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25.08.04
15:14 Uhr
CDU

Klaus Schlie: Schleswig-Holstein ist von effektiver Verwaltungsstruktur weit entfernt

Nr. 416/04 25. August 2004


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG PRESSESPRECHER Torsten Haase Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de

Innenpolitik TOP 7 und 22 Klaus Schlie: Schleswig-Holstein ist von effektiver Verwaltungsstruktur weit entfernt Der heute in erster Lesung zu beratene Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen zur Verbesserung der kommunalen Verwaltungsstruktur dokumentiert die Panik, mit der die Landesregierung Gesetzesvorhaben noch bis zum 20. Februar durchpeitschen will, weil sie ganz genau weiß, dass dann ihre Zeit abge- laufen ist.
So reicht sie ihre selbst erarbeiteten Gesetzentwürfe als Formulierungsvorschlag an die Regierungsfraktionen weiter, um eine frühzeitige Beteiligung Betroffener im Rah- men einer Anhörung des Referentenwurfs zu umgehen. Vielleicht war es aber auch nicht nur der Zeitdruck, der die Regierung zu diesem Verfahren veranlasste, sondern die berechtigte Sorge, dass der Gesetzentwurf verheerende Kritik zur Folge haben könnte.
Bevor ich auf den Inhalt eingehe, möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass die Ein- bringung des Gesetzentwurfs ferner zeigt, was man von Vorschlägen und Zusagen der SPD-Fraktion zu halten hat. Ich zitiere aus dem Protokoll des Sonderausschus- ses „Kommunales Verfassungsrecht“ vom 6. Mai 2002, wo unter dem TOP „Ände- rung der Amtsordnung“ Folgendes nachzulesen ist: „Abg. Puls erinnert an das einvernehmliche Bestreben des Ausschusses, in nächs- ter Zeit den Bereich der Amtsordnung grundsätzlich zu überprüfen. (…) Er schlägt vor, dass sich der Innen- und Rechtsausschuss mit diesem Thema beschäftigt. – Der Ausschuss stimmt dem zu.“ Anstatt eine einvernehmliche Regelung herbeizuführen, liegt nun ein unausgegore- ner Gesetzentwurf von Rot-Grün vor. Die Wortbrüchigkeit der Regierungsfraktionen dokumentiert ihr Parlamentsverständnis.
Zum Gesetzentwurf ist Folgendes zu sagen:
Die Vorschläge zur Änderung des Gesetzes zur kommunalen Zusammenarbeit fin- den unsere grundsätzliche Zustimmung, da durch die Neuregelung u. a. die Möglich- keit eröffnet wird, öffentlich-rechtliche Vereinbarungen auch mit anderen Körper- schaften, Anstalten und Stiftungen öffentlichen Rechts abzuschließen. So können kommunale Körperschaften den bei anderen öffentlichen Stellen vorhandenen Sach- verstand auf relativ einfache Weise in Anspruch nehmen, was auch sinnvoll ist.
Der Titel „Verbesserung der kommunalen Verwaltungsstruktur“ ist aber eine reine Mogelpackung.
So bildet die Änderung der Amtsordnung den Kern des Gesetzentwurfs, ohne aber den Weg zu einer modernen Anforderungen entsprechenden Weiterentwicklung der Ämter zu beschreiten und ohne Wege aufzuzeigen, wie Verwaltungen kooperieren oder fusionieren können und welche Anreizsysteme es dafür gibt.
Der Gesetzentwurf berücksichtigt nicht, dass das Amt in seiner jetzigen Form nach allgemeiner Auffassung keine Gebietskörperschaft im Sinne des Artikel 28 Absatz 2 Satz 1 GG ist und sich damit nicht auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie berufen kann. Gleichwohl soll der neu zu schaffende Amtsbürgermeister ohne Ge- bietskörperschaft mit dem Bürgermeister einer Gemeinde vergleichbar sein, was in sich schon unlogisch ist.
Die vorhandene Problematik der erforderlichen demokratischen Legitimation des Am- tes aufgrund einer immer größeren Übertragung von gemeindlichen Selbstverwal- tungsaufgaben auf das Amt ist durch die Wahl eines Amtsbürgermeisters nicht ge- löst. Hier könnte nur die Direktwahl der ehrenamtlichen Bürgermeister und ggf. die Direktwahl der weiteren Mitglieder des Amtsausschusses Abhilfe schaffen.
Das neue Gesetz würde dazu führen, dass einerseits weiterhin die Ämter in der jetzi- gen Gestalt bestehen bleiben, andererseits aber auch solche Ämter entstehen kön- nen, die durch ihre hauptamtliche Verwaltung wie Gemeinden auftreten.
Diese Problematik wird im Gesetzentwurf nicht angesprochen. Dafür löst aber der Gesetzentwurf immerhin die drängende Frage, dass die Gleichstellungsbeauftragte einer Gemeinde, die in ein Amt eingegliedert wurde, „zur Sicherstellung einer konti- nuierlichen Aufgabenwahrnehmung ein weiteres Jahr im Amt bleibt, wenn nicht ein Weiterbestehen der Funktion über diesen Zeitraum hinaus vorgesehen wird“.
Ich hätte mir gewünscht, dass sich der Gesetzentwurf mit allen zu lösenden Proble- matiken so detailliert auseinander gesetzt hätte. Nach den Neuregelungen sollen sich die ehrenamtlichen Amtsvorsteher in den Fäl- len, in denen ein Amtsbürgermeister eingesetzt wird, nur noch auf repräsentative Aufgaben beschränken und werden so zu Frühstücksdirektoren abgestuft, unabhän- gig davon, ob sie bislang gute Arbeit geleistet haben oder nicht.
Eine solche Regelung ist kontraproduktiv und zerstört die Grundlagen für ehrenamtli- ches Engagement.
Viele der bislang von den ehrenamtlichen Amtsvorstehern wahrgenommenen Aufga- ben sollen in Ämtern ab 8.000 Einwohnern von hauptamtlichen Amtsbürgermeistern wahrgenommen werden können, wobei ab 15.000 Einwohnern die Wahl eines Amts- bürgermeister obligatorisch – also verpflichtend - wird.
Die Besoldungseinstufung des vorgesehenen Amtsbürgermeisters entlarvt allerdings die tatsächliche Zielsetzung bei der Reform der Amtsordnung. Vorgesehen sind Äm- ter mit über 20.000 Einwohnern. Kollege Puls sagt dann – ehrlich wie er nun einmal ist – in den Kieler Nachrichten vom 18. August 2004 auch klar und eindeutig, dass dieser Gesetzentwurf der erste Schritt vor einer weiteren gesetzlichen Zwangslösung ist.
Zunächst erscheint schon die Begrenzung auf 15.000 Einwohner sehr hoch gegrif- fen, wenn man bedenkt, dass gerade einmal ein Amt diese Voraussetzung erfüllt und auch der Landesrechnungshof Ende vergangenen Jahres die Mindestgröße eines Amtes bei 6.000 Einwohnern und die Optimalgröße bei 9.000 Einwohnern angesetzt hat.
Sieht man allerdings in diesem Zusammenhang auch die Äußerungen der Minister- präsidentin, dass man ab 2006 nicht mehr auf die Freiwilligkeit der Kommunen bei Strukturreformen setze, so ist dieses Gesetz eindeutig der Vorbote einer kommunal- feindlich ausgerichteten Politik der Landesregierung, die das ehrenamtliche Enga- gement der Bürger aushöhlt und somit auf Dauer völlig in Frage stellt.
Der vorliegende Gesetzentwurf stellt bei der Organstruktur der hauptamtlich verwal- teten Ämter sowie bei der gesetzlichen Zuweisung der Kompetenzen auf die Ver- gleichbarkeit mit den Regelungen der Gemeinderordnung ab, ohne aber die erforder- lichen Konsequenzen zu ziehen.
Wir haben in unserem Antrag „Weniger Bürokratie, mehr Bürgernähe“ Ende letzten Jahres deutlich gemacht, dass eine Neuordnung der Amtsordnung aus Sicht der CDU vorerst nicht erforderlich ist, was aber nicht heißen soll, dass wir uns einer Ü- berprüfung der Ämterstruktur und einer sich daraus ergebenden Neuordnung der Amtsordnung verschließen. Was wir aber ablehnen, sind Einzelfalllösungen, wie die hier vorliegende „Lex Probstei“.
Falls es für die beabsichtigte Kooperation der drei Ämter rechtlichen Regelungsbe- darf gibt, sollte dies über eine Experimentierklausel oder über die Charakterisierung als Modellversuch gelöst werden.
Es sollte die Anstrengung unternommen werden, gemeinsam mit der kommunalen Ebene Leitlinien zu formulieren, die zu neuen leistungsstarken Verwaltungsstrukturen im kommunalen Bereich insgesamt führen können, und zwar ohne in sich wider- sprüchlich zu sein und ohne mit dem Schwert der gesetzlichen Zwangsregelung zu drohen.
Für uns steht fest, dass sich die Ämterstruktur in Schleswig-Holstein grundsätzlich bewährt hat, selbstverständlich weiterentwicklungsfähig ist und veränderten Voraus- setzungen angepasst werden muss.
Die hohe Akzeptanz der Amtsverwaltungen und ihrer Entscheidungs- und Aufgaben- träger in ländlichen Räumen, die sich unter anderem auch in einer hohen Wahlbetei- ligung äußert, ist weiter aufrecht zu erhalten und darf nicht gefährdet werden.
Dies schließt überhaupt nicht aus, dass gerade auch die Verwaltungsstrukturen in den Ämtern zur Disposition stehen. Effektivität, Bürgernähe und vor allem auch Kos- teneinsparungen sind hier der Maßstab für eine umfassende Strukturreform der kommunalen Verwaltungen. Schließlich möchte ich noch einmal auf den schön klingenden Titel „Gesetz zur Ver- besserung der kommunalen Verwaltungsstruktur“ eingehen. Dieses Gesetz hätte wirklich einen besseren Inhalt verdient. Von einer effektiven Verwaltungsstruktur sind wir weit entfernt. Um wirklich zu einer wirtschaftlichen, professionellen und bürgerna- hen Verwaltung zu kommen, bedarf es eines anderen, Ansatzes:
Will man die Verwaltungsstruktur verbessern, so müssen Ziel, Methode und Auswir- kungen einer Neuordnung am Beginn des Prozesses klar definiert werden.
Sämtliche Verwaltungsaufgaben müssen auf den Prüfstand. Es muss eine Konzent- ration des Staates auf seine Kernaufgaben erfolgen, da die Reduzierung von Aufga- ben den größten Einspareffekt bei den laufenden Verwaltungskosten hat.
Im nächsten Schritt müssen die verbliebenen Aufgaben dahingehend überprüft wer- den, durch wen sie am sinnvollsten erledigt werden können. Alle Aufgaben, die kos- tengünstiger und effektiver auf kommunaler Ebene erledigt werden können, sollten auch dort angesiedelt werden. Es müssen auf Kreis-, Stadt-, Gemeinde- und Amtsebene Verwaltungsstrukturen entstehen, die dem Ziel einer tatsächlichen Verwaltungsstrukturreform entsprechen und die geeignet sind, die übertragenen Aufgaben sachgerecht zu erfüllen. Dabei können die neu zu erarbeitenden Verwaltungsstrukturen unterschiedlicher Art sein. Es müssen finanzielle Anreizsysteme geschaffen werden, damit diejenigen be- lohnt werden, die kostengünstig, effektiv und bürgernah arbeiten.
Der heute diskutierte Gesetzentwurf erfüllt diese Voraussetzungen alle nicht. Ich beantrage Überweisung in den Innen- und Rechtsausschuss.