen immer weniger zutraute und ihnen im- mer mehr abnahm, sind vorbei. Dass Sie darüber hinaus nicht einmal den Vorschlag einer seriösen Gegenfinanzierung machen können, legt Ihr wahres Ansinnen offen: Sie wollen Schlagzeilen, keine wirkliche Hilfe.
Obwohl die Grünen konkreter formulieren, birgt der Grünen-Antrag den gleichen un- gedeckten Scheck.
Wir werden der Überweisung in den Sozialausschuss zustimmen.