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20.02.03
08:11 Uhr
CDU

Klaus Schlie: Kommunale Handlungsfähigkeit wieder herstellen

Nr. 87/03 07. Februar 2003


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG PARLAMENTARISCHER GESCHÄFTSFÜHRER Heinz Maurus Landeshaus, 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de



Innenpolitik TOP 9 Klaus Schlie: Kommunale Handlungsfähigkeit wieder herstellen
Die kommunale Selbstverwaltung ist durch das Grundgesetz und unsere Landesverfassung garantiert. Das Vorhalten lebensnotwendiger Leistungen der öffentlichen Verwaltung zur Befriedigung der Grundbedürfnisse der Bürger, die sogenannte Daseinsvorsorge gehört unstreitig zu den vom Selbstverwaltungsrecht erfassten Angelegenheiten.
Dazu gehören u.a . sicherlich der Straßen- und Wegebau, der Personennahverkehr, der Wohnungsbau, die Wasserver- und -entsorgung, die Abfallbeseitigung, die Sozialhilfe, die Jugendhilfe, die Kinderbetreuungseinrichtungen, das Schulwesen im sächlichen Bereich, Kultur- und Heimatpflege, Sportförderung, Freizeiteinrichtungen, Gesundheitswesen und, und, und.
Eine eigenverantwortliche Aufgabenerfüllung ohne eine ausgabengerechte Finanzausstattung erscheint schlechterdings unmöglich. Wegen der notwendigen Zusammengehörigkeit der Einnahmen- und Ausgabenverantwortung umschließt die Garantie kommunaler Selbstverwaltung zwingend auch die Gewährleistung derjenigen finanziellen Mittelausstattung, die zur Wahrnehmung der garantierten Selbstverwaltungsaufgaben erforderlich ist. Die Gewährleistung einer ausreichenden Finanzausstattung der Kommunen ist infolgedessen für das Funktionieren kommunaler Selbstverwaltung unabdingbar.
Wenn jeder von uns in diesem hohen Haus einmal ganz ehrlich ist und ohne die parteipolitische Brille die Situation analysiert, in der sich unsere Kommunen befinden, so müssen wir doch nüchtern bilanzieren, dass es eine kommunale Selbstverwaltung in diesem landesverfassungsrechtlichen Sinn leider nicht mehr gibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die meisten von uns kommen doch aus dem kommunalen Bereich, viele von uns sind jetzt auch noch kommunale Mandatsträger. - Wir müssen doch in einem ehrlichen Resümee zugeben, dass wir die Daseinsvorsorgeaufgaben für die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr erfüllen können, weil die kommunalen Finanzmittel nicht ausreichen.
Nun wissen wir alle, dass die öffentlichen Haushalte sich insgesamt in einer dramatischen Krisensituation befinden. Ich will an dieser Stelle das übliche Ritual unterlassen und jetzt nicht die politischen Verantwortlichkeiten aufzählen, die zu dieser Finanzkrise und Wirtschaftskrise geführt haben.
Eines steht fest, die Kommunen haben ihre Hausaufgaben erledigt. Gemeinden, Städte und Kreise haben ihre Einsparpotenziale ausgeschöpft. Aufgaben wurden eingeschränkt, Privatisierungen wurden durchgeführt, Personal wurde abgebaut, freiwillige Leistungen wurden fast überall drastisch reduziert - übertragene Aufgaben können und werden auch nicht mehr erfüllt. Eine der Hauptursache für die Krise, in der sich die Kommunen befinden, ist neben den schwindenden Einnahmen eine ständige Aufgabenverlagerung des Bundes und des Landes auf die Kommunen.
Wir haben in Schleswig-Holstein vom Grundsatz her dieses Problem gelöst. Der von uns allen formulierte und verabschiedete Kostenausgleichsgrundsatz in der Landesverfassung garantiert bei Aufgabenübertragungen durch das Land auf die Kommunen den gleichzeitigen Kostenausgleich nach dem Grundsatz: „Wer bestellt, der bezahlt.“
Was nützt es allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn dieser Grundsatz eingehalten wird und sich das Land gleichzeitig in den Kassen der Kommunen bedient, um sich zu refinanzieren?
1991 bis 1994 jedes Jahr 100 Millionen DM Kürzung der Finanzausgleichsmasse zugunsten des Landeshaushalts.
1999 Kürzung der Finanzausgleichsmasse um 50 Millionen DM. 2000 Kürzung der Finanzausgleichsmasse um 65,4 Millionen DM.
Im Dezember 2000 beschloss der Landtag dann mit rot-grüner Mehrheit eine vierjährige Kürzung um je 75 Millionen DM, heute also 38,4 Millionen Euro, um den Landeshaushalt zu sanieren oder besser gesagt - um die notwendigsten Löcher zu stopfen.
Zur Sicherung der Finanzkraft der Kommunen und zur Gewährleistung der kommunalen Aufgabenerfüllung bedarf es bei erheblichen Einnahmeausfällen einer garantierten Finanzausgleichsmasse.
Offensichtlich müssen wir uns als Landtag selbst Fesseln anlegen, um nicht immer wieder die kommunalen Kassen als Selbstbedienungsladen zu begreifen.
Deshalb sollte ein Regulierungsmechanismus im Finanzausgleichssystem eingeführt werden, der vorsieht, dass der Grundsatz der Verteilungssymmetrie zwischen Land und Kommunen erhalten bleibt. Bei erheblichen Einnahmeausfällen der Kommunen muss das Land den Kommunen bei gleichbleibender Aufgabendefinition entweder mehr Finanzmittel zur Verfügung stellen oder aber Aufgabenbereiche benennen, die von den Kommunen nicht mehr erfüllt werden sollen. Und dafür müssen wir dann als Landtag gegenüber den Bürgern auch die politische Verantwortung übernehmen. Deutschland braucht starke Städte, Kreise und Gemeinden. Sie sind der Garant für Wachstum und Wohlfahrt. Ohne steigende kommunale Investitionen wird es keinen Wirtschaftsaufschwung geben.
Wir brauchen deshalb dringend Investitionszuweisungen an die Kommunen zum Stop des Verfalls der Infrastruktur vor Ort und zur Stärkung der mittelständischen Wirtschaft. Wir bitten deshalb die Landesregierung, sich beim Bund für derartige Investitionshilfen einzusetzen.
Eines ist unstrittig: Die Finanzlage des Bundes ist relativ günstiger als die der Kommunen. Das rechtliche Instrumentarium für eine Investitionshilfe des Bundes stünde mit Artikel 104 a, Abs. 4 zur Verfügung. Bis zum Inkrafttreten einer derartigen Regelung im Grundgesetz sollten wir als Landtag die Landesregierung auffordern, sich im Sinne einer Eigenbindung bei Abstimmungen im Bundesrat gemeindefreundlich zu verhalten.
Es muss endlich Schluss sein mit der Aufgabenverlagerung vom Bund auf die Kommunen. Im Grundgesetz muss endlich ein klares Konnexitätsprinzip verankert werden. Der bloße Hinweis auf die rot-grüne Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung ist nichts wert, wie die letzte Legislaturperiode bewiesen hat.
Nehmen wir nur einmal die Risiken, die vor uns liegen oder gerade auf die Kommunen verlagert wurden:
• Neuordnung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe • Grundsicherungsgesetz • Ganztagsbetreuung von Kindern bis zu 3 Jahren • Integrationsleistungen usw., usw.
Wir haben deshalb auch die Forderung der kommunalen Spitzenverbände nach einem Konsultationsmechanismus nach österreichischem Vorbild übernommen.
Wenn eine staatliche Ebene Regelungen mit Kostenfolgen treffen will, müssen sich alle Beteiligten, also beispielsweise der Bund, die Länder und die Gemeinden über die Finanzierung einigen. Kommt keine Einigung zustande, trägt die Ebene die Kosten, die eine neue Aufgabe beschließt oder die neue Regelung tritt gar nicht erst in Kraft. Die Folge eines derartigen Regelungsmechanismus wäre die Verhinderung von willkürlichen Aufgaben- und Kostenverlagerungen, die Einschränkung der öffentlichen Verschuldung und eine tatsächliche Eindämmung der Gesetzes- und Verordnungsflut.
Manchmal hat man in der kommunalen Fachdiskussion den Eindruck, als sei die Forderung zur Reform der Gemeindefinanzen der Schlüssel zur Lösung aller Probleme. Ich glaube daran allerdings nicht.
Die 1998 vom Bund eingesetzte Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen wurde erst im Mai 2002 konstituiert. Wichtige Themen wie die Fragen der Neuverteilung von Aufgaben, die Neuaufteilung von Ausgaben und Einnahmen zwischen dem Bund, den Ländern und den Kommunen oder Fragen des Aufgabenabbaus der Standardfreigabe oder aber eben die Formulierung des Konnexitätsprinzips oder eines Konsultationsmechanismus wurden gar nicht erst der Kommission zugewiesen. Seriöse Ergebnisse der Kommission sind kurzfristig nicht zu erwarten.
Deshalb fordern wir eine sofortige Absenkung der Gewerbesteuerumlage auf ihr früheres Niveau. Würde der Bundestag dem vorliegenden CDU/CSU-Gesetzentwurf zustimmen, hätten die Kommunen 2,3 Milliarden Euro Sorgen weniger.
Das hohe Maß gesetzlicher Mindeststandards mit zum Teil erheblichen Kosten für Gemeinden, Ämter, Kreise und Zweckverbände wird von den Kommunen und von der Opposition im Landtag seit Jahren kritisiert. Wir haben mehrmals Anträge zur Standardfreigabe und Deregulierung in den Landtag eingebracht. Leider wurden sie genauso abgelehnt wie das Standardöffnungsgesetz der FDP.
Mit dem neu vorliegenden Vorgabenbefreiungsgesetz wollen wir nun einen erneuten Versuch unternehmen, um eine Standardöffnung in Schleswig-Holstein zu erreichen. Über die in Artikel 2 vorgesehene Fristbindung von 10 Jahren in § 62 Landesverwaltungsgesetz sollten wir noch einmal in den Ausschussberatungen sprechen. 5 Jahre wäre möglicherweise auch ein angemessener Zeitraum.
Die langjährige Forderung der Kommunen nach einer Neuordnung des Quotalen Systems auf der Grundlage der Aussage des Landesrechnungshofs und der kommunalen Spitzenverbände ist ebenso überfällig wie die Auswertung des vom Landtag in Auftrag gegebenen Gutachtens an Herrn Professor Kirchhof zur Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen und die Auswertung und Umsetzung der Gutachten zur Stadt-Umland-Thematik. Wir dürfen nicht länger auf den Gutachten und Problemen sitzen, wir müssen sie diskutieren und Entscheidungen treffen.
Die Flut immer neuer Vorschriften führt zu immer neuen Aufgaben und damit zu einer Gängelung der Kommunen. Ein Ende ist nicht abzusehen. Wir wollen daher eine Überprüfung von Verordnungen und Verwaltungsvorschriften und ein System entwickeln, das dazu führt, dass wir zu einer konsequenten Verringerung kommen.
Die zunehmende Handlungsunfähigkeit der Kommunen wird die Entfremdung von der Politik und vom Staat noch weiter beschleunigen. Längst stellt man sich nicht nur die Frage nach der kommunalen Selbstverwaltung, sondern nach der Zukunft unseres Gesellschaftsmodells. Es ist gerade auch deshalb völlig absurd, etwa über die Kommunalisierung der Schulen in Bezug auf die Personalausstattung mit Lehrkräften nachzudenken. Wir lehnen diese Kommunalisierung daher ab.
Wer Bürgernähe und Subsidiarität ernst nimmt, muss das Gemeinwesen von unten stärken und nicht von oben Wohltaten verkünden, die andere bezahlen.
Wir müssen sofort handeln und die Reformen in Angriff nehmen und dabei auch unbequeme und tiefe Einschnitte beschließen.