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19.02.03
10:20 Uhr
CDU

Martin Kayenburg: Ministerpräsidentin Simonis muss sich endlich uneingeschränkt zum Werftenstandort Schleswig-Holstein bekennen

Nr. 77/03 19. Februar 2003


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG PARLAMENTARISCHER GESCHÄFTSFÜHRER Heinz Maurus Landeshaus, 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de



TOP 1a, 19 und 22 Martin Kayenburg: Ministerpräsidentin Simonis muss sich endlich uneingeschränkt zum Werftenstandort Schleswig-Holstein bekennen

Zur Regierungserklärung der Ministerpräsidentin zur aktuellen Lage bei HDW sowie den Wettbewerbshilfen und den Landesbürgschaften für Schiffbau und Schifffahrt erklärte der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion und Oppositionsführer im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Martin Kayenburg:

„An Solidaritätsadressen und vollmundigen Erklärungen gegenüber den Werftarbeitern in Schleswig-Holstein hat es in der Vergangenheit bei Frau Simonis nicht gemangelt. Doch das tatsächliche Verhalten der rot-grünen Landesregierung sieht ganz anders aus,“ erklärte Kayenburg zur aktuellen Diskussion dieses Themas im Landtag.

Angesichts der internationalen Konkurrenzsituation müssten Bundes- und Landesregierung in aller Deutlichkeit formulieren, welche Bedeutung sie eigentlich dem Schiffbau in Deutschland beimessen und mit welchen Mitteln der Werftenstandort Deutschland in welcher Größenordnung erhalten bleiben solle. Die CDU-Landtagsfraktion fordere deshalb eine von der Bundesregierung und den norddeutschen Ländern einzuberufende Werftenkonferenz, in der sich auch Bundeswirtschaftsminister Clement klar zum Schiffbau bekennen müsse.

Aber auch Ministerpräsidentin Simonis und ihre rot-grüne Landesregierung müssten durch ihr tatsächliches politisches Handeln im Lande ihre Solidarität mit den Werften beweisen. Dazu gehöre neben den Landesbürgschaften, die wir gemeinsam gegenüber der EU verteidigen müssen, vor allem auch die Wettbewerbshilfe. Hier müsse sich die Landesregierung fragen lassen, warum sie in den vergangenen Jahren nicht bereit war, den vollen Anteil der möglichen Mittel zum Vorteil für die schleswig-holsteinischen Werften auszuschöpfen. Entsprechende Anträge der CDU- Fraktion seien in den Haushaltsberatungen stets abgelehnt worden. Kein anderes norddeutsches Bundesland habe seine Werften so im Regen stehen lassen. Im Gegensatz zu Schleswig-Holstein hätten alle die Werftenhilfe des Bundes voll komplementiert und damit ihre uneingeschränkte Solidarität mit ihren Werften zum Ausdruck gebracht. An dieser Solidarität durch praktisches politisches Handeln fehle es in Schleswig-Holstein seit Jahren. Anlage: Rede HDW; Wettbewerbshilfen für Werften; Landesbürgschaften für Schiffbau und Schifffahrt
Anrede,
bereits im Sommer des vergangenen Jahres haben wir in einer Aktuellen Stunde über den Werftenstandort Schleswig-Holstein beraten. Auch zu HDW wurde damals - allerdings unter anderen Vorzeichen - leidenschaftlich diskutiert. Der Wirtschaftsminister hatte noch die optimistische Auffassung vertreten, dass durch den Verkauf an One Equity Partners (OEP) der HDW-Standort Kiel „sicherer gemacht“ werde und die „finanziellen Grundlagen dafür gelegt“ seien. Leider hat sich die Realität seiner viel zu optimistischen Einschätzung nicht angepasst. Offenbar passieren solche Fehleinschätzungen dem Superminister Rohwer häufiger, wie auch die aktuelle Entwicklung des Multimedia Campus in der Nachbarschaft von HDW zeigt.
750 Arbeitsplätze sollen bei der HDW nach den Plänen der Unternehmensführung wegen Auftragsmangels im Überwasserschiffbau wegfallen. 750 Mitarbeiter und 750 Familien stehen deshalb vor einer ungewissen Zukunft. Sie haben unsere Unterstützung und Solidarität verdient. Wir sollten die Debatte aus diesem Grunde angemessen und nicht mit Wahlkampfargumenten führen.
Nicht zuletzt der Besuch von Vertretern der CDU-Landtagsfraktion und des CDU- Landesverbandes bei HDW hat uns deutlich vor Augen geführt, dass es vor allem um Menschen und ihre Arbeitsplätze geht, aber auch um Aufträge, die den Bestand des Unternehmens sichern können. Unser Ziel muss es sein, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten und das Unternehmen langfristig zu sichern.
Über die Diskussion um das große Unternehmen HDW dürfen wir an dieser Stelle aber die Leiden des Mittelstandes nicht vergessen, die - weniger spektakulär - eben nicht die Schlagzeilen der Zeitungen füllen. Über 1.380 Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2002 mögen im Einzelfall nicht zu ähnlich schwerwiegenden Folgen führen wie die Entlassungen bei HDW, MobilCom, Bayer, Schleswag, BC-Components, ISION oder Heidelberger Druckmaschinen.

Jeder Arbeitsplatzverlust betrifft aber einen Menschen, eine Familie, egal ob im Großunternehmen oder im Kleinstbetrieb, und die Insolvenzen bedeuten zusätzlich eine erhebliche Vernichtung von Vermögen und von Wachstumschancen. Deshalb will ich daran erinnern, dass sich die Zahl der Insolvenzen verdoppelt hat und die Unternehmensinsolvenzen in Schleswig-Holstein gegenüber dem Vorjahr um über 30 Prozent gestiegen ist. Das, meine Damen und Herren, ist die wirkliche wirtschaftliche Lage in Schleswig-Holstein!

Doch zurück zur Situation bei HDW. In diesem großen symbolträchtigen schleswig- holsteinischen Unternehmen gibt es seit längerer Zeit Probleme im Bereich des Handelsschiffbaus. Selbstverständlich hat dies zu tun mit der weltweiten Konkurrenz und insbesondere mit den Dumping-Preisen koreanischer Schiffswerften. Wir sind uns in diesem Hause sicherlich auch einig darüber, dass diese Art von aggressiver Wirtschaftspolitik abzulehnen und anzuprangern ist.

Wir müssen der Bundesregierung und auch Ihnen, Frau Simonis, deshalb die Frage stellen, ob in Brüssel und Berlin wirklich alles getan wurde, um dies zu unterbinden. Wir dürfen einfach nicht zulassen, dass der Werftarbeiter auf dem Kieler Ostufer zum Spielball internationaler Interessen wird.

Es ist daher erforderlich, dass die Bundes- und Landesregierung in aller Deutlichkeit formuliert, welche Bedeutung sie dem Schiffbau in Deutschland beimessen und mit welchen Mitteln der Werftenstandort Deutschland in welcher Größenordnung erhalten bleiben soll. Dies ist nationale Aufgabe!

Deshalb fordern wir dringend eine kurzfristig einzuberufende Werftenkonferenz, bei der auch Bundeswirtschaftsminister Clement Farbe bekennen muss.

Auf einer solchen Konferenz müssen die norddeutschen Länder einheitlich die Stimme erheben und gemeinsam mit der Bundesregierung die EU zum nachhaltigen Handeln auffordern.

Aber auch in Richtung Berlin muss die Anhebung des Anteils des Bundes an der Werftenhilfe auf 50 Prozent von uns weiterhin mit Nachdruck gefordert werden. Ich bin mir sicher, dass auch die Kollegen Ole von Beust und zukünftig Christian Wulff dieser Forderung nachdrücklich beitreten werden. Auch Sie, Frau Simonis, können sich bei diesem Kampf der Unterstützung der Opposition in diesem Hause sicher sein.

Dabei weiß ich wohl, dass HDW in jüngster Zeit nicht zu den Nutznießern der Wettbewerbshilfe für Werften gehörte. Die Werftenhilfe ist also nicht das primäre Problem von HDW. Jedoch müssen wir die Situation auch nutzen, um die schwierige und zum Teil hoffnungslose Situation der übrigen schleswig-holsteinischen Werften ins Bewusstsein zu rücken.

Sie selbst, Frau Simonis, haben doch am 11. Februar als Reaktion auf die Situation bei HDW ausdrücklich das Angebot der Landesregierung erneuert, den Handelsschiffbau von HDW mit Mitteln aus der Wettbewerbshilfe und Bürgschaften zu fördern. Noch einmal: die Werftenhilfe dürfte in den vergangenen Jahren nicht das Problem von HDW gewesen sein. Sicher haben auch die verschiedenen Eigentümerwechsel in der Vergangenheit zu den aktuellen Problemen beigetragen. Dennoch müssen Sie sich bei der Diskussion um die Werftenhilfe fragen lassen, warum die Landesregierung in den vergangenen Jahren nicht bereit war, den vollen Anteil der möglichen Mittel zum Vorteil für die übrigen Werften auszuschöpfen. Entsprechende Anträge von uns haben Sie in den Haushaltsberatungen immer abgelehnt. Es hat den Anschein, als ob Sie lieber Arbeitslosigkeit durch die Bundesanstalt für Arbeit finanzieren lassen, als selbst Arbeit zu finanzieren.

Wir haben im Juni des vergangenen Jahres über die Situation bei der Flender-Werft diskutiert. Bereits damals hat die Union darauf hingewiesen, dass die Landesregierung in ihrem Bericht zur maritimen Wirtschaft selbst festgestellt hat, dass das Auftragsvolumen der Schiffswerften bis Ende 2000 die doppelte Förderung durch Wettbewerbshilfe begründet hätte. Ich frage Sie, wann Sie Ihren markigen Worten auch Taten folgen lassen.

Erklären Sie heute öffentlich, ob die Werften in Schleswig-Holstein noch die Restmittel aus der 8. Fortsetzung des Wettbewerbshilfeprogramms bekommen. Bundesmittel stehen noch zur Verfügung!

Sagen Sie uns: was Sie denn für das neue Programm der Wettbewerbshilfe ab Oktober letzten Jahres schlussendlich an konkreten Mitteln bereit stellen wollen.

Die heutige Situation ist für die kleinen Werften Schleswig-Holsteins so nicht länger tragbar. Für neu zu akquirierende Aufträge sind keinerlei Mittel im Landeshaushalt vorhanden. Sie können den Werften deswegen heute gar keine finanzielle Hilfe zusagen. Ich habe den Eindruck, Frau Simonis, dass Ihnen das überhaupt nicht klar ist.

Schaffen Sie also endlich Planungssicherheit. Sagen Sie konkret im Nachtragshaushalt 2003 - den Sie gerade zusammen mit der Neustrukturierung der Landesbank vorlegen - welche Mittel Schleswig-Holstein aufbringen kann oder welche auch nicht. Und erklären Sie uns, wie Sie den Bund zu einer 50%igen Anteilfinanzierung bewegen wollen, nachdem Ihre Genossen im Bundestag diesen Antrag gerade wieder abgelehnt haben?

Politik - und das wissen Sie doch auch - ist für die Rahmenbedingungen zuständig, und die Werftenhilfe ist Bestandteil dieser Rahmenbedingungen.

Wir dürfen - wenn wir seriös bleiben wollen - den Betroffenen und ihren Familien aber nicht vorgaukeln, dass die Landespolitik schnell und effektiv in unternehmerische Einscheidungen eingreifen oder gar direkt Arbeitsplätze schaffen kann. Auch Entscheidungen mit negativen Folgen, wie beispielsweise die schamlose und dauernde Kapitalentnahme bei HDW durch Babcock-Borsig und Managementfehler früherer Vorstände, muss die Politik erst einmal hinnehmen.

Im Falle von HDW wäre die Entwicklung aber möglicherweise anders verlaufen, wenn die Landesregierung 1991 ihre HDW-Anteile nicht leichtfertig verkauft hätte, ein Geschäft, an dem auf allen Seiten - wie bei vielen anderen Transaktionen in Sachen HDW - nur Sozialdemokraten beteiligt waren. Heute sind Ihre Einflussmöglichkeiten begrenzt; das sollten Sie den Beschäftigten bei HDW ehrlicherweise sagen.

Aber gerade deshalb müssen wir die begrenzten politischen Instrumentarien zur Unterstützung des Werftenstandortes Schleswig-Holstein, wie Wettbewerbshilfe und Landesbürgschaften, auch effektiv und klug einsetzen. Vergessen Sie auch nicht, dass neben den über 7.000 Mitarbeitern auf den Werften auch ungefähr die gleiche Zahl von Mitarbeitern bei der Zuliefererindustrie beschäftigt ist. Sieben Prozent der Industriebeschäftigten arbeiten auf Werften. Die Bruttowertschöpfung der Schleswig- Holsteinischen Schiffbauindustrie wird auf 1,5 Milliarden Euro geschätzt, das entspricht etwa zehn Prozent der industriellen Bruttowertschöpfung unseres Landes. Ohne Werftindustrie würde Schleswig-Holstein auf Dauer das wirtschaftliche Schlusslicht in Deutschland werden.

HDW lebt natürlich im besonderen Maße vom Marineschiffbau. Soll HDW als Universalwerft erhalten bleiben - wie Sie ja zu Recht fordern -, dann braucht die Werft auch in diesem Segment langfristige Perspektiven. Und ich will gerne unterstreichen: Rüstungspolitik ist sicherlich nicht Angelegenheit des Landtages, dennoch ist es vitales Interesse des Landes, dass der Abfluss wehrtechnischen Know-Hows verhindert wird.

Anrede,

wenn Sie etwas Endgültiges zur Sicherung von HDW beitragen wollen, dann setzen Sie sich dafür ein, dass die USA die erforderlichen Komponenten für den U-Boot-Bau erwerben können, die sie für einen Export nach Taiwan und nach Israel benötigen. Gewähren Sie aber auch die erforderlichen Landesbürgschaften, die für den Überwasserschiffbau erforderlich sind.

Als politisch Verantwortliche sollten wir jetzt gemeinsam um die besten Konzepte streiten für den Erhalt des Werftenstandortes Schleswig-Holstein, aber auch Einigkeit im Ziel erkennen lassen: HDW muss als Universalwerft erhalten bleiben!