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21.02.03
07:05 Uhr
CDU

Martin Kayenburg: Föderalismusreform muss Entscheidungskompetenz und Eigenverantwortung der Länder stärken

Nr. 94/03 21. Februar 2003


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG PARLAMENTARISCHER GESCHÄFTSFÜHRER Heinz Maurus Landeshaus, 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de



Wirtschafspolitik TOP 37 Martin Kayenburg: Föderalismusreform muss Entscheidungskompetenz und Eigenverantwortung der Länder stärken Das Wort „Reform“ ist wohl zur Zeit in der deutschen Politik der am häufigsten verwendete Begriff. Auf nahezu allen Politikfeldern sind in Deutschland Reformen notwendig, in der Renten- und Krankenversicherung, beim Bildungswesen, bei den öffentlichen Finanzen und bei der Finanzierung der Gebietskörperschaften - um nur einige Beispiele zu nennen.
Deutschland hat einen gewaltigen Reformstau, der ganz schnell aufgelöst werden muss, wenn unser Land zukunftsfähig sein soll. Aber gerade in Deutschland gehen - im Gegensatz zu unseren europäischen Nachbarn - Reformen nur schwer voran oder scheitern gänzlich. Es gibt viele Baustellen, doch ernsthafte Veränderungen gibt es kaum. Es gibt keine wirklichen Reformen.
Die existentiellen Grundfragen unserer Gesellschaft werden nicht mehr entschieden,
• nicht nur weil sich eine „Es allen recht machen wollen-Mentalität“ breit gemacht hat, • nicht nur weil alle gesellschaftlich relevanten Gruppen von Gewerkschaften bis zu Industrieverbänden mitreden wollen, • sondern weil auch im deutschen „Mitwirkungsföderalismus“ alle staatlichen Ebenen vom Bund bis zu den Kommunen in der jeweils anderen Ebene nicht nur mitreden wollen, sondern auch mitbestimmen können. • Damit blockieren sich alle Ebenen gegenseitig und am Ende wird überhaupt nichts entschieden.
Eine Reform des Föderalismus ist deshalb dringend erforderlich. Dabei hat sich der deutsche Föderalismus nach 1949 durchaus bewährt, er ist aber im Laufe der Jahre zu einer Blockadeveranstaltung auf der jeweils anderen Ebene degeneriert. Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt deshalb die Einberufung des Ersten Föderalismuskonvents der deutschen Landesparlamente am 31. März diesen Jahres. Wir freuen uns, das gerade hierfür die auch in der deutschen Staatsgeschichte so bedeutende Hansestadt Lübeck ausgesucht wurde.
Der uns vorliegende Entwurf einer Resolution der Präsidentinnen und Präsidenten und der Fraktionsvorsitzenden der deutschen Landesparlamente greift im wesentlichen die Schwerpunkte auf, die wir bereits am 26. September 2001 auf Antrag von CDU, SPD, FDP und den Abgeordneten des SSW zur Stärkung des Föderalismus und des Regionalprinzips in Deutschland und Europa mit überwältigender Mehrheit - leider ohne die Stimmen der Grünen - in diesem Hohen Hause beschlossen haben.
Ich will noch einmal drei Forderungen herausstellen, die mir bei einer Reform und Stärkung des Föderalismus ganz besonders wichtig erscheinen:
!"Das ist vor allem die Stärkung der Gesetzgebungskompetenz der Länder, !"das ist die Mitwirkung der Landesparlamente im Bundesrat und !"das ist eine Finanzreform, die eine Neugestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern vorsieht.
Eine Reform, eine Neuorientierung des Föderalismus muss eine Stärkung der Entscheidungskompetenzen und der Eigenverantwortung der Länder ergeben. Wir beobachten den Kompetenzzuwachs des Bundes in fast allen Politikbereichen mit Sorge. Für die Länder bleiben nur noch geringe Gestaltungsspielräume. Die Verabschiedung von Landesgesetzen verliert auch in diesem Schleswig- Holsteinischen Landtag immer mehr an Bedeutung. Statt dessen ist unsere Parlamentsarbeit durch unendlich viele Anträge und Berichte geprägt, statt dessen müssen wir jahrelang über Kormorane oder die Strandbeparkung in St. Peter-Ording debattieren, weil diese Landesregierung ideologisch, aber nicht bürgerfreundlich - und nicht pragmatisch entscheidet. Sind das wirklich Themen, meine Damen und Herren, die eines Landesparlamentes würdig sind?
In der konkurrierenden Gesetzgebung hat der Bund sich in immer mehr Aufgabenbereiche hineingedrängt. Und selbst in der Rahmengesetzgebung, wie zum Beispiel im Beamtenrecht, bleibt den Ländern kaum noch ein eigener Gestaltungsspielraum. Damit ist der föderale Grundgedanke, der davon ausgeht, dass der Bund als Gesamtstaat nur für die Dinge zuständig sein soll, die im Interesse eines Volkes einheitlich geordnet werden müssen, genau ins Gegenteil verkehrt worden.
Mit Artikel 70 des Grundgesetzes haben die Väter des Grundgesetzes bestimmt, das die Länder das Recht der Gesetzgebung haben, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Dieser Grundsatz, dass zunächst die Länder das Recht der Gesetzgebung haben, ist inzwischen in ihr Gegenteil verkehrt worden. Deshalb ist es dringend erforderlich, die Gesetzgebungskompetenzen zugunsten der Länder neu zu ordnen. Es geht darum, die positiven Wirkungen des föderalen Systems im Interesse der Bürger und im Interesse der Länder zu verstärken. Mit unserem Beschluss vom 26. September 2001 auf der Grundlage der Drucksache 15/1211 haben wir hierzu bereits sehr konkrete Vorschläge gemacht. Ich will es mir ersparen, darauf noch einmal im einzelnen einzugehen.
Ein weiterer Punkt, der dringend einer Reform bedarf, ist unseres Erachtens die Mitwirkung im Bundesrat. Die Landesregierungen haben verfassungsrechtlich das Mandat, die Interessen ihrer Länder über den Bundesrat auf der Bundesebene wahrzunehmen. Der Landtag wird als vom Volk gewähltes oberstes Organ der politischen Willensbildung dabei in die Zuschauerrolle gedrängt.
Gerade auf den Gebieten, die die Länder unmittelbar betreffen, haben die Parlamente somit kein Mitspracherecht auf Bundesebene. Das Parlament erfährt lediglich im Nachhinein, welche Position die Landesregierung im Bundesrat vertreten hat. Das ist ein unbefriedigender Zustand.
Ich möchte deshalb noch einmal unsere Forderung nach einer Erweiterung beziehungsweise Ergänzung des Artikels 23 des Grundgesetzes wiederholen. Eine solche Änderung des Grundgesetzes hätte zum Ziel, den Landesparlamenten eine Mitwirkung bei der Erarbeitung der Voten ihrer jeweiligen Landesregierung für den Bundesrat einzuräumen. Zumindest sollte sicher gestellt werden, dass die Landesparlamente am Entscheidungsprozess der Landesregierungen beteiligt werden.
Seit Jahren reformbedürftig ist der wichtige Bereich der Finanzbeziehungen, zu dem wir ebenfalls am 26. September 2001 gemeinsam sehr detaillierte Vorschläge verabschiedet haben.
Länderfinanzausgleich, Gemeinschaftsaufgaben und die zahlreichen sonstigen Mischfinanzierungen müssen dringend entflochten und den aktuellen Erfordernissen angepasst werden.
Auch sollten die Länder künftig eine eigene Steuerautonomie erhalten. Die Länder müssen in die Lage versetzt werden, wirtschaftliche Gegebenheiten mit eigenen Regelungen auf Landesebene gestalten zu können. Gleiches gilt auch für die Steuereinnahmen der Kommunen. In dieser Steuerautonomie liegt eine große Chance des föderativen Systems.
Der nunmehr vorliegende Entwurf einer Resolution zur Stärkung der Landesparlamente greift diese Themen wieder auf. Ich habe allerdings den Eindruck, dass wir mit unserem Beschluss vom 26. September 2001 zum Teil schon weiter und konkreter waren. Wir, die Vertreter des Schleswig-Holsteinischen Landtages im Ersten Föderalismuskonvent, sollten auch in diesem Sinne mit mutigen Schritten eine nachhaltige Reform des Föderalismus in Deutschland einleiten.
Möge der Konvent von Lübeck als der Ausgangspunkt einer der Wiedergeburt des deutschen Wettbewerbsföderalismus in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eingehen.