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25.09.03
10:10 Uhr
CDU

Martin Kayenburg:Weniger staatliche Gängelung und weniger Regulierung

Nr. 396/03 25. September 2003
IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG PRESSESPRECHER Torsten Haase Landeshaus, 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de

Finanzpolitik TOP 12 und 20 Martin Kayenburg: Weniger staatliche Gängelung und weniger Regulierung
Monat für Monat machen die Arbeitslosenzahlen aufs Neue deutlich, dass die Bundesregierung die dramatische Entwicklung am Arbeitsmarkt nicht in den Griff bekommt. Mit Hartz I bis IV wollte die Bundesregierung strukturelle Reformen des Arbeitsmarktes und der Arbeitsverwaltung einleiten. Aber die Umsetzung der viel diskutierten Reformschritte lässt wieder einmal auf sich warten.
Vermutlich ist der Leidensdruck immer noch nicht hoch genug; denn nicht etwa die dramatischen Arbeitslosenzahlen, sondern die Fälschung der als Erfolgsindikator geltenden Vermittlungsstatistik haben die Regierung zum Handeln veranlasst. Der Bundesrechnungshof hatte herausgefunden, dass Arbeitsvermittlungen verbucht wurden, die tatsächlich keine waren, z.B. wenn sich Arbeitslose selbst eine neue Stelle gesucht hatten.
Die Bundesregierung setzte darauf hin die sogenannte Hartz-Kommission ein. Die Aufgabenstellung war, die Bundesanstalt in einen modernen effizienten Dienstleister zu verwandeln.
Schnell erkannte die Kommission, dass nur eine umfassende Reform des Arbeitsmarktes eine Verbesserung der Situation bringen würde. Aber vorzeitig bekannt gewordene Vorschläge führten dazu, dass viele mutige Ideen zerredet wurden. Der Wille zur Reform ist zwar erkennbar, ein Gesamtkonzept jedoch nicht. Das liegt unter anderem daran, dass die Ursachen der Arbeitslosigkeit nicht systematisch analysiert wurden.
Zwei grundsätzliche Zielstellungen sind jedoch unumstritten. Nämlich,
1. den eigentlichen Zweck der Bundesanstalt für Arbeit zu vermitteln, statt zu verwalten, wieder ins Zentrum der Aufgabenwahrnehmung zu rücken
und
2. die Reorganisation der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe kurzfristig umzusetzen.
Ziel unseres Antrages ist es, die strukturellen Verkrustungen des Arbeitsmarktes aufzubrechen, mehr Effizienz bei der Vermittlung zu erreichen, dem Lohnabstandsgebot Geltung zu verschaffen und diesen Grundsatz und Änderungsnotwendigkeiten zu festigen, dass jeder der staatliche Leistungen erhält, auch zur Gegenleistung verpflichtet ist. Die dazu erforderlichen Eckpunkte haben wir in unserem Antrag niedergelegt. Wir sehen darin einen ersten, praktikablen Schritt zu wirklichen Strukturreformen in Deutschland. Diese Reformen sind zwingend erforderlich, wenn wir die Binnennachfrage u.a. durch höhere Haushaltseinkommen auch der unteren Einkommensbezieher stärken wollen.
Unsere Absicht ist es, damit Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor nach Deutschland zurückzuholen. Wir rechnen bei unserer Lösung mit mehr Dynamik auf dem Arbeitsmarkt und als Folge dieser Dynamik auch mit mehr Wirtschaftswachstum.
Mit unserem Antrag auf aktivierende Sozialhilfe beabsichtigen wir eine Zusammenlegung der beiden steuerfinanzierten Sicherungssysteme, nämlich Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf dem Niveau der Sozialhilfe in kommunaler Trägerschaft.
Die Betreuung soll gewissermaßen aus einer Hand erfolgen und bei den kommunalen Gebietskörperschaften angesiedelt werden. Diese können nach unserer Auffassung ortsnäher, praxisorientierter und effektiver arbeiten. Damit werden auch Verwerfungen innerhalb des Systems beendet.
Nach unserer Auffassung sind die kommunalen Gebietskörperschaften zur Wahrnehmung der Vermittlungs- und Leistungsaufgaben besser geeignet als die Bundesanstalt für Arbeit, weil die örtliche Nähe, die Kenntnis der Klientel und die Erfahrung mit den regionalen Bedürfnissen schon heute bei den Sozialhilfeträgern gegeben sind.
Mit dieser Lösung werden auch die erheblichen Kosten für den Einsatz von zusätzlichem Personal bei der Bundesanstalt für Arbeit vermieden, denn es dürfte erhebliche Effizienzreserven in den kommunalen Verwaltungen geben.
Die Bearbeitung des neuen Arbeitslosengeldes II durch die Bundesanstalt für Arbeit ist schlichtweg bürokratischer Irrsinn. Eine Mammutbehörde würde damit endgültig zur Bürokratieanstalt für Arbeit. Es ist einfach unvertretbar, dass die Nürnberger Behörde für diese Vermittlungsaufgabe 11.800 zusätzliche Jobvermittler für erforderlich hält, d.h. neue qualifizierte Arbeitsplätze schaffen will, die zusätzlich teuer bezahlt werden müssen. Wie sieht es denn eigentlich mit der versprochenen Entbürokratisierung der Bundesanstalt aus? Weder Hartz noch Herr Gerster werden ihren voreiligen Versprechen gerecht. Die Aufblähung des Beamtenapparates widerspricht eklatant der gewünschten Verschlankung der öffentlichen Hand; im Gegenteil, noch mehr Bürokratie für noch mehr Arbeitslose, das wäre die Folge.
Hartz IV bringt also nicht die angekündigten Reformen und vor allem nicht die Effizienzsteigerung der Behörde.
Was wir brauchen sind nicht noch mehr Bürokraten, sondern weniger staatliche Gängelung und weniger Regulierung! Und ich bin froh darüber, dass offenbar die Regierung und die SPD dieses Problem erkannt haben und die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu einer neuen Grundsicherung für Arbeitsuchende in der Trägerschaft der Kreise und kreisfreien Städte vorschlägt, so wie wir dies ähnlich in unserem Antrag gefordert haben.
Die Landesregierung teilt auch die Forderung, dass den Kommunen vom Bund bzw. der Bundesanstalt für Arbeit alle entstehenden finanziellen Aufwendungen voll ausgeglichen werden sollen. Damit entwickeln wir ein neues Hilfesystem, das den modernen Ansprüchen der Gesellschaft gerecht wird und auch den Grundsatz berücksichtigt: Keine Leistung ohne Gegenleistung.
Da es aber nach wie vor schwierig sein wird, jedem arbeitsfähigen Menschen eine Vollzeitbeschäftigung zu vermitteln und auch kommunale Gesellschaften dazu wenig geeignet erscheinen, ist es erforderlich, die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft so zu verändern, das sich daraus eine neue Arbeitsplatzoffensive der Unternehmen ergibt. Nun wird eine Veränderung aufgrund neu gestalteter Rahmenbedingungen nicht kurzfristig zu neuen Arbeitsplätzen führen, so dass als Zwischenlösung erforderlich bleibt, das Bund und Bundesanstalt für Arbeit nicht nur mehr Verantwortung, sondern auch mehr finanzielle Mittel an die Kommunen, Länder und Trägergesellschaften auskehren, damit im lokalen Bereich Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden. Nur so werden wir den Grundsatz realisieren können, dass derjenige, der Sozialhilfeleistungen empfängt und erwerbsfähig ist, seine Pflicht zur Gegenleistung auch erfüllt. Dies ist der einzige Weg, die Arbeitsfähigen, d.h. diejenigen, die in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen auch dorthin zu bringen. Diesen Grundsatz werden wir aber nur durchhalten, wenn die Arbeit auch kommunal angeboten wird.
Um aber denjenigen die Arbeit oder gemeinnützige Arbeit annehmen - und dabei denken wir an Bereiche wie Umweltschutz, Unterstützung älterer Menschen oder Unterstützung von Familien - einen zusätzlichen Anreiz zugeben, sehen wir Hinzuverdienstregelungen über deren Bedingungen im Einzelnen noch zu diskutieren ist. Wir sollten also ohne Vorbehalte den alten, nach meiner Meinung überholten Grundsatz über Bord werfen: „Wer arbeitet bekommt wenig soziale Unterstützung, wer soziale Unterstützung bekommt darf nicht arbeiten.“ Das heißt, in Zukunft soll Sozialhilfe als Ergänzung zu einer niedrig bezahlten Beschäftigung möglich sein, um einen Niedriglohnsektor wieder attraktiv zu machen. Auf der anderen Seite sollen aber auch Anreize mit einer geringen Vergütung geschaffen werden, um Sozialhilfeempfänger wieder in ein reales Arbeitsumfeld einzugliedern. Die Verwirklichung unserer Ziele steht unter dem Motto „Fördern und Fordern“, d.h. wir wollen die Möglichkeit von sozial begleiteten niedrigen Löhnen für erwerbsfähige Empfänger von Arbeitslosen- und Sozialhilfe einführen und wir wollen dies auch umgekehrt für einen generellen Niedriglohnsektor diskutieren.
Unabhängig von diesen Anreizsystemen gilt aber nach wie vor als erste Priorität, dass derjenige Empfänger von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe, der eine zumutbare Arbeit nicht annimmt, mit spürbaren Leistungskürzungen rechnen muss und zwar bis zur vollständigen Streichung des Sozialhilferegelsatzes und dies auch ohne eine soziale Komponente.
Die Verzahnung der Reformen im Bereich der Arbeitslosen- und Sozialhilfe mit einem Niedriglohnsektor bzw. einem Anreiz zur Wahrnehmung einer gemeinnützigen Tätigkeit bei Sozialhilfebezug wird nach unserer festen Überzeugung den Arbeitsmarkt entlasten und auch zu mehr Wachstum beitragen.
Unsere Initiative soll denjenigen, die am Existenzminimum leben, Chancen und Wege aufzeigen, wie sie ihre bedrückende Situation zumutbar durch eigenes Zutun mit Unterstützung der zuständigen kommunalen Einrichtungen verbessern können.