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20.06.02
15:50 Uhr
CDU

Martin Kayenburg: Parlamentsreform muss auch ein Thema werden

LANDTAGSFRAKTION S C H L E S WI G - H O L S T E I N

Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.cdu.ltsh.de e-mail:info@cdu.ltsh.de
PRESSEMITTEILUNG
Nr. 265/02 vom 20. Juni 2002 Innenpolitik TOP 10 und 42 Martin Kayenburg: Parlamentsreform muss auch ein Thema werden
Die eigentlich jährliche Diskussion über eine Erhöhung der Diäten lässt in der Öffentlichkeit allzu leicht den Eindruck entstehen, das Parlament hätte eine Selbstbedienungsmentalität entwickelt. Dabei erfüllen wir regelmäßig einen gesetzlichen, durch das Bundesverfassungsgericht bestätigten Auftrag, dem wir uns nicht entziehen können.
Alle Parlamente in dieser Republik erleben immer wieder dasselbe Phänomen: Es gibt eine gewisse Scheu vor einer offenen und öffentlichen Diskussion über eine angemessene Erhöhung der Entschädigung der Abgeordneten, einerseits auch, weil die Festsetzung der Diäten regelmäßig von kritischen Betrachtungen vor allem durch die Presse begleitet wird und andererseits weil niemand damit politische Erfolge erzielen kann.
Dennoch ist es klug und zwingend notwendig, dass wir diese Diskussion öffentlich und vor allem auch transparent führen. Damit können wir auch dem Risiko vorbeugen, dass von interessierter Seite - wie zum Beispiel vom Steuerzahlerbund - Fehlinterpretationen in die Öffentlichkeit getragen werden, die unserem verantwortlichen Umgang mit dem Thema nicht gerecht werden.
Mit der heutigen Ersten Lesung des Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes beginnen wir ein normales parlamentarische Verfahren. Die Grundüberlegungen des höchsten deutschen Gerichtes zur Angemessenheit von Abgeordnetenbezügen werden uns dabei genauso leiten wie der Bericht der Diätenkommission. Der Aufgabe, selbst über unser Einkommen entscheiden zu müssen, können wir uns nicht entziehen, und zwar auch dann nicht, wenn wir eine Anlehnung der Vergütung zum Beispiel an eine Richterbesoldung festschreiben. Abgeordnete werden nach Art. 3 Landesverfassung, der insoweit mit Art. 38 Abs. 1 GG übereinstimmt, in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer, geheimer und freier Wahl gewählt. Sie sind Vertreter der Bürgerinnen und Bürger des Landes und erlangen diesen Status mit der Annahme des durch die Wahl verliehenen Mandats. Dieses Mandat ist frei, das heißt die Gewählten sind allein ihrem Gewissen, ihrer dem Wohl des Volkes verpflichteten Überzeugung unterworfen; an Aufträge und Weisungen sind die Abgeordneten nicht gebunden.
Die einzelne Mandatsträgerin beziehungsweise der einzelne Mandatsträger sind Inhaber eines öffentlichen Amtes. Dieses Amt muss vor dem Hintergrund des Art. 38 Abs. 2 GG, der die gleichen Wahl- und Wählbarkeitsvoraussetzungen postuliert, so ausgestaltet sein, dass jedermann - unabhängig von der aktuellen Lebenssituation und vom Alter, aber auch unabhängig auch von der beruflichen Position - in der Lage sein muss, sich um ein Mandat zu bewerben und es zu übernehmen. Entsprechend sind die mit diesem Amt verbundenen materiellen Bedingungen zu gestalten.
Es muss weiterhin berücksichtigt werden, dass die dem Parlament von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben, insbesondere bei der Gesetzgebung und bei den Kontrollfunktionen im Rahmen der Gewaltenteilung, gegenüber den anderen verfassungsrechtlichen Gewalten, vor allem gegenüber Regierung und Verwaltung, ein hohes Maß an politischer Professionalität und fachlicher Spezialisierung erfordern.
Seit langem ist außerdem anerkannt, dass das Mandat überwiegend als politischer Hauptberuf ausgeübt wird. Vor diesem Hintergrund fordert es das Prinzip des chancengleichen Zugangs zum Abgeordnetenmandat, aber auch der Grundsatz der repräsentativen Demokratie, dieses Amt finanziell so auszugestalten, dass sich Berufsgruppen mit höherem Einkommen wegen zu befürchtender Einkommens- oder Vermögenseinbußen nicht von vorneherein an einer Bewerbung um ein solches Amt gehindert sehen. Auch für jüngere Mitbürger bietet eine angemessene Ausstattung Anreize für ein politisches Engagement.
Die Entschädigung der Abgeordneten muss nach den Vorgaben der Verfassung daher so gestaltet sein, dass es sich im wahrsten Sinne des Wortes jeder „leisten“ kann, ein Mandat wahrzunehmen.
Unser Ziel muss es sein, Mitglieder aus allen Berufsgruppen zu gewinnen, die mit dem politischen Amt eines Landtagsabgeordneten die politische Rahmen- und Lebensbedingungen für unser Land mitgestalten wollen.
Wir brauchen ein Parlament mit guten, ja exzellenten Köpfen, und die bekommen wir nur, wenn wir das Amt - mit Einkommensmöglichkeiten, bei der öffentlichen Hand und in der freien Wirtschaft vergleichbar - materiell angemessen ausstatten.
Die Thüringer Diätenregelung, die der unseren entspricht, wurde 1991 vor dem Bundesverfassungsgericht beklagt. Seit diesem Zeitpunkt sind im Hinblick auf die zu erwartende Verfassungsgerichtsentscheidung Grundsatzdiskussionen über materielle und strukturelle Veränderungen der Abgeordnetenentschädigung in Schleswig-Holstein unterblieben, die verfassungsgemäß eigentlich erforderlich gewesen waren. Wegen der schwebenden Gerichtsverfahren sind aber lediglich geringfügige Anpassungen erfolgt. In der Skala der absoluten Diätenhöhe rangiert Schleswig-Holstein auch deshalb zur Zeit am unteren Ende der Länderskala.
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 21. Juli 2000 ist jetzt die Voraussetzung - und für uns auch die Verpflichtung - geschaffen, tätig zu werden. Der Präsident hatte deshalb für den Landtag eine Diätenkommission berufen, die uns ihre Vorschläge unterbreitet hat - Vorschläge wie gesagt.
Die Diskussion über das Kommissionsergebnis steht jedem frei, die Entscheidung über ein neues Abgeordnetengesetz ist aber allein Aufgabe und Verpflichtung des Parlaments.
Ich will allerdings nicht verschweigen, dass mir die öffentliche Diskussion in den letzten Wochen zu emotional und zu unsachlich war. Ich will aber auch nicht bestreiten, dass wir es - alle gemeinsam - auch ein Stück an Transparenz und professioneller öffentlicher Darstellung haben mangeln lassen.
Abgeordnete haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Der Präsident des Deutschen Bundestages hat deshalb in mehreren Plenardebatten und zuletzt in seinem Bericht vom 21. April 1999 festgestellt, dass er die Abgeordnetenentschädigungen für Bundestagsabgeordnete analog den Bezügen der Bundesrichter bei R 6 oder von Beamten bei der Besoldungsgruppe B 6 sieht. Von daher erscheint der Vorschlag unserer Diätenkommission, das Grundgehalt der Abgeordneten an der Richterbesoldung R 2 zu orientieren, durchaus für angemessen.
Allerdings sind wir bei einzelnen Fragen wie zum Beispiel der Fahrtkostenerstattung und der Aufwandsentschädigung aus grundsätzlichen Erwägungen anderer Auffassung als die eingesetzte Kommission.
Wo bleibt der Gesichtspunkt der Gleichheit des Mandats, wenn Abgeordnete einem unterschiedlich hohen Aufwand betreiben müssen, um zu ihrem Arbeitsort im Landeshaus zu kommen? Und es ist doch sicher ein Unterschied, ob jemand aus Ratzeburg oder aus Neumünster anreist.
Und wo bleibt die Gleichheit des Mandats bei den unterschiedlichen vermögensabhängigen Möglichkeiten zur Geltendmachung von Werbungskosten? Ganz abgesehen von den Problemen bei der dann notwendig werdenden steuerlichen Anerkennung des tatsächlichen Aufwandes. Wo bleibt eigentlich die Unabhängigkeit des Mandates, wenn die Angemessenheit von Werbungskosten und Spesen der Entscheidung eines Finanzbeamten unterfällt, der gegebenenfalls auch Anspruch darauf hat, die Namen unserer Gesprächspartner zu erfahren?
Erwähnen will ich zudem unser Selbstverständnis, das ich auch unter dem Aspekt der Leistungsgerechtigkeit und Vergleichbarkeit mit den anderen deutschen Parlamenten betrachten möchte. Ohne hier und heute in Details gehen zu wollen, darf und muss man feststellen, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag sein Einkommen in der Vergangenheit - mit einer durchschnittlichen jährlichen Erhöhung von 1,22 % in den letzten 6 Jahren - mit Augenmaß festgelegt hat. Auch jetzt wollen wir verantwortungsvoll und unserem verfassungsgemäßen Auftrag entsprechend die Beratungen führen.
Wir haben deshalb die Landesregierung aufgefordert - übrigens in Bezug auf den Kommissionsvorschlag - zur Neuregelung der Alters- und Krankenversicherung eine entsprechende Bundesratsinitiative zu ergreifen. Damit wird auch klar, dass wir grundsätzlich bereit sind, diesen Weg bei adäquaten Lösungsmöglichkeiten mitzugehen.
Ebenso wenig werden wir uns auch einer grundlegenden Parlamentsreform verschließen. Es ist permanente Aufgabe des Parlaments, das eigene Tun, die eigenen Strukturen und auch deren Angemessenheit zu überprüfen. Deshalb müssen wir uns auch überlegen, wie wir zum Beispiel unsere Parlamentsarbeit beleben, wie wir unsere Plenardebatten von weniger wichtigen Dingen entlasten, wie wir die Ausschüsse in ihrer Arbeit stärken und wie wir Redezeiten - gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Fraktionsstärken - gestalten und organisieren wollen.
Wir wollen aber auch über die Größe des Parlaments beraten. Für die Union ist dies übrigens kein neuer Ansatz, denn sowohl in Partei wie auch in Fraktion ist es erklärtes Ziel, die Zahl der Abgeordneten auf 75 zu begrenzen. Wir wollen gerne mit Ihnen erneut und ergebnisorientiert über Wege dorthin diskutieren. Da wird zunächst über die rechtlichen Möglichkeiten zu reden sein, aber meines Erachtens müssen wir uns auch die Frage stellen, ob Zahl und Größe der Wahlkreise ein absolutes Tabu bleiben müssen.
Wir haben heute den Gesetzentwurf gemeinsam mit SPD, FDP und SSW vorgelegt. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen ist aus dem gemeinsamen Antrag ausgeschert.
Wenn ich den Antrag der Grünen richtig werte, so erkennen Sie die Angemessenheit der Höhe der Abgeordnetenentschädigung bei R 2 an.
Über die Höhe der anerkannten Funktionszulagen wird im Ausschuss beraten werden.
Im übrigen greifen die Grünen Diskussionen aus der Arbeitsgruppe auf, soweit sie das Tagegeld sowie die so genannten „Strafgelder“ bei Abwesenheit betreffen, alles Punkte, über die man offen diskutieren kann.
Nach wie vor hoffe ich, dass alle Fraktionen in diesem Hohen Haus sich ihrem Verfassungsauftrag bewusst sind und auf der Grundlage der rechtlichen Verpflichtung letztendlich eine sachgerechte Entscheidungen treffen und sich nicht von wohlfeilem Populismus leiten lassen. So weit, meine ich, sind wir insgesamt auch nicht auseinander.
Ich beantrage Überweisung unseres Gesetzentwurfes sowie des Antrags von Bündnis 90/Die Grünen in den Innen und Rechts-Ausschuss.