Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
15.12.04
11:37 Uhr
CDU

Dr. Johann Wadephul: Das größte Problem im Strafvollzug ist die Justizministerin!

Nr. 575/04 15. Dezember 2004


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG PRESSESPRECHER Torsten Haase Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de

Justizpolitik TOP 38 Dr. Johann Wadephul: Das größte Problem im Strafvollzug ist die Justizministerin!
Als Engelbert Arno Danielsen in den Vormittagsstunden des 26.10.2004 in den sil- bergrauen Mercedes mit Ziel Süden stieg, war er guten Mutes. Der 45-jährige Euti- ner, der früher Landschaftsgärtner gewesen war, war lange arbeitslos und suchte dringend eine neue Beschäftigung. Als sich ihm nun diese Chance bot, ein Job bei Mercedes in Sindelfingen, griff er zu. Er lebte allein, brauchte daher nur seine Woh- nung zu kündigen und einsteigen. Engelbert Arno Danielsen dachte, jetzt könne er ein neues Leben beginnen. Tatsäch- lich sollte er nur wenige Stunden danach tot sein.
Ermordet von Christian Bogner, der erst am Morgen aus der JVA Lübeck-Lauerhof entflohen war. Beide sahen sich frappierend ähnlich: Das war der perfide Grund, wa- rum Danielsen sterben musste. Danielsen war so zu sagen nur das letzte Glied in Bogners perfiden Plan, auszubrechen und sodann unter neuer Identität - der Daniel- sens - weiterzuleben.
Es war wohl nicht das erste Mal, dass Bogner einen solchen Plan hegte. Schon vor dem Landgericht Bückeburg hatte er sich wegen Mordvorwurfs zu verantworten, wo- nach er 1995 die Identität eines früheren Mitschülers angenommen haben sollte, mit dem er auch dort nach seiner damaligen Flucht aus einer Justizvollzugsanstalt Kon- takt gesucht und gefunden hatte.
Es war auch nicht das erste Mal, dass Bogner ausbrach. Es war das achte Mal, dass Bogner ausbrach. Und es war auch nicht das erste Mal, dass der gelernte Schlosser Bogner seine Flucht in einer Schlosserei vorbereitete. Nein, auch seine vorherige Flucht aus der Justizvollzugsanstalt Lingen hatte er in einer Schlosserei vorbereitet. Damals baute er sich eine Leiter, diesmal ein spektakuläres Klettergerüst, das er auf einem Gabelstapler montierte.
Fassungslos haben wir die Berichte des Ministeriums gelesen und gehört, uns die Örtlichkeiten angesehen. Wie konnte es geschehen, dass ein derart vorbelasteter Bogner überhaupt wieder in einer Schlosserei eingesetzt wurde?
Wie konnte es geschehen, dass man ihn in der Werkhalle der Schlosserei ungestört sein kompliziertes Ausbruchsgestänge zusammenschweißen ließ? Wie konnte es geschehen, dass er sich darüber hinaus offensichtlich ungestört in dem anschließenden "Außenlager" bewegen konnte? Tatsächlich ist dieses Außen- lager eine große Scheune gewesen, in der er - unbeobachtet - seine Materialien la- gern konnte. Von den großen Ausmaßen dieser Scheune bzw. dieses Schuppens kann man sich heute nur noch eine ungefähre Vorstellung machen, denn das Minis- terium hat es wohlweislich schnell abreißen lassen.
Wie konnte es geschehen, dass niemandem auffiel, dass Bogner an diesem Morgen gar keine Anstaltskleidung anhatte sondern normales Zivil trug? Wie konnte es geschehen, dass er den Plan gemeinsam mit seinem Bruder während mehrerer ausgiebiger Besuche ausheckte und besprach?
Wie kann es sein, dass diese neuralgische Stelle, wo der Ausbruch geschah, nicht ständig durch Videokameras überwacht wurde?
Wie konnte es geschehen, dass nicht sofort alles wie am Schnürchen klappte, als man den Ausbruch bemerkte? Der erste Wärter, der drinnen die Flucht bemerkte, drückte nicht sofort den Alarmknopf. Der erste Wärter, der draußen vor der Tür Bog- ner flüchten sah, eilte nicht nach.
Fehler, Versäumnisse, Schlampereien - oder lag es am "System", wie die Minister- präsidentin in einem ihrer Interviews dieser Tage zum Besten gab? Das erste ist mit Sicherheit richtig, das System werden wir weiter zu überprüfen haben.
Und was tat unsere Justizministerin? Was sie vor der Flucht, also in den zurücklie- genden fast 5 Jahren ihrer Amtszeit tat, um eine derartige Kette von Fehlern, Pannen und Versäumnissen zu verhindern, wissen wir nicht. Sofort danach verfiel sie in den Aktionismus, den wir schon aus der Beschaffungsaffäre bei der Generalstaatsan- waltschaft kennen. Immer nach dem Motto, meine unfähigen Mitarbeiter haben Schuld! Es gibt eine Grundregel, die wir bei der Justizministerin immer dann feststel- len konnten, wenn es Schwierigkeiten gab: Sie selbst, Ihr unmittelbarer Bereich war nie zuständig, konnte nie von den Missständen wissen, immer frei nach dem Motto: "Mein Name ist Lütkes, ich weiß von nichts!" Doch dieses Mal kommen Sie damit nicht durch, Frau Lütkes!
Denn erstens sagt einem schon der normale Menschenverstand, dass die Lütkesche Logik absurd ist. Denn wenn ein Justizministerium vom Strafvollzug im Lande nichts wissen muss, ja kann, dann gilt im Umkehrschluss: Ein solches Ministerium brauchen wir nicht!
Im übrigen haben Sie uns selbst im Ausschuss eines Besseren belehrt: In einem Vermerk aus Ihrem Hause vom 24.11.2004 heißt es unter der Überschrift "Aufsicht über die Justizvollzugsanstalten", dass in der Praxis die Aufsicht nach § 151 Straf- vollzugsgesetz durch Fachreferenten, die Anstaltsreferenten sowie dem zuständigen Abteilungsleiter ausgeübt werde. In einer Vielzahl von Einzelvorgängen und Erlassen würden Themen wie z. B. Vollzugsplanung und -Dokumentation, Sicherheit und Ord- nung oder das vollzugliche Arbeitswesen in engem fachlichen Austausch zwi- schen den Anstalten und der Aufsichtsbehörde bearbeitet. Es fänden zahlreiche Anstaltsbesuche vor Ort und regelmäßige Sicherheits- und Baubesprechungen statt. Wer das liest und hört und auf der anderen Seite von Ihnen erfährt, dass Sie eigent- lich die personifizierte Uninformiertheit in Sachen Strafvollzug in Schleswig-Holstein sind, fragt sich, ob Sie nicht schon wieder den Überblick über Ihre eigene Informati- onspolitik verloren haben. Ich halte fest: Es ist die klare Aufgabe eines Justizministe- riums, für eine ordnungsgemäße Vollzugsplanung in den Haftanstalten zu sorgen, insbesondere bei einem der 10 gefährlichsten Strafverbrecher Deutschlands! Das Justizministerium in Schleswig-Holstein hat diese Aufgabe nach eigenem Bekunden nicht ausgeübt, die Justizministerin ist daher schon wegen fachlichen Versagens zu entlassen!
Dass sie fachlich komplett überfordert ist, hat die Ministerin jetzt übrigens selbst fest- gestellt. Denn sie hat eine externe Prüfung des gesamten Justizvollzuges in Schleswig- Holstein durch "Fachleute aus anderen Bundesländern" angekündigt. Das zeigt, was die Ministerin von ihren eigenen "Fachleuten" hält: Nämlich gar nichts! Zu einem der- artig katastrophalen Ergebnis kommen wir nicht. Ich kenne zahlreiche außerordent- lich geeignete Mitarbeiter im Strafvollzug, vom Wärter bis zum Volljuristen, allein die politische Führung des Hauses hat versagt!
Die Sache wird auch nicht besser dadurch, dass jetzt der Strafvollzugsausschuss der Länder "Entwicklungshilfe" in Schleswig-Holstein leisten darf. Wir brauchen nicht im- mer neue externe Fachleute, wir müssen nur die Justizministerin ausgliedern, dann ist das größte Problem im Strafvollzug Schleswig-Holsteins behoben!
Und dann war da noch der eigene Umgang mit der Wahrheit. Der unbefangene Zu- hörer könnte glauben, dass eine Rechtsanwältin und eine Richterin an der Spitze eines Justizministeriums nicht nur wüssten, was sie sagten, sondern auch wüssten, was sie damit sagten und welche rechtlichen Anforderungen deutsche Gerichte an die Wahrheitstreue stellen. Weit gefehlt: Hat man sich einmal festgelegt, das Ministerium habe vor der Gefähr- lichkeit Bogners gewarnt - wie es Ministeriumssprecher Voß in der Landeszeitung am 18.11.2004 herausposaunte - dann bleibt man dabei. Doch eine solche Warnung sucht man vergebens. Insbesondere findet man sie dort nicht, wo die Ministerin (Rechtsanwältin) behauptet, ihre Staatssekretärin (Richterin) habe es "laut" gesagt. Laut hat die Staatssekretärin in der besagten Pressekonferenz, auf die die Ministerin Bezug nimmt, eigentlich nur gesagt, dass Bogner in der Anstalt nicht weiter aufgefal- len war. Kein Wunder, wenn man sich nicht um ihn kümmert! Als Journalisten dann aber zum zweiten Mal nachfragen, ob er denn nun wirklich angesichts 7 vorheriger Ausbrüche und erheblicher Haftstrafen nicht gefährlich sei, schwächt sie ihre Ent- warnung etwas ab: Vorsicht, man könne doch nicht sagen, dass er ganz ungefährlich sei. So groß unsere durch die Pisa-Studie bewiesenen Probleme auch mit unserer Muttersprache Deutsch sind: Eine Warnung vor diesem brandgefährlichen Straftäter - vielleicht hätte Danielsen sie noch im Autoradio hören können - hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Ihre Aussagen dazu, Frau Ministerin, sind falsch. Und allein dies rechtfertigt Ihre Entlassung aus dem Landesdienst!
Unserer Aufforderung zurückzutreten, hat die Ministerin entgegnet, sie wolle ihre Ar- beit machen. Das hätten Sie vorher tun sollen! Warum sind Sie mit sich selbst eigent- lich so nachsichtig, wie Sie es gegenüber Herrn Brandewiede und den anderen sus- pendierten Mitarbeiten nicht sind? Die hätten sicher auch gerne ihren Job weiter gemacht, dürfen es aber nicht. Woher nehmen Sie sich eigentlich das Recht, auf Ihrem Stuhl kleben zu bleiben, und gleich- zeitig eine gesamte Führungsebene abzurasieren?
Jetzt werfen uns die Grünen vor, mit diesem Justizskandal "Wahlkampf" zu betrei- ben. Sollen wir die weitere Aufklärung vielleicht als Geheimsache handhaben? Mit Nich- ten! Natürlich werden wir über unsere Vorstellungen zum Strafvollzug mit den Bürge- rinnen und Bürgern sprechen. Bei uns geht Opferschutz vor Täterschutz. Das lassen wir uns übrigens auch von Ihnen, Frau Lütkes, nicht verbieten. Besonders infam war Ihr gestriges Interview in den Kieler Nachrichten in dem Sie unsere rechtspolitischen Vorstellungen in die Nähe des Rechtsextremismus gestellt haben. Ich fordere Sie hiermit auf, diese Äußerungen sofort zurückzunehmen!
Damit wären wir bei der Frage nach der politischen Kultur in diesem Lande. Hier haben die Regierungsparteien immer besonders hohe Anforderungen formuliert und sich allzu oft zum Richter über andere aufgeschwungen. Aber besonders hohe Anforderungen, Frau Ministerpräsidentin, haben die Sozialdemokraten in diesem Land an die politische Kultur formuliert. Kein geringerer als Ihr erster, hiesiger Chef, Björn Engholm, hat angekündigt, ein neues Zeitalter politischer Moral werde mit Ihrer Regierungsübernahme beginnen. Ich hoffe, Ihre bisherigen Äußerungen zum Fall Bogner waren nicht Ihr "letztes Wort".
"Gruselig" fanden Sie diese Geschichte laut neuer Presse aus Hannover vom 20.11.2004 und fragten sich: "Ich wundere mich, dass die ihn nicht angekettet ha- ben!" Diese Äußerung lässt doch eine gewisse Oberflächlichkeit erkennen.
Wir haben hier und heute die Frage nach der politischen Verantwortung zu beantwor- ten, in dem eine unbegreifliche Mischung aus Nachlässigkeit, Uninteressiertheit und Laxheit zum Tod eines Menschen geführt hat. Die Appelle der Opposition, die Appel- le der Kommentatoren von Kieler Nachrichten, Lübecker Nachrichten und Hamburger Abendblatt an die Ministerin sind wirkungslos verhallt. Die Justizministerin hat sich eingebunkert. Auf die letzte Wortmeldung unseres Spitzenkandidaten Peter Harry Carstensen, zurückzutreten, antwortete, dies sei "schäbig". Wer so austeilt, hat keine Argumente mehr.
Als Polizisten eines Spezialeinsatzkommandos einen mutmaßlichen Terroristen in Bad Kleinen erschossen, trat der damalige Bundesinnenminister Rudolf Seiters zu- rück. Er zollte damit dem Menschenleben und damit seiner politischen Verantwortung Respekt. Jetzt sind Sie, Frau Ministerpräsidentin Simonis, gefordert, diesen An- spruch an politische Verantwortung in Schleswig-Holstein durchzusetzen. In fast al- len Politikbereichen haben Sie Ihre großen Ansprüche von damals verfehlt. Die Fra- ge, die heute zu entscheiden ist, ist eine Frage des politischen Charakters. Wir sind gespannt!