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17.06.04
15:14 Uhr
CDU

Sylvia Eisenberg: Grundbildung verbessern – soziale Katastrophe verhindern

Nr. 324/04 17. Juni 2004


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG PRESSESPRECHER Torsten Haase Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de

Bildungspolitik TOP 23 Sylvia Eisenberg: Grundbildung verbessern – soziale Katastrophe verhindern
Ich freue mich, unterstellen zu dürfen, dass alle Mitglieder dieses Hohen Hauses ein gemeinsames Ziel verfolgen: Wir alle wollen, dass jeder Schulabgänger im Land ein Beschäftigungs- und Ausbildungsangebot erhält. Wir alle wissen, das Erreichen dieses Zieles ist jedoch nicht leicht.
Gerade in Schleswig-Holstein haben die Betriebe und Unternehmen im abgelaufenen Jahr über Bedarf Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt. Und sie werden es auch jetzt wieder tun. Dafür gebührt ihnen auch an dieser Stelle unser Dank. Unser Dank gilt auch der Presse, die sich in hervorragender Weise um die Vermittlung von Arbeitsplätzen bemüht. Der unwürdige Eiertanz um die Ausbildungsplatzabgabe ist gestern beendet worden. „Dieser bürokratische Moloch“ wie er von einem Kommentator in einer heutigen Tageszeitung bezeichnet wird, hätte keinen einzigen Arbeitsplatz geschaffen, sondern Ausbildungsplätze vernichtet.
Auch in diesem Jahr gibt es im Rahmen des Bündnisses für Ausbildung in Schleswig-Holstein zusätzliche Mittel, um den im Vergleich zum Vorjahr um 3,4 % gestiegenen Zahlen der Schulabgänger Ausbildungsplätze zu sichern. Zusätzlich dazu sollen Angebote in den berufsbildenden Schulen geschaffen und die deutsche Sprache von jugendlichen Migranten gefördert werden. Wir werden zu prüfen haben, ob diese Gelder tatsächlich auch dort ankommen, wo sie gebraucht werden, oder ob es wieder einmal bei der Ankündigung bleibt.
Auch Lehrstellenaquisition ist notwendig.
Die CDU- Landtagsfraktion wird ihren Teil dazu beitragen, nachdem sie den Kammern bereits im Februar angeboten hatte, sich mit ihnen zusammen bei den Betrieben vor Ort für Ausbildungsplätze einzusetzen, und das ist auch geschehen.
Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Versäumt hat die Landesregierung bisher, die immer wieder angemahnten Ausbildungshemmnisse zu beseitigen. Dazu gehört neben dem Wegfall von Ausbildungsplätzen aufgrund der von der rot-grünen Landesregierung mitverschuldeten miserablen wirtschaftlichen Lage des Landes vor allem auch die fehlende Qualifikation von Auszubildenden. Das sieht auch die Bildungsministerin so. Ich zitiere aus der heutigen Ausgabe der Eckernförder Nachrichten: „Erschreckend sei, dass ein durchschnittlicher Hauptschüler heute einer Mechanikerlehre kaum noch gewachsen sei“. Die Antwort allerdings auf diese drängende Frage wird seit nunmehr 16 Jahren nicht gegeben.
17,8 % der Betriebe haben nach einer Umfrage der IHK Schleswig-Holstein im Jahre 2002 Ausbildungsplätze wegen mangelnder Qualifikation der Bewerber nicht besetzen können. Rund 84 % aller Betriebe, das sind 8 von 10, wünschen sich laut Umfrage des Institutes der Deutschen Wirtschaft Köln (iwd) die Verbesserung der schulischen Ausbildung als Voraussetzung für ein höheres Ausbildungsangebot. Rund 15 % der Schulabgänger sind laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit nicht ausbildungswillig oder -fähig. Es nützt also nichts, bei Bedarf zu reparieren, vielmehr gilt es, die Ursachen zu beheben.
Eine der Ursachen - so die übereinstimmende Meinung - liegt in der Familie, was fehlende Erziehung zur Verantwortlichkeit und Leistungsbereitschaft betrifft. Wir müssen immer wieder die Eltern daran erinnern und an sie appellieren, dass auch sie nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zur Erziehung haben und auch sie dafür verantwortlich sind, ob ihre Kinder frühzeitig zu Sozialhilfeempfängern oder zu leistungsbereiten und verantwortlichen Mitgliedern der Gesellschaft heranwachsen. Wenn ein ehemals führender Sozialdemokrat die für ein Arbeitsleben notwendigen Voraussetzungen, nämlich Pünktlichkeit, Leistungsbereitschaft und Disziplin als Sekundärtugenden bezeichnet hat, dann soll man sich nicht wundern, wenn diese Tugenden in der Folgezeit in einem erheblichen Teil auch in den Familien als vernachlässigenswert angesehen wurden. Aber gerade diese Verhaltensweisen werden heute von Ausbildern als Grundvoraussetzung eingefordert, ebenso wie Sozialkompetenz und Teamfähigkeit. Sie müssen, wenn nicht in den Familien vermittelt, von den Schulen eintrainiert werden.
Weitere Voraussetzungen für die Ausbildungsfähigkeit sind die schulischen Anforderungen. Wenn ein Bewerber kein richtiges Deutsch kann, ist er für den Dienstleistungssektor nicht einsetzbar. Wenn eine Bewerbung Rechtschreibmängel aufweist, wird der Bewerber um einen Ausbildungsplatz gar nicht zum Auswahlverfahren zugelassen. Wenn er einfache Rechenoperationen wie Dreisatz oder Prozentrechnung nicht beherrscht, kann man ihn oder sie auch nicht im Handwerk verwenden. Hier muss das Bildungsministerium nacharbeiten und über die Schule den laut PISA rund 25 % Benachteiligten die notwendigen Kompetenzen vermitteln, um einen Schulabschluss zu erreichen und eine Ausbildungsfähigkeit herzustellen. Dazu braucht sie mehr Zeit und mehr Ressourcen. In Schleswig- Holstein erreichen 12 % aller Hauptschüler den Schulabschluss nicht, im Bundesdurchschnitt sind es lediglich 9 %. Das dürfen wir so nicht hinnehmen! Ich fordere die Landesregierung daher auf, Lehrpläne zielgerichtet auf die Bedürfnisse der Ausbildung zu fokussieren, den Unterrichtsumfang in den Kernfächern zu erhöhen und ausreichend Förderung speziell für die Leistungsschwachen zu gewährleisten und dies vor allem im Haupt- und Realschulbereich.
Alarmierende Zahlen gibt es auch bei den Berufsabbrechern. Laut Statistischem Bundesamt vom Dezember 2003 brechen 24,1 % ihre Ausbildung ab, 21,2 % in Industrie und Handel, 29,8 % im Handwerk, laut Umfrage des iwd sogar 33,6 %. Die Ursachen sind ebenfalls vielfältig. Viele Jugendliche haben keine genaue Vorstellung von dem Beruf, den sie wählen, und darüber, was sie tatsächlich erwartet. Sie scheitern an den Anforderungen des Berufes oder der Berufsschule. Die Vielzahl und Vielseitigkeit der Ausbildungsberufe - immerhin ca. 250 in Schleswig-Holstein - sind ihnen nicht bekannt - woher auch? Weder Schüler noch Lehrer wissen genügend über die Anforderungen der Berufe Bescheid. Und dabei kommt auch der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte eine zentrale Aufgabe zu. Auch hier gilt es nachzuarbeiten. Unsere Vorschläge dazu finden Sie in unserem Antrag.
Des Weiteren muss besser auf die Anforderungen eines Berufes vorbereitet werden in allen Schularten, aber vor allem in der Hauptschule. Das klappt aber nur, wenn Praktiker in die Schule geholt werden und die Kommunikation zwischen Betrieben und Schulen vor Ort verbessert wird, nicht nur wenn es gerade nötig ist, sondern grundsätzlich.
Die Aufgaben der Schulen müssen sich hinsichtlich ihrer Zielsetzung verändern. Arbeitsamt, Berufsschulen, Betriebe und allgemein bildende Schulen müssen frühzeitig enger zusammen arbeiten mit dem Ziel, Ausbildungsfähigkeit und Berufsorientierung zu verbessern. Viele Lehrkräfte arbeiten bereits daran, in mühevoller Kleinarbeit und als Einzelkämpfer. Aber wir haben es mit einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zu tun, der sich das Bildungsministerium nicht entziehen darf. Die sich ständig wiederholenden Hinweise, dass das Bildungsministerium schon viel getan habe, wie es uns zuletzt in einer Pressemitteilung der SPD-Fraktion vom 04. Juni vermittelt werden sollte, wird ad absurdum geführt, wenn man die zunehmend steigenden Zahlen von Ausbildungsunfähigen und Berufsabbrechern in den letzten Jahren betrachtet. Hier muss das Bildungsministerium eine Leitfunktion übernehmen, den Schulen Raum und Zeit geben, um die geforderte Grundbildung zu verbessern. Aufgabe des Bildungsministeriums muss es auch sein, ein Konzept zu entwickeln, das die Beratung über Ausbildungsgänge und Ausbildungswege, insbesondere auf schulischer Ebene, intensiviert und damit zur Optimierung des Berufswahlverhaltens Jugendlicher beiträgt.
Die Zahl der zukünftigen Sozialhilfeempfänger darf nicht steigen. Nichts ist für Jugendliche schlimmer als nach der Schule in ein beschäftigungsloses Loch zu fallen. Die Landesregierung muss sich ihrer Verantwortung bewusst werden. Weder Kommissionen noch Ausbildungsabgaben noch unberechtigte Schuldzuweisungen an die Betriebe - wie es in der SPD-Mitteilung zum Ausdruck kommt - werden am Grundübel der miserablen Vorbereitung auf einen Beruf etwas ändern. Die Zeit der Beliebigkeit ist vorbei. Falls Sie von der Regierungsbank weiter vor sich hingewurschteln, steuern wir auf eine soziale Katastrophe bisher nicht gekannten Ausmaßes zu. Und das gilt es zu verhindern. Es ist fünf vor 12.