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23.09.04
10:35 Uhr
CDU

Herlich Marie Todsen-Reese: Viel heiße Luft, viel beschriebenes Papier, aber keine konkreten Ergebnisse!

Nr. 465/04 23. September 2004


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG PRESSESPRECHER Torsten Haase Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de

Umweltpolitik TOP 32 Herlich Marie Todsen-Reese: Viel heiße Luft, viel beschriebenes Papier, aber keine kon- kreten Ergebnisse! Die Landesregierung hat uns ihren Klimaschutzbericht mit 335 Seiten vorgelegt. Zu- nächst gilt allen, die daran gearbeitet haben, ein Dank für diese Fleißarbeit.
Zu dem breit gefächerten Themenspektrum wurden viele Informationen und Details zusammengetragen. Fraglich ist nur, wer einen solchen „Wälzer“, auch bei der gro- ßen Bedeutung des Themas, liest. Vielleicht wäre auch hier weniger mehr gewesen. Und eine 55-seitige Kurzfassung ist ein Widerspruch in sich. Heute besteht nur die Möglichkeit der Diskussion in einem ersten Durchgang. In der Ausschusssitzung wird dies vertieft werden müssen.
Das Thema Klimaschutz an sich und die Notwendigkeit, ihm eine noch größere Auf- merksamkeit zu widmen, sind unstrittig. Über Ziele und Wege im Detail, gibt es auch unterschiedliche Auffassungen. Ein zentraler Punkt ist dabei die Diskussion um den Stellenwert der Kernenergie. Ich komme noch darauf zurück.
• Mit der Erkenntnis der Gefahr wächst die Bereitschaft zu retten – so schien es im Juni 1992, als sich auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 178 Staaten der Welt auf ein gemeinsames Aktionsprogramm zum Schutz des Klimas, der Umwelt und für eine nachhaltige Entwicklung verständig- ten.
Diesen globalen Ordnungsrahmen, so wie er 1992 durch die Agenda 21 in Rio entwi- ckelt wurde, gilt es nun mit Leben zu erfüllen, denn nur dann kann die Bewahrung der Schöpfung wirklich gelingen.
Die Darstellung der unterschiedlichsten Aktivitäten auf den verschiedensten Ebenen macht deutlich, dass die Agenda 21 und die Notwendigkeit zum Klimaschutz in vielen Köpfen durchaus verankert sind. Die Frage ist, was ist dabei bisher konkret heraus- gekommen?
Wenn wir in den Bericht schauen, ist das Eingeständnis der Landesregierung auf S. 3 wo es heißt: „Eine Erhebung des Agenda 21-Büros im Jahr 2002 ergab, dass zu diesem Zeitpunkt ein gewisser Sättigungsgrad erreicht wurde und neue Agenda 21- Beschlüsse kaum mehr gefasst wurden. Inzwischen ist die Entwicklung sogar leicht rückläufig, da in mehreren Kommunen Agenda 21-Büros geschlossen oder Agenda 21-Prozesse faktisch nicht mehr weitergeführt wurden.“ Was aber ist konkret geleis- tet worden?
Interessant ist auch die Frage der CO2-Reduktions-Ziele. Ich meine, mich erinnern zu können, dass sich alle Bundesregierungen – auf der Basis von 1990 – zu einer CO2- Reduktion um 25 % bis zum Jahre 2005 verpflichtet haben. Insofern erstaunt mich die Zielsetzung der Klimaschutz- und Energiepolitik in Schleswig-Holstein. Auf S. 42 erklären Sie da- zu in Ihrem Bericht, ich zitiere: „Die Landesregierung strebt bis 2010 die Erreichung folgender Ziele der Klimaschutz- und Energiepolitik an: 1. Reduzierung der CO2-Emissionen um 15 % gegenüber 1990. …“
Ich kann nicht nachvollziehen, wieso Sie von dem Reduktionsziel der Bundesregie- rung abweichen. Worin liegt Ihr Erfolg, wenn man die Laufzeit um 5 Jahre verlängert und gleichzeitig das Prozentziel senkt? Dies bleibt ein Geheimnis der rot-grünen Landesregierung. Hier besteht meines Erachtens Aufklärungsbedarf.
Ich komme auf einen weiteren Punkt zurück. Was ich vermisse ist eine sachliche Auseinandersetzung mit der Frage, welchen Stellenwert die Kernenergie für Sie im Zusammenhang mit der wichtigen Aufgabe des Klimaschutzes hat. Ich bin keine un- eingeschränkte Anhängerin der Kernenergie, aber trifft es nicht zu, dass derzeit noch – durch den Betrieb von Kernkraftwerken – jährlich 150 bis 170 Mio. Tonnen CO2 weniger ausgestoßen werden als bei ihrem theoretischen Ersatz durch konventionel- le Kraftwerke?
Bei aller Bedeutung der Windenergie – insbesondere was Arbeitsplätze und Wert- schöpfung an der Westküste anbelangt – wissen wir doch alle, dass die Windenergie die Kernenergie nicht ersetzen kann, sondern nur eine additive und keine alternative Energiegewinnungsform ist, weil sie nicht grundlastfähig ist. Im Bericht dazu: nichts Konkretes.
Wir tragen die politische Verantwortung dafür, zuverlässige und zukunftsfähige Rah- menbedingungen für die Bevölkerung und für die Wirtschaft zu gestalten. Ein zentra- ler Punkt ist bezahlbare Energie zu jeder Zeit und in ausreichender Menge. Das ist der eigentliche Grund, warum wir auf absehbare Zeit gesehen, nicht auf die Kern- energie werden verzichten können. Wer etwas anderes behauptet, macht den Men- schen etwas vor.
Trotzdem müssen wir alle Kraftanstrengungen unternehmen, um die Energieversor- gung langfristig sicherzustellen und gleichzeitig zu einem sorgsamen Umgang mit Energie zu kommen. Dazu gehört auch, dass wir auf einen Energiemix setzen. Nur ein Mix aus möglichst vielen Energieträgern (inkl. der Kernenergie) gewährleistet so- wohl wettbewerbsfähige Energiekosten, Versorgungssicherheit, als auch Umweltver- träglichkeit der zukünftigen Energieversorgung.
In diesem Zusammenhang kommt der Bioenergie besondere Bedeutung zu. Weitge- hende Einigkeit herrscht darüber, dass sie in näherer Zukunft gestärkt werden muss. Vor diesem Hintergrund ist es bedauerlich, wenn es – wie im Bericht auf S. 182 aus- geführt – in Schleswig-Holstein keine Akzeptanz für die Errichtung eines größeren Biomassekraftwerkes zur energetischen Verwertung von Altholz gibt. Hier stellt sich auch die Frage, ob die langjährige „Antihaltung“ der Landesregierung gegenüber Verbrennungsanlagen auf die Bevölkerung übergesprungen ist. Wenn ja, haben Sie sich einen Bärendienst erwiesen. Fakt ist, dass dieses Altholzkraftwerk nicht in Schleswig-Holstein, sondern in Hamburg errichtet wird.
Was ich auch vermisse, ist ein klares Bekenntnis zur verstärkten Forschung nach wirklich alternativen tragfähigen Energieformen.
„Das Wasser ist die Kohle der Zukunft“, glaubte schon vor rund 130 Jahren Jules Verne.“ Ich glaube, dass eines Tages Wasserstoff und Sauerstoff, aus denen sich Wasser zusammensetzt, allein oder zusammen verwendet, eine unerschöpfliche Quelle von Wärme und Licht bilden werden“, schrieb er mit geradezu prophetischer Weitsicht 1874 in dem Abenteuerroman „Die geheimnisvolle Insel“.
Sicherlich ist die Forschung nicht alleinige Aufgabe einer Landesregierung, aber sie kann als Motor mitwirken.
Ein kurzes Wort zum Energiesparen. Hier gibt es schon viele Projekte, das macht der Bericht auch eindrucksvoll deutlich – von der Energiesparlampe über die „Stand-By- Taste“ bis zur Altbausanierung. Wie die Realität aussieht, wird u. a. auf den Seiten 94 und 95 deutlich. Hier führen Sie selber an, dass drei Landesstandorte – das Mi- nisterium für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft, das Landesamt für Natur und Umwelt und die Akademie für Natur und Umwelt – sich auf eigene Senkungsziele für den Stromverbrauch und die Heizungsenergie mit klaren Prozentzahlen festgelegt haben. Dazu heißt es dann auf S. 95, ich zitiere: „Generell ist festzustellen, dass die Umsetzung dieser Ziele relativ schwierig ist. Zwar sehen die Senkungsziele auf den ersten Blick bescheiden aus, es muss jedoch be- rücksichtigt werden, dass dahinter keine aufwendigen Produktionsprozesse stehen, die ggf. technisch deutlich verbessert werden können.“
Zwar wird dieser Schwierigkeitsgrad dann ausführlich erläutert, aber es erfolgt kei- nerlei zahlenmäßige Aussage, inwieweit die Senkungsziele – und sei es auch nur annährend – erreicht wurden.
Ich stelle fest: Viel heiße Luft, viel beschriebenes Papier, aber keine konkreten Er- gebnisse, geschweige denn Fortschritte. Mit Vorbildfunktion hat das wenig zu tun.
Lassen Sie mich noch einen weiteren Punkt herausgreifen. Das Thema Neuwaldbil- dung.
Die Aussage auf S. 38 „trotz immer engerer Haushaltsspielräume konnte die Neu- waldbildung in den vergangenen Jahren weiter vorangebracht werden.“ - ist schon dreist angesichts der Tatsache, dass im Jahre 2002 in Schleswig-Holstein gerade einmal 270 Hektar aufgeforstet wurden (Forstbericht S. 102). Im gleichen Jahr lagen die Flächenankäufe der Landesforstverwaltung für die Neuwaldbildung mit unter 50 Hektar auf dem tiefsten Stand seit rotem und rot-grünem Regierungsantritt 1988 (Abb. 7 Seite 46).
Inzwischen weiß wohl jeder Interessierte im Land, dass die Landesregierung über Jahre die Zuschüsse an Private zur Neuwaldbildung heruntergefahren hatte. Auf S. 206 / 207 wird das Thema Neuwaldbildung zum wiederholten Male angespro- chen. Hier wird noch einmal die angestrebte Erhöhung des Waldanteils auf 12 % mit dem Beschluss von 1995 / 1996 des Schleswig-Holsteinischen Landtages angeführt. Damals wurde eine Verdoppelung des Jahresziels von 1.000 auf 2.000 Hektar Neu- waldbildung beschlossen. Mit einer Neuwaldbildungsrate von 119 ha in 2003 erreicht die Landesregierung nicht einmal 6 % der angestrebten Neuwaldbildung.
Vor diesem Hintergrund von einer politisch hohen Priorität zu sprechen, grenzt an Verdummung – das nimmt Ihnen schon lange keiner mehr ab.
Global denken – lokal handeln. Diese Leitidee, abgeleitet aus der Konferenz von Rio, hat an Aktualität nicht verloren. Es gibt Aufgabenfelder, die nur national und interna- tional zu lösen sind. Es gibt aber auch eine Vielzahl von regionalen Aufgaben, für die wir im Land Schleswig-Holstein Zuständigkeiten haben und für die wir Verantwortung tragen. Mit Hilfe vieler Akteure wurden wichtige und interessante Projekte angescho- ben. Manchmal war vielleicht auch heiße Luft dabei. Erstaunlich ist aber, dass die Landesregierung in einem wichtigen Feld – wie der gerade genannten Neuwaldbil- dung oder auch bei Energieeinsparungen – wo sie ureigene Verantwortung trägt, nichts vorzuweisen hat.
Hier werden wir Ihnen bei weiteren Beratungen noch sehr viel deutlicher auf den Zahn fühlen, als ich dies im Rahmen eines 10-Minuten-Beitrages machen kann, - damit es nicht so läuft, wie so oft: Schön, dass wir mal drüber geredet haben. Ich beantrage Ausschussüberweisung.