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09.05.03
10:20 Uhr
CDU

Klaus Schlie: Simonis hat unverantwortlich gehandelt

Nr. 203/03 09. Mai 2003


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG PARLAMENTARISCHER GESCHÄFTSFÜHRER Heinz Maurus Landeshaus, 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de



1. Parlamentarischer Untersuchungsausschuss TOP 29 Klaus Schlie: Simonis hat unverantwortlich gehandelt
Zwischen der Einsetzung des 1. PUA der 15. Wahlperiode in seiner Sitzung am 15. November 2000 und der heute stattfindenden Beratung über den Abschlussbericht sind fast zweieinhalb Jahre vergangen. Dies ist eine bedauerlich lange Zeit, eine zu lange Zeit für ein dem Sachverhalt angemessenes Untersuchungsverfahren. Trotzdem möchte ich mich zugunsten einer Behandlung des eigentlichen Sachverhalts nicht mit der Würdigung der Gründe dieser Verzögerung auseinandersetzen.
Dieser Untersuchungsausschuss war jedenfalls notwendig - und die Sachlichkeit und weitgehende Übereinstimmung in der größtenteils gemeinsame Bewertung ist auch ein Beweis dafür. Dies ist gerade auch deswegen bemerkenswert, weil es für die größte Regierungsfraktion natürlich überhaupt nicht einfach ist, derartiges Fehlverhalten sachlich und objektiv zu bewerten.
Als Anfang Mai 2000 in der Presse über Vorwürfe gegen den damaligen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Uwe Mantik im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit als Geschäftsführer des Koordinierungsbüros Wirtschaft in Lübeck berichtet wurde, wurde auch die Staatsanwaltschaft tätig. Die Lübecker Staatsanwaltschaft entschloss sich, am 10. Mai 2000 zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den damaligen Staatssekretär Mantik. Um eine vorgesehene Hausdurchsuchung nicht zu gefährden, entschloss sich die Staatsanwaltschaft, das Justizministerium mit einem BeStra-Vermerk erst dann zu informieren, wenn die vorgesehene Maßnahme angelaufen war - dies geschah auch so.
Dass die Staatsanwaltschaft bei der Durchsuchung in einem Pappordner des beschuldigten Staatssekretärs diesen BeStra-Vermerk fand, löste bei dem Staatsanwalt, der die Maßnahme leitete, die Reaktion aus, dass er „etwas schockiert und entsetzt“ war, weil er befürchtete, dass weitere Ermittlungen gefährdet sein könnten.
Der BeStra-Vermerk enthielt alle Strafvorwürfe und die bisherigen Ergebnisse der Vorermittlungen gegen Uwe Mantik und Dritte. Der leitende Oberstaatsanwalt Wille in Lübeck merkte zurecht in einem Schreiben an das Justizministerium folgendes an: „Ich bitte höflich um Unterrichtung, ob weiterhin vorgesehen ist, meine Berichte an den Beschuldigten weiterzuleiten. Ich müsste dann allerdings künftig die Berichte so abfassen, dass sichergestellt wird, dass der Ermittlungserfolg nicht gefährdet wird.“
Auch Generalstaatsanwalt Rex war über das Auffinden des BeStra-Vermerks entsetzt, denn bis dahin hatte er in 30 Jahren beruflicher Tätigkeit nicht erlebt, dass Staatsanwälte beim Beschuldigten auf ihren eigenen innerdienstlichen Bericht stoßen.
Alleine diese Erkenntnisse rechtfertigen die Einsetzung des Untersuchungsausschusses, da die Öffentlichkeit bis dahin glauben sollte, dass es sich bei dem Vorgang um ein geordnetes und völlig normales Verfahren handele.
Durch die Untersuchungen hat sich gezeigt, dass
!"Der BeStra-Vermerk leider nicht „vertraulich“ behandelt wurde, wie er gekennzeichnet war.
!"Die Staatskanzlei den Vorgang durch das Unkenntlichmachen der Auszeichnungsleiste verschleiern wollte.
!"Die unberechtigte Aushändigung des Berichts an Mantik nicht nur auf die direkte Weitergabe des Vermerks, sondern vor allem auch auf eine desolaten Organisation und ein dem öffentlichen Dienst sonst artfremden kumpelhaften Umgang von Teilen der Bediensteten, vor allem in der Staatskanzlei, zurückzuführen ist.
Wenn diese Fehler vorher in den Beratungen des Innen- und Rechtsausschusses offen dargelegt worden wären und die notwendigen Konsequenzen aus dem fehlerhaften Verhalten gezogen worden wären, hätte man sich die Untersuchung ggf. ersparen können.
Folgende Verfehlungen sind festgestellt worden:
Die Ministerpräsidentin hat den Bericht für die dienstrechtliche Prüfung verwendet, ohne bei der Staatsanwaltschaft Rücksprache zu halten, ob die laufenden Ermittlungen gefährdet werden könnten.
Generalstaatsanwalt Rex hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die BeStra-Vermerke ausdrücklich von denjenigen zu unterscheiden seien, die ein Dienstvorgesetzter auf der Grundlage der MiStra erhalte, um gegebenenfalls dienstrechtliche Konsequenzen zu ziehen.
Die Ministerpräsidentin hat ihre Mitarbeiter, insbesondere Herrn Minister Rohwer, nicht darüber informiert, wie mit dem Bericht umgegangen werden soll.
Dafür, dass Minister Rohwer dem Beschuldigten bereits am 11. Mai den Bericht ausgehändigt hat, ist insoweit die Regierungschefin verantwortlich, weil sie für die schlampige Organisation und die mangelnde Überwachung von Verwaltungsvorgängen als oberste Dienstvorgesetzte des stellvertretenden Chefs der Staatskanzlei, Herrn Wewer, die Verantwortung trägt. Dieser hat aus dem verschlossenen Büro des Büroleiters der Ministerpräsidentin den BeStra-Vermerk entwendet, dieses hochsensible Dokument verfälscht, indem er die Abzeichnungsliste beim Kopieren abdeckte und dieses Schreiben dann ohne Berechtigung und Kenntnis des Sachverhalts dem Persönlichen Referenten des Wirtschaftsministers aushändigte, ohne genau beurteilen zu können, zu welchem Zweck und mit welcher Absicht dieser das Schreiben für seinen Minister spätabends aus der Staatskanzlei abholte. Abgesehen davon wirft schon die Tatsache, dass Auszüge aus staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten mit schützenswerten Daten Dritter frei zugänglich in der Staatskanzlei herumliegen, ein bezeichnendes Bild auf die Organisation dieser Verwaltungseinheit.
Minister Rohwer gibt dann ein Exemplar des Berichtes an den Beschuldigten Uwe Mantik weiter obwohl dieses Exemplar mit dem Wort „vertraulich“ gekennzeichnet wurde.
Minister Rohwer entschloss sich aufgrund eigener Erkenntnisse und Beurteilungen und aufgrund der Rechtsberatung eines freiberuflich tätigen Rechtsanwalts zur Weitergabe des BeStra-Vermerks. Er war davon überzeugt, dass dadurch das Ermittlungsverfahren nicht beeinträchtigt werden würde, da die Hausdurchsuchung vollzogen war und nach seiner Einschätzung alle im BeStra-Vermerk dargelegten Vorwürfe angeblich auch in der Presse nachzulesen gewesen seien.
Tatsächlich waren die Umstände, auf denen sich der Verdacht der Bestechlichkeit gegründet hat, allerdings noch nicht presseöffentlich. Dieser Sachverhalt wurde erstmals im BeStra- Vermerk genannt.
Minister Rohwer hatte sich auf der Grundlage der ihm von der Ministerpräsidentin übertragenen dienstrechtlicher Überprüfungen entschlossen, den Sachverhalt durch eigene Ermittlungen aufzuklären. Die Ermittlungen des Wirtschaftsministers endeten am 15. Mai 2000 mit der Empfehlung, Mantik im Amt zu belassen, bis die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgeschlossen seien. Das war aus heutiger Sicht eine Fehleinschätzung.
Der Minister ging aufgrund seiner eigenen Recherchen, die parallel zur Ermittlung der Strafverfolgungsbehörden stattfanden, davon aus, dass sich der Verdacht der Staatsanwaltschaft nicht bestätigen würde - er vertraute den Aussagen seines Staatssekretärs. Dies war ein Irrtum wie sich später herausstellte. Die Ministerpräsidentin hätte Herrn Minister Rohwer als oberste Dienstherrin diese Überprüfung gar nicht übertragen sollen. Es wäre vielmehr richtig gewesen, wenn sie sich ihrer eigenen Verantwortung gestellt hätte. Offensichtlich fehlte hierzu aber der Mut und der juristische Sachverstand.
An der grundsätzlichen Notwendigkeit von BeStra-Vermerken zweifeln wir auch nach Abschluss der Untersuchungen nicht. Mit diesen Dokumenten muss dann allerdings so umgegangen werden, wie es das Justizministerium in allen Phasen getan hat. Dieser Umgang ist als vorbildlich zu bezeichnen und trägt dem vertraulichen und sensiblen Inhalt der BeStra-Vermerke im vollen Umfang Rechung.
Die sorglose, unkontrollierte und schlampige Weitergabe des BeStra-Vermerkes an einen fast nicht mehr zu überprüfenden Personenkreis und gar an den Beschuldigten zum Zwecke der dienstrechtlichen Überprüfung stellt nach Ansicht von Generalstaatsanwalt Rex eine Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip und gegen die politische Kultur dar. Er sagt zu recht, dass sich eine andere Gewalt im Staat, in diesem Fall die Exekutivgewalt in Person des Wirtschaftsministers, der allerdings von der Ministerpräsidentin beauftragt war, sich nicht eines justizinternen Vorgangs annehmen darf, um damit ohne Kenntnis der Justiz und ohne Rücksprache mit dieser damit „nach Belieben zu verfahren“.
Neben dem Kernproblem der möglichen erheblichen Beeinträchtigung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen würde, so Generalstaatsanwalt Rex, auch ein Zwei- Klassen-System von Beschuldigten entstehen, was nicht rechtens sein kann.
Ein Beschuldigter selbst hat in einem Strafverfahren entsprechend den Vorschriften der Strafprozessordnung keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Auch dem beauftragten Anwalt eines Beschuldigten wäre die Akteneinsicht verwehrt worden. Ein Staatssekretär muss in einem Strafermittlungsverfahren genauso behandelt werden wie der beschuldigte Normalbürger. Alles andere würde unseren Rechtsstaat auf den Kopf stellen. Da auch in Zukunft bei dieser Landesregierung unter Leitung von Frau Simonis nicht ausgeschlossen werden kann, dass Mitglieder der Landesregierung von der Regierungschefin beauftragt werden, sich in derartigen Fällen nicht an die Regelungen der Strafprozessordnung gebunden zu fühlen, muss die Frage schnellstens auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden, unter welchen Voraussetzungen Berichte der Staatsanwaltschaft dienstrechtlich verwertet und an welche Personen sie weitergegeben werden dürfen.
Es muss sich um ein transparentes Verfahren handeln. Die Staatsanwaltschaft ist vor der Aushändigung des BeStra an Dritte zu hören, ob aus ihrer Sicht der Ermittlungszweck gefährdet werden könnte. Der Generalstaatsanwalt sollte berechtigt werden, den Umgang mit BeStra-Vermerken zu überprüfen und gegebenenfalls zu beanstanden.
Es muss eine regelmäßige parlamentarische Kontrolle über den Umgang mit BeStra- Berichten stattfinden. Nur wenn der Umgang kontrolliert wird, kann sichergestellt werden, dass nicht bestimmte Personen bevorzugt behandelt werden.
Es muss eine Gleichbehandlung aller Betroffenen sichergestellt werden, und es muss ausgeschlossen werden, dass Unbefugte Zugriff auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten haben.
Die Ministerpräsidentin ist für die Einhaltung dieser Regelungen verantwortlich. Sie muss die Abläufe in der Staatskanzlei ordnungsgemäß organisieren. Sie hat dafür zu sorgen, dass die Regeln zum Umgang mit BeStra-Vermerken eingehalten werden, wenn sie anordnet, dass diese für dienstrechtliche Überprüfungen verwendet werden sollen.
Dies alles setzt eine ordnungsgemäße Organisation der Staatskanzlei mit einer am Verwaltungshandeln ausgerichteten Arbeitsweise voraus.
Ein schlichtes und kumpelhaftes „Knudi ? kümmere dich mal darum“ wird diesen Ansprüchen an ein geordnetes Verwaltungshandeln mit Sicherheit nicht gerecht. Die Hauptverantwortung für die Grenzüberschreitung zwischen Judikative und Exekutive liegt bei der Ministerpräsidentin.

Und ich möchte sehr bewusst hinzufügen, dass ich die Einschaltung eines freiberuflich tätigen Anwalts während des Untersuchungsausschussverfahrens sehr kritisch beurteilt habe. Aus heutiger Sicht sehe ich darin die Absicht des Wirtschaftsministers, den gesamten Vorgang zu objektivieren. Der Minister war durch den Auftrag der Ministerpräsidentin in der Zwickmühle – sie hat sich ihrer Verantwortung entzogen, der Minister hat sich der ihm übertragenen Verantwortung gestellt. Das Verhalten von Frau Simonis ist verantwortungslos. Wer als Ministerpräsidentin eine Staatskanzlei wie eine Kaffeeklatschrunde nach einem Flohmarktbesuch führt, kann und darf dieses Land nicht weiter regieren.