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20.06.02
17:43 Uhr
CDU

Herlich Marie Todsen-Reese:Es fehlt die Kraft für umfas-sende Novellierung

LANDTAGSFRAKTION S C H L E S WI G - H O L S T E I N

Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.cdu.ltsh.de e-mail:info@cdu.ltsh.de
PRESSEMITTEILUNG
Nr. 269/02 vom 20. Juni 2002 Umweltpolitik TOP 9 Herlich Marie Todsen-Reese: Es fehlt die Kraft für umfassende Novellierung
Wir alle wissen –und das schon relativ lange – das etliche umweltrelevante europarechtliche Vorschriften in Landesrecht umgesetzt werden müssen. Diese Notwendigkeit ist unstrittig!
Dazu gehören die Vogelschutz-Richtlinie, die FFH-Richtlinie, die UVP-Änderungsrichtlinie, die IVU-Richtlinie und die Zoo-Richtlinie.
Wir haben lange auf die Vorlage des Artikelgesetzes warten müssen. Schleswig-Holstein ist spät dran und nimmt bei der Umsetzung eher einen der hinteren Plätze im bundesweiten Vergleich ein.
Dafür könnte man ja angesichts der schwierigen und komplexen Rechtsmaterie noch Verständnis haben, wenn die Landesregierung die ausführliche Bearbeitungszeit für einen wirklich „großen Wurf“ genutzt hätte. Aber davon ist der vorgelegte Regierungsentwurf wirklich weit entfernt!
Warum haben Sie – Herr Minister Müller – nicht die Chance genutzt, alle notwendigen Anpassungen an europarechtliche und bundesrechtliche Vorschriften in einem einzigen Verfahrensschritt durch eine umfassende Novellierung durchzuziehen? Es doch überhaupt nicht zu verstehen, dass mit diesem jetzt vorgelegten Entwurf zwar endlich die Anpassung an das dritte Änderungsgesetz zum BNatSchG vom 26.08.1998 erfolgt - dass aber das erneut geänderte BNatSchG in seiner aktuellen Fassung aus diesem Frühjahr 2002 keineswegs voll berücksichtigt worden ist.
Und ebenso unverständlich ist, dass auch die EU-Wasserrahmenrichtlinie nicht im gleichen Zuge in unser Landesrecht mit umgesetzt worden ist.
Das bedeutet, dass wir uns zu einem späteren Zeitpunkt erneut mit einer umfassenden Novellierung sowohl des LNatSchG wie auch des Landeswassergesetzes werden beschäftigen müssen! Welch eine Verschwendung von wichtigen Ressourcen: von Zeit und Arbeitskraft und damit auch Geld! Und wie soll ich vor diesem Hintergrund Ihre Aussage vor der Mitgliederversammlung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Landwirtschafts- und der Umweltverwaltung am 13. Juni 2002 in Schwabstedt verstehen – Herr Minister Müller? Sie sollen dort erklärt haben, dass Sie das LNatSchG in einer Legislaturperiode nicht zwei Mal ändern werden.
Was heißt das konkret? Werden Sie noch in dieser Legislaturperiode das LNatSchG umfassend novellieren ja oder nein?
Welchen Arbeitsauftrag mit welchen Zeitvorgaben hat die Arbeitsgruppe, die nach meiner Information am Anfang dieses Jahres ressortübergreifend zur Novellierung des LNatSchG eingesetzt worden ist? Dazu hätte ich gerne in unserer heutigen Debatte eine eindeutige Antwort von Ihnen, Herr Minister!
Wir wissen doch was wir eigentlich brauchen und wollen: eine Entfrachtung des undurchdringlich gewordenen Gesetzes-Dickichts von allen überflüssigen Ballaststoffen.
Wir brauchen Freiräume – Ermessensspielräume, wenn wir modernen Naturschutz gemeinsam mit den Menschen gestalten und umsetzen wollen.
Warum fehlen noch immer Weitsicht und Kraft für eine umfassende Novellierung, Straffung und Vereinfachung der Umweltvorschriften in Schleswig-Holstein? Im schleswig- holsteinischen Umweltrecht gab es – laut meiner Kleinen Anfrage 14/2047 aus 1999 – mit
• 10 umweltrelevanten Gesetzen, • 346 umweltrelevanten Verordnungen und • 136 umweltrelevanten Verwaltungsvorschriften
zusammen fast 500 Vorschriften im Landesrecht.
Ich gehe davon aus, dass sich diese Zahl seither nicht verringert, sondern eher erhöht hat. Und dieses Landesartikelgesetz leistet dazu einen weiteren Beitrag.
Ich halte diese Entwicklung für kontraproduktiv!
Unabhängig von dieser grundsätzlichen Kritik werden wir uns in den nächsten Monaten mit den vorgelegten Neuregelungen im Detail auseinandersetzen und die übliche Anhörung in den zuständigen Ausschüssen führen.
Aus der Fülle der Diskussionspunkte will ich nur wenige Beispiele nennen:
1. Eine zentrale Frage wird sein, ob die EU-Vorschriften 1:1 umgesetzt worden sind oder ob die Landesregierung die Gelegenheit genutzt hat – wie verschiedentlich kritisiert – in Teilen eine Verschärfung über die europäischen- und die bundesrahmenrechtlichen Vorgaben hinaus vorzunehmen. Dieses werden wir nicht mitmachen!
2. Unserer besonders kritischen Aufmerksamkeit empfehle ich die immer wieder bemühte Behauptung – ich zitiere aus den Erläuterungen: dass „keine höheren Kosten bzw. kein höherer Verwaltungsaufwand“ entsteht und dass „für die Wirtschaft ... Hemmnisse abgebaut“ werden.
Die Erfahrung lässt eher das Gegenteil befürchten: mehr Planungsaufwand, mehr Verwaltungsaufwand, mehr Gutachten und das heißt im Klartext: mehr Bürokratie, mehr Arbeitsaufwand und mehr Kosten. Diese Sorge wird auch in verschiedenen Stellungnahmen deutlich zum Ausdruck gebracht. In Mecklenburg-Vorpommern ist man mit dieser Bewertung sehr viel sorgfältiger und ehrlicher umgegangen! 3. Ich vermisse neue konzeptionelle Ansätze für eine moderne bürgernahe Umweltverwaltung unter deutlich stärkerer und konsequenterer Einbindung der kommunalen Ebene. Warum schaffen Sie es nicht, Herr Minister Müller, die Kreise, Städte, Ämter und Gemeinden wirklich in die Aufgabenwahrnehmung einzubinden? Warum gibt es immer wieder nur halbherzige Regelungen, mit denen Sie den Widerstand und die Kritik der kommunalen Ebene provozieren; insbesondere wieder ausgelöst durch die Stärkung der Staatlichen Umweltämter?
Besonders kümmern werden wir uns zum Beispiel auch um
• § 21 b – Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen auf geschützten Flächen, • § 39 – Erweiterung des Betretungsrechtes und • § 42 – Entschädigungsregelungen.
Wir werden nicht akzeptieren, dass die Rechte der Eigentümer noch weiter eingeschränkt werden. Hier ist die Schraube bereits deutlich überzogen worden. Wenn Sie es mit dem partnerschaftlichen Naturschutz ernst meinen, können Sie es genau an diesen Stellen des Gesetzes mit vernünftigen Lösungen unter Beweis stellen.
4. Ich vermisse eine Neuordnung und Neugestaltung der Eingriffs-Ausgleichsregelung, die den verantwortlichen Behörden mehr Ermessensspielraum gibt, sowohl bei dem unmittelbaren „Ausgleich in der Natur“ wie auch bei der Verwendung der Ersatz- und Ausgleichsgelder z. B. für Vertragsnaturschutz und Umweltbildung. Die derzeitigen Regelungen sind wie ein Zwangskorsett, das vor allem auch manche ökologisch sinnvollen und nachhaltigen Lösungen und Maßnahmen verhindert.
5. Gerade die Umsetzung der UVP-Bestimmungen muss noch einmal sehr kritisch unter die Lupe genommen werden. Nach einem ersten Eindruck müssen wir hier besonders aufpassen, dass wir keine unnötigen Doppelregelungen bekommen.
Dazu gehört auch die Frage, welche Vorhaben in welchen größenmäßigen Abgrenzungen von der Vorprüfungspflicht erfasst werden sollen!
Es ist z. B. nicht zu erkennen, dass es rechtlich erforderlich ist, Erstaufforstungen bereits ab 10 ha einer standortbezogenen Vorprüfung zu unterwerfen. Meines Erachtens haben wir bereits im Naturschutzrecht und im Landeswaldgesetz ausreichende Regelungen, um Erstaufforstungen – die wir doch eigentlich wollen - umweltverträglich zu gestalten!

Ein klassisches Beispiel für Überreglementierung im Regierungsentwurf, die kein Mehr für Naturschutz bringt – sondern nur ein Mehr im Gesetzesdickicht.
6. Zum vorgelegten Landes-UVP-Gesetz hat der Arbeitskreis „Eigentum und Naturschutz“ einen stark vereinfachenden Vorschlag gemacht. Ich bin gespannt, ob es rechtstechnisch, fachlich und politisch möglich sein wird, einen solch interessanten Vorschlag zur Gesetzesvereinfachung zu übernehmen.
7. Interessant ist auch die Änderung des LNatSchG im § 1 Abs. 2 Nr. 17 „Historische Kulturlandschaften (z. B. Knicklandschaften, Gutslandschaften oder halboffene Weidelandschaften) ... sind zu erhalten.“ – mit der die halboffenen Weidelandschaften nunmehr rechtsverbindlich geschützt werden sollen. Ich kann wirklich nicht die dringende, unabweisbare Notwendigkeit erkennen, diese Ergänzung vorzunehmen. Auch ohne diese gesetzlichen Regelungen entstehen zur Zeit bereits halboffene Weidelandschaften in Schleswig-Holstein – und das ist gut so!
Warum also eine weitere rechtliche Absicherung, frage ich Sie, Herr Minister?
Sollte es sich hierbei um den Versuch handeln, durch diese rechtliche Verankerung die Bestimmungen des § 15 b – LNatSchG – „besondere Vorschriften für Knicks“, für die halboffenen Weidelandschaften außer Kraft zu setzen, dann halte ich den Versuch für untauglich.
Hier sollten Sie lieber klar Farbe bekennen: Wenn Sie halboffene Weidelandschaften wollen, müssen Sie auf diesen Flächen eine Überweidung – auch von Knicks – als „naturgegeben“ hinnehmen und akzeptieren.
Das erfordert für mich vielmehr eine entsprechende Freistellung in § 15 b im Rahmen von Ausnahmetatbeständen! Allerdings muss auch geklärt werden, wie zu begründen ist, dass Knicks in halboffenen Weidelandschaften rechtlich anders behandelt werden als die übrigen Knicks!
8. Unbefriedigend und halbherzig sind die neuen Formulierungen in § 2 LNatSchG zu den vertraglichen Vereinbarungen. Ich fordere nach wie vor für meine Fraktion, den gesetzlich verankerten Vorrang des Vertragsnaturschutzes vor ordnungsrechtlichen Maßnahmen!
9. Und eine zentrale Forderung bleibt die Neustrukturierung, Modernisierung und Straffung von Landschaftsplanung und Landesraumordnungsplanung.
10. Die Einführung des § 18 a und damit des Biosphärenreservates in das LNatSchG hat zu vielfältiger Kritik bis zur Forderung nach Ausschluss geführt. In der weiteren Diskussion sollten wir uns intensiv mit dem ursprünglichen Sinn und Zweck des UNESCO- Programmes „Man and Biosphere“ einerseits und der rechtlichen Umsetzung im Bundesnaturschutzgesetz und Landesnaturschutzgesetz andererseits auseinandersetzen. Vielleicht kann das dann auch zu mehr Akzeptanz für dieses Programm führen.
abschließend fasse ich noch einmal zusammen: • Dieser rot-grüne Gesetzentwurf ist nicht der große Wurf! • Dieser Gesetzentwurf bringt ein Mehr an Planungsaufwand, an Verwaltungsaufwand und an Gutachten! • Er verursacht mehr Bürokratie, mehr Arbeitsaufwand und damit mehr Kosten! • Wir werden in den weiteren Beratungen nichts unversucht lassen, um über ein Mehr an Entbürokratisierung und Entfrachtung ein deutliches Mehr an modernem, partnerschaftlichem Naturschutz in Schleswig-Holstein zu erreichen.