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16.05.02
15:14 Uhr
CDU

Jost de Jager: Präzision bleibt auf der Strecke

LANDTAGSFRAKTION S C H L E S WI G - H O L S T E I N

Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.cdu.ltsh.de e-mail:info@cdu.ltsh.de
PRESSEMITTEILUNG Nr. 219/02 vom 16. Mai 2002
TOP 20 Jost de Jager: Präzision bleibt auf der Strecke Wir haben es hier mit einem etwas rätselhaften Tagesordnungspunkt zu tun. Über Maßnahmen zur Qualitätssicherung an den Schulen soll die Landesregierung berichten und dieser Bericht ist so dringlich, dass er nicht wie sonst üblich in schriftlicher Form zur nächsten Sitzung vorgelegt werden soll, nein, dieser Bericht duldet offenbar keinen Aufschub, er muss gleich mündlich gehalten werden.

Bei dieser plötzlichen Hektik von Bündnis 90 / Die Grünen und SPD bleibt allerdings die Präzision auf der Strecke. Was genau die Kollegen Birk und Höppner wissen wollen, bleibt im Unklaren und so nehme ich dankbar die Gelegenheit zu einer Generaldebatte auf.

Interessant an diesem Thema ist vor allem, welche Maßnahmen zur Qualitätssicherung an den Schulen die Landesregierung in den vergangenen Jahren nicht ergriffen hat.

Zum Beispiel in der Unterrichtsversorgung. Klar ist, dass die beste Maßnahme zur Qualitätssicherung immer noch eine gute Unterrichtsversorgung in Schleswig- Holstein ist. Und hier hapert es an allen Ecken und Enden. Ich könnte da aus den verschiedenen Statistiken zitieren, ich will aber viel lieber auf die Briefe eingehen, die uns und alle anderen Kollegen hier im Hause von Elternvertretern, von Schülern, von den Schulen insgesamt erreichen. Wenn z. B. wie neulich die Fachschaft Sport an der Integrierten Gesamtschule in Eckernförde alle Fraktionen anschreibt und sie auf die Situation des Sportunterrichts an der Schule hinweist. Kein Einzelfall. Wir wissen von der Käthe-Kollwitz-Schule hier in Kiel, dass dort Abiturienten nachmittags Sportunterricht nachgeholt haben, weil sie sonst die Hochschulzulassung in einigen Bundesländern Deutschlands nicht erhalten hätten. Wir lesen von dem Gymnasium Kronshagen in den Kieler Nachrichten, wo Eltern jetzt privat Musikunterricht finanzieren, weil er sonst nicht erteilt werden kann. Wir kriegen Briefe von Eltern und Schülern, die nicht verstehen, dass gerade auch im Hamburger Rand die Klassen immer voller und trotzdem Lehrer abgezogen werden. Für diese besagten Eltern und Schüler klingen die Maßnahmen, die die Ministerin eben aufgeführt hat, wie Nachrichten aus einer fernen Welt. Sie wollen zunächst einmal, dass Unterricht erteilt wird.

Und vor dem Hintergrund, meine Damen und Herren, ist es geradezu unterlassene Hilfeleistung, wenn das Ministerium 78 Planstellen, für die eine Ermächtigung des Haushaltsgesetzgebers vorliegt, nicht an die Schulen weitergibt. Dies können Sie den Betroffenen nicht vermitteln und wir werden Sie so lange an diese 78 Planstellen erinnern, bis Sie sie am Ende doch noch an die Schulen geben.

Eine weitere Unterlassungssünde in punkto Qualitätssicherung ist die verschleppte Einführung einer Hauptschulabschluss-prüfung.

Die CDU-Fraktion fordert dies in großer Übereinstimmung mit den ausbildenden Betrieben und mit vielen Lehrerverbänden bereits seit zwei Jahren. Im Jahr 2000 haben wir den Versuch einer interfraktionellen Initiative gestartet, der bei den anderen Fraktionen seinerzeit auf Desinteresse gestoßen ist. Im Jahr 2001 haben wir einen Landtagsantrag gestellt, der noch vor genau einem Jahr in der Mai-Sitzung vergangenen Jahres mit den Stimmen aller anderen Fraktionen abgelehnt wurde. In der Debatte sagte die Ministerin: „Ich teile nun nicht Ihre Auffassung – das wissen Sie – das eine Qualitätsverbesserung allein durch eine Abschlussprüfung erreicht wird, die für alle zum selben Zeitpunkt von oben verantwortet wird.“

Aber siehe da: Ein Jahr später schlagen Sie, Frau Erdsiek-Rave, die Einführung einer Hauptschulabschluss-prüfung vor, die haargenau unseren Vorstellungen entspricht. Nämlich jeweils einen schriftlichen Prüfungsteil in Deutsch und Mathematik sowie eine dritte Prüfung, die durch eine praktische Arbeit oder nach unseren Vorstellungen durch eine mündliche Prüfung abgelegt werden kann.

Nun freut sich ja bekanntlich das Himmelreich mehr über einen reuigen Sünder als über 99 Gerechte. Aber dennoch fragt man sich, warum bei Ihnen die Einsichtsfähigkeit immer so lange braucht. Das Motto Ihrer Bildungspolitik, Frau Erdsiek-Rave, lässt sich zunehmend zusammenfassen mit den „3 Z: zögern, zaudern, zeitversetzt umsetzen.“

Es ist ja offensichtlich, dass Qualitätssicherung etwas mit Qualitätsmessung und Leistungsfeststellung zu tun hat. Diese kann durch Prüfungen einzelner Schüler geschehen, sie kann und sollte aber auch durch den Leistungsvergleich von Schulen geschehen.

Leistungsvergleiche haben seit PISA Konjunktur und auch die Ministerin hat die Debatte durch einen Vorschlag bereichert, indem sie einen Schul-Tüv vorgeschlagen hat.

Dieser Vorschlag zäumt das Pferd jedoch von hinten auf, weshalb der Vorschlag gerade von den Lehrern zu Recht als eine Zumutung empfunden wurde. Denn bevor die Schulen zum TÜV müssen, gehört zunächst einmal die rot-grüne Bildungspolitik auf denTÜV.

Ein Schul-Tüv nämlich, bei dem eine Gutachtergruppe von drei Personen (von denen für zwei die Schulaufsicht sowieso jetzt schon das tägliche Geschäft ist) Schulen nach Kriterien begutachtet, die bisher niemand kennt und mit Ergebnissen, von denen niemand erfährt, schafft mehr Probleme als er löst. Das Ergebnis wird, wie bei vielen Evaluationen, die Schaffung einer Beurteilungsbürokratie sein, in der viel passiert, aber nichts geschieht. Aktionismus.

Die CDU-Landtagsfraktion ist keineswegs gegen Schulleistungsvergleiche, im Gegenteil. Aber: 1. Die Bedingungen solcher Schulleistungsvergleiche müssen klar sein. Nach unseren Vorstellungen muss die Basis von Schulleistungsvergleichen in zentralen Prüfungen bestehen, deren Voraussetzung wiederum Lehrpläne mit einem höheren Grad an verlässlichen Inhalten sind.

Man mag über das Für und Wider zentraler Prüfungen streiten. Klar ist aber, dass die Hälfte der Bundesländer, darunter auch SPD-geführte, zentrale Prüfungen abnehmen und ebenso offenkundig sind zentrale Prüfungen das klarste Kriterium für Schulleistungsvergleiche.
2. Schulleistungsvergleiche müssen öffentlich sein, d. h. die Ergebnisse, auch die der zentralen Prüfungen müssen öffentlich gemacht werden und sie können unserer Auffassung nach auch in Form eines Ranking veröffentlicht werden. Dieses Ranking ist dann zu ergänzen durch sogenannte Schulportraits, in denen die Schule die Möglichkeit hat, alle schulrelevanten Daten bekannt zu machen und alle Angebote und Leistungen, die die Schule darüber hinaus bereithält, von Arbeitsgemeinschaften bis Schulpatenschaften über besondere Profile und Schwerpunkte.

3. Wir glauben, dass in solchen öffentlichen Schulleistungsvergleichen tatsächlich ein Mittel liegt, Leistungen von Schulen zu vergleichen und ein Anreiz zu schaffen für eine Steigerung der Leistung von denjenigen Schulen, die dabei nicht so gut abgeschnitten haben. Es ist kein System, bei dem der Schlechte bestraft werden soll, sondern es ist ein System, bei den man den schlechten Schulen in besonderer Weise auch unter die Arme greifen muss.
Es kann nicht sein, dass wir auf Dauer auf die Ergebnisse internationaler Vergleichsstudien angewiesen sind um den Zustand unseres Schulwesens zu erfassen. Aus diesem Grunde brauchen wir Schulleitungsvergleiche u. a. auch als ein Frühwarnsystem, wo es unter Umständen problematische Entwicklungen gibt und wo wir landespolitisch / schulpolitisch eingreifen müssen.

Natürlich kenne ich die Gegenargumente und politisch korrekte Reflexe gegen zentrale Prüfungen und Rankings, denen wir in den vergangenen Woche begegnet sind. Als Gegenargument heißt es immer wieder: Leistung sei individuell, jede Schule sei viel zu unterschiedlich, um verglichen zu werden. Aber im Sinne einer Ergebnisorientierung muss natürlich die Leistung von Schülern, wenn sie die Schule verlassen haben, sehr wohl vergleichbar sein. Das bedeutet auch, dass die Leistungsstandards innerhalb der Schulen vergleichbar sein müssen.

Wir glauben, dass Schüler und Eltern ein Recht darauf haben, zu wissen, wo die Schule steht, auf die ihr Kind gerade geht. Machen wir uns nichts vor: Natürlich vergleichen Schülerinnen und Schüler und natürlich vergleichen Eltern die Schulen schon jetzt. Was derzeit läuft, ist ein Ranking im Selbstbausatz. Wir wollen, dass es ein Schulvergleich nach klaren Kriterien wird, der der einzelnen Schule auch tatsächlich gerecht wird. Wir wissen, dass dies eine Maßnahme ist, die auch Gegenreaktionen erzeugen wird, aber wer glaubt, er könne nach PISA ausschließlich Konsequenzen ziehen, die niemandem weh tun, der hat nicht begriffen, was in PISA steht.