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21.02.02
10:56 Uhr
CDU

Manfred Ritzek: Mehr demokratische Teilhabe in der EU

LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N

Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.landsh.de/cdu-fraktion/ e-mail:fraktion@cdu.landsh.de
PRESSEMITTEILUNG Nr. 91/02 vom 21. Februar 2002
TOP 21, 22 und 39 Manfred Ritzek: Mehr demokratische Teilhabe in der EU
Den Kontinent zu einen, eine im globalen Maßstab wettbewerbsfähige, freiheitliche und soziale Stabilitätsordnung in Europa zu schaffen, das sind die Inhalte allen europäischen Handels für ein in Frieden und Freiheit vereintes Europa.
Sehen das die Menschen auch so? Und sind die EU-Strukturen, -Kompetenzen, - Institutionen geeignet, Europa in die Zukunft zu führen? Die Beantwortung dieser Fragen ist leider nicht positiv. Die Meinung der Menschen ist ein Spiegelbild für das Erleben der EU. Nach der jüngsten Allensbach-Umfrage blicken 42 % der Deutschen mit "mehr Sorge" auf die Vereinigung Europas, nur 28 % mit "mehr Freude". Gar 54 % der Bundesbürger glauben, dass die Erweiterung um neue Mitglieder die EU schwächen wird und bei der Frage nach der politischen Wichtigkeit der Erweiterung stimmen die Deutschen zu 68 % mit Nein und nur mit 20 % mit Ja. Mit dieser Bewertung sind wir das Schlusslicht in Europa.
Ich hätte mir gewünscht, dass auch sie in Ihrem Europabericht 2001 etwa über die Europa-Akzeptanz der Schleswig-Holsteinischen Bürgerinnen und Bürger gesagt hätten.
Diese Beurteilung wirft eine ernste Frage für die deutsche Europapolitik auf.
Warum ist die politische Führung nicht in der Lage, Europa den Menschen näher zu bringen? Wie erkennen wir Europa vor Ort?
Es gibt, wie Sie, Frau Ministerpräsidentin, ja auch in dem Europabericht 2001 schreiben, eine Arbeitsgruppe der Europaministerkonferenz, eine Arbeitsgruppe des Bundes, eine Erklärung des Bundesrates, die alle etwas zu der Zukunft Europas sagen. Aber wo wird das wahrgenommen, wo sind die größten Gestaltungsmöglichkeiten der Länder bei der Umsetzung europäischer Politik, um den Aufgaben vor Ort besser gerecht zu werden? Es ist eine der Aufgaben der Regierung, die „Orientierung zur Kompetenzordnung“, wie auf der Ministerkonferenz vom 24.-26. Oktober 2001 definiert, mit konkretem Leben zu füllen.
Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass Sie, Frau Ministerpräsidentin, heute noch einmal Stellung nehmen zu der Konferenz von Laeken , um auch in diesem Hohen Hause die Begeisterung für die aktive Mitarbeit im europäischen Einigungsprozess zu stärken und zu fördern. Niemand sollte mehr fragen, wo Laeken liegt.
Direkt im Anschluss an das Gipfeltreffen von Nizza begann der Post-Nizza-Prozess, der die Reformbedürftigkeit der Europäischen Union aufdeckte. Das Europäische Parlament hat die bestehenden Defizite analysiert und offen aufgezeichnet.
Die entscheidenden Erkenntnisse waren, dass der Prozess der Zukunft Europas ohne weitreichende Beteiligung der Parlamente , einschließlich der nationalen Parlamente der Beitrittsländer, nicht denkbar sei, dass die Union demokratischer, transparenter, effizienter werden müsse, um auch mit 27 Mitgliedern handlungsfähig zu bleiben.
Der Europäische Rat von Laeken hat am 14./ 15. Dezember 2001 den Startschuss zur Erweiterung gegeben und erstmals offiziell bestätigt, dass im Jahre 2004 10 neue Staaten der Union beitreten werden und Laeken hat endlich das Tor aufgestoßen zu mehr demokratischer Teilhabe in der Europäischen Union. Mit der Einsetzung eines von 46 nationalen und europäischen Parlamentariern dominierten, öffentlichen Konvents könnte erreicht werden, was Regierungsvertreter und Diplomaten hinter verschlossenen Türen nicht mehr zustande brachten: Die Institutionen, Kompetenzen und Strukturen der Europäischen Union einer grundlegenden Überprüfung und Reform zu unterziehen. Amsterdam und Nizza jedenfalls haben es nicht geschafft.
Die Besetzung der Konvents-Mitglieder mit den beiden deutschen Vertretern verlief m.M.n. wenig glücklich, da es eine rein parteipolitische Entscheidung war .So wurde neben Peter Glotz als Vertreter der Bundesregierung der 65-jährige SPD- Parlamentarier Jürgen Meyer als Vertreter des Bundestages bestimmt, statt den namhaftesten deutschen Europa-Politiker Wolfgang Schäuble mit dieser Aufgabe zu betreuen. Zudem wird Jürgen Meyer dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören, also ist die dringend notwendige personelle Kontinuität für den auf 12 Monate terminierten Konvent nicht gegeben. Zu hoffen ist, dass dies die einzige parteipolische Taktik der Bundes-SPD im Konvent bleibt.
Die Erklärung von Laeken enthält eine unmittelbar auf die Beseitigung der Schwächen der EU bezogene Anhäufung von Fragen, die mit Zustimmung der Mitglieder der Regierungskonferenz definiert wurden, die im Rahmen des Konvents aufgegriffen und beantwortet werden müssen und die als Entscheidungsgrundlage für die Regierungskonferenz in 2004 gilt. Die "Hauptforderungen für Reformen in einer erneuerten Union" müssen auch die Anforderung an unsere Regierung und an unser Parlament sein, auf die wir Antworten haben müssen, um diese Forderungen in den Konvent einzubringen.
1. Fragen zur besseren Verteilung und Abgrenzung der Zuständigkeiten in der Europäischen Union. ! Welches sind ausschließlich Zuständigkeiten der Union, welche der Mitgliedstaaten, welche betreffen Union und Mitgliedstaaten? ! Auf welchen Ebenen werden die Zuständigkeiten am effizientesten wahrgenommen? ! Sollte nicht deutlicher formuliert werden, dass jede Zuständigkeit, die der Union nicht durch die Verträge übertragen worden ist, ausschließlich zum Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten gehört?
2. Fragen zur Vereinfachung der Instrumente
! Müssen die verschiedenen Instrumente der Union nicht besser definiert werden? ! Muß ihre Anzahl nicht verringert werden: direkte Normen, Rahmengesetzgebung, nicht bindende Instrumente (Empfehlungen/ Stellungnahmen). ! Sollte nicht mehr auf die Rahmengesetzgebung zurückgegriffen werden, die den Mitgliedsstaaten mehr Spielraum zur Erreichung der politischen Ziele bietet?
3. Fragen zu mehr Demokratie, Transparenz, Effizienz in der Europäischen Union
! Wie kann die demokratische Legitimation und die Transparenz der jetzigen drei Organe erhöht werden? ! Wie lässt sich die Autorität und die Effizienz der Europäischen Kommission stärken? ! Wie soll der Präsident der Kommission bestimmt werden? ! Soll die Rolle des Europäischen Parlaments gestärkt werden? ! Soll das Mitentscheidungsrecht ausgeweitet werden? ! Soll an der Wahl der Parlamentarier etwas geändert werden? ! Sollen die Bürger besseren Zugang zu den Dokumenten des Rates erhalten? ! Sollen die nationalen Parlamente in einem neuen Organ - neben dem Rat und dem Europäischen Parlament - vertreten sein? Welches wäre seine Aufgabe?
4. Fragen zum Weg zu einer Verfassung für die europäischen Bürger
! Wie kann eine Vereinfachung der bestehenden Verträge erreicht werden ohne inhaltliche Veränderung? ! Soll es eine Unterscheidung zwischen einem Basisvertrag und anderen Vertragsbestimmungen geben? ! Soll die Charta der Grundrechte in den Basisvertrag aufgenommen werden? ! Welches sind die Werte, für die die Union eintritt? ! Welches sind die Grundrechte und Grundpflichten der Bürger?
Wir müssen uns in den Konvents-Prozess aktiv einschalten mit ganz konkreten Vorschlägen und Wünschen für unsere politischen Gestaltungen. Wo sind – auf diese Fragen bezogen – konkrete Reformen notwendig, die hoffentlich heute in den Ausführungen der Ministerpräsidentin dargelegt werden.
Da ist die Beschäftigungspolitik, der Binnenmarkt, die Forschung, der Fremdenverkehr, die Gesundheitspolitik, die Asyl-, Flüchtlings-, Zuwanderungspolitik, die polizeiliche Zusammenarbeit, die Justizpolitik, die Sozialpolitik, die Agrarpolitik, die Steuerpolitik, die Struktur- und Regionalpolitik, die Umweltpolitik, Verkehrs- und Wettbewerbspolitik. An den Konvent werden hohe Anforderungen gestellt, soll er erfolgreich sein.
! Der Konvent muss für die interessierte Öffentlichkeit geöffnet sein. Er muß alle zivilgesellschaftlichen Gruppen weitgehend einbeziehen. Foren zu zentralen Themen des Konvents sollten intensiv genutzt werden. Das ist auch eine Aufgabe der Landesregierung und des Parlaments. ! Die Beitrittsländer werden ebenso stark wie die Mitgliedsstaaten im Konvent vertreten sein, auch wenn sie bis zum Abschluss der Beitrittsverhandlungen noch auf ihr Stimmrecht verzichten müssen. Auch hier können und sollten wir über unsere Kontakte zu den entsprechenden Ostseeanrainerstaaten Ideen für die Einbringung in den Konvent austauschen. Es wäre gleichzeitig eine Gelegenheit, die Distanz zwischen alten und zukünftigen Mitgliedstaaten zu überwinden. ! Natürliche Bündnispartner des Konvents sind die Parlamente: Sie müssen diese Partnerschaft ernst nehmen, indem sie ein effizientes Monitoringsystem entwickeln. Das gilt auch für unser Parlament. Regelmäßig werden die Parlamente der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union den Verhandlungsstand debattieren und sich eng mit den Delegierten abstimmen und sich stützen müssen. ! Der Konvent sollte mindestens einen Zwischenbericht seiner Arbeit vorstellen, der dann intensiv und kritisch vom Europäischen Parlament, den nationalen und Länder-Parlamenten und der Öffentlichkeit zu durchleuchten ist. Es wäre grob fahrlässig, allein den Europäischen Räten und damit den nationalen Regierungen die aktive Begleitung der Verfassungsgebung zu überlassen. ! Die nationalen Parlamente, auch unser Parlament, sollten sich als Bündnispartner des Konvents innerstaatlich neue Kompetenzen erstreiten.
Was dürfen wir von dem Konvent erwarten, der ab dem 1. März für ein Jahr lang seine Arbeit aufnimmt?
Die Erklärung von Laeken eröffnet der Versammlung große Spielräume. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht alternativlos die Stärkung der Demokratie und der Handlungsfähigkeit.
Der vom Konvent verfasste Vorschlag als Konventsergebnis kann nur schwer von den Staats- und Regierungschefs auf der Konferenz im Jahre 2004 abgelehnt werden. Denn es wird ein Vorschlag sein, der mehrheitlich von direkt gewählten und damit von direkt demokratisch legitimierten Vertretern der europäischen Völker verfasst wurde, aber auch ein Vorschlag, in dem auch unsere Ideen einen Widerhall finden müssen. Wir sind gespannt darauf, welche Vorschläge Sie uns, Frau Ministerpräsidentin, zu institutionellen Reformen und Kompetenzneuordnung vorstellen werden.
Zur weiteren Behandlung bitte ich um Zustimmung zur Überweisung in den Europaausschuss.