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10.05.01
10:13 Uhr
CDU

Helga Kleiner: Ältere behinderte Menschen ernst nehmen

LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N

Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.cdu.ltsh.de e-mail:info@cdu.ltsh.de
PRESSEMITTEILUNG Nr. 192/01 vom 10. Mai 2001

TOP 6 Helga Kleiner: Ältere behinderte Menschen ernst nehmen Die Politik wird immer schnelllebiger. Unsere Große Anfrage zur Situation von älteren Menschen mit Behinderungen in Schleswig-Holstein und die Antwort der Landesregierung sind dafür ein gutes Beispiel.
Die Anfrage unserer Fraktion datiert vom 18. Oktober 2000. Die Landesregierung hat diese Anfrage – mit unserem Einverständnis – 5 ½ Monate später, nämlich am 1. April 2001, beantwortet.
Unsere Große Anfrage ist ausgelöst worden durch eine Schnittstellenproblematik zwischen dem Bundessozialhilfegesetz und dem Pflegeversicherungsgesetz, also dem SGB XI. Das Bundessozialhilfegesetz verpflichtet die Sozialhilfeträger nach Maßgabe der §§ 39 ff zur Zahlung von Eingliederungshilfe an behinderte Menschen. Zahlstellen sind die Sozialämter in den Kreisen und kreisfreien Städten. Das Land beteiligt sich an diesen Kosten. Das SGB XI verpflichtet die Pflegekassen, also die Krankenkassen, zur Zahlung der Pflegekosten in dem Umfange, wie das Pflegeversicherungsgesetz es festlegt. Wenn ältere behinderte Menschen , die in einem Wohnheim der Behindertenhilfe lebten, pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes wurden, so mussten die Pflegekassen bislang gemäß § 43a SGB XI nur einen monatlichen Zuschuss (begrenzt auf höchstens 500 DM) leisten. Die Sozialhilfeträger waren deshalb aus finanziellen Gründen daran interessiert, dass ältere Menschen, die nicht mehr in den Werkstätten der Behindertenhilfe arbeiteten, dann, wenn sie pflegebedürftig im Sinne des SGB XI wurden, möglichst bald aus dem Wohnheim der Behindertenhilfe aus- und in ein Pflegeheim mit Versorgungsvertrag einzogen. Das aber liegt im Regelfall überhaupt nicht im Interesse der pflegebedürftig gewordenen älteren Menschen. Die Einrichtung der Behindertenhilfe, in der sie viele Jahre, oft Jahrzehnte leben, ist im vollen Sinne des Wortes zur Mitte ihres Lebens, zu ihrer Heimat geworden. Die Verbände und Vereine der Behindertenhilfe waren im Herbst des vergangenen Jahres in großer Sorge, das dass immer deutlicher werdende Schnittstellenproblem zwischen dem BSHG und dem SGB XI sich zu einem „Verschiebebahnhof“ für die älteren behinderten Menschen entwickeln werde. Wir haben ihre Sorge geteilt und nach Ansätzen gesucht, um dieser bösen Entwicklung entgegenzuwirken. Das war der politische Kern unserer Großen Anfrage.
Hier ist nun eine neue Lage entstanden. Am 6. April dieses Jahres, also 5 Tage nach der Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage vom 18. Oktober vorigen Jahres, hat der Bundestag das seit langem in der politischen Diskussion befindliche Sozialgesetzbuch IX beschlossen, und zwar – was ich hervorhaben will – mit Zustimmung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Der Bundesrat wird – wenn das nicht schon in den letzten Tagen geschehen ist – mit Sicherheit dem SGB IX zustimmen. Was unser Problem anbelangt, will ich – mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten – aus dem Redebeitrag des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Behinderten Karl Hermann Haack folgendes zitieren:
„Ein weiterer Punkt: Wir haben einen Riegel vorgeschoben, so dass es den Landesfinanzministern nicht mehr möglich ist, sich auf Kosten der Pflegeversicherung – zugunsten der Eingliederungshilfe – zu entlasten. Es ist also nicht mehr möglich, dass ältere Menschen mit Behinderungen, die in stationären Reha-Einrichtungen leben, gewissermaßen in Pflegefälle umgetauft werden, aus ihrer Lebensumwelt herausgenommen und in Pflegeeinrichtungen untergebracht werden. Hier ist eine einvernehmliche Regelung mit den Ländern gefunden worden“.
Und Karl Hermann Haack hat hinzugefügt: „Ich begrüße das außerordentlich“.
Seinen Worten schließe ich mich mit Freude an und gehe jetzt davon aus, dass die praktische Umsetzung der neuen Regelung zu Einzelfallentscheidungen führen wird, die das berechtigte Interesse der älteren behinderten Menschen, die in Wohnheimen der Behindertenhilfe leben und pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes geworden sind, auch wirklich schützen. Die Sozialministerin fordere ich auf, hierauf besonders sorgfältig zu achten. Sollten sich bei der verwaltungsmäßigen Durchführung der Neuregelung Schwierigkeiten zu Lasten der behinderten Menschen ergeben, werden diese spätestens bei der Überprüfung, die für das SGB IX nach Ablauf von zwei Jahren vorgesehen ist, berücksichtigt werden müssen.
Ein Wort noch in eigener Sache: Es wäre für meine Arbeit als Oppositionspolitikerin durchaus hilfreich gewesen, wenn die Landesregierung bei der Abfassung ihrer Antwort auf unsere Anfrage noch fünf Tage zu den 5 ½ Monaten drauflegt und das Ergebnis der Bundestagssitzung vom 6. April in die Beantwortung der Anfrage eingearbeitet hätte. Aus den Formulierungen unserer Fragen zu 13a – e war deutlich zu erkennen, worauf es uns in besonderer Weise ankam. Und die Landesregierung hat dies auch erkannt, wie sich aus den Formulierungen ihrer Antworten ergibt.
Was nun die Antwort der Landesregierung auf die anderen Fragen, die wir gestellt haben, anlangt, kann und will ich mich kurz fassen:
Bei der Frage 12 geht es um die Möglichkeit der Teilnahme am sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben und den Beitrag der Landesregierung, vorliegende Defizite abzubauen. In Frage 15 fragen wir nach der Hilfe und Unterstützung, die ältere Menschen mit Behinderung bei der täglichen Kommunikation erhalten.
Frage 19 befasst sich mit Tagesstrukturangeboten und
Frage 20 mit der Qualifikation des Personals hinsichtlich Gerontologie, Gerontopsychiatrie und Sterbebegleitung.
Durch die Antworten der Landesregierung ist unser Informationsbedarf in keinem Punkt gedeckt. Ich gehe heute davon aus, dass wir im Sozialausschuss nähere Auskünfte erhalten und konkreter darüber sprechen werden, auf welchem Wege und mit welcher Unterstützung die Sozialministerin helfen will.
Abschließend will ich – anknüpfend an unsere Frage 13e und die Antwort der Landesregierung hierzu – noch einige allgemeine Bemerkungen anfügen:
Wir hatten uns bei der Frage 13e darauf bezogen, dass Frau Ministerin Moser bei der Fachtagung „Behindertenhilfe zwischen Eingliederungshilfe und Pflegeversicherung“ am 4. Mai 1999 erklärt hat, „mittel- bis langfristig sei ein einheitliches Leistungsgesetz erforderlich“ und dazu ergänzend gefragt, welche Maßnahmen die Landesregierung inzwischen getroffen hat, um ihren Beitrag zur Verwirklichung dieses Zieles zu leisten. Die Landesregierung hat in ihrer Antwort erklärt, sie teile die Einschätzung der Bundesregierung, derzeit wegen der nicht absehbaren Finanzfolgen noch kein Leistungsgesetz zu schaffen, sondern zunächst mit dem SGB IX eine begrenzte Sachreform vorzunehmen. Das SGB IX, das sie in wesentlichen Bereichen mitgestaltet habe, enthalte Verbesserungen für Menschen mit Behinderung. Eine solche Verbesserung sieht die Landesregierung insbesondere darin, dass nicht nur die Schaffung von Service- und Beratungsstellen verbindlich festgeschrieben wird, sondern darüber hinaus auch die Aufgaben dieser Servicestellen im Gesetz beschrieben werden.
Meine Damen und Herrn, eine gute Wirtschaftspolitik füllt die Kassen des Finanzministers mit Steuern und Abgaben. Eine gute Sozialpolitik dagegen bringt kein Geld, sondern kostet Geld. Die finanzpolitisch armen Sozialminister greifen daher gerne zu Zauberworten, um die Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich ihrer Wünsche und Forderungen nach einer guten Sozialpolitik wenigstens zu beruhigen. Ein solches Zauberwort war in den letzten Jahren der „Modellversuch“, angereichert mit dem Hinweis auf seine wissenschaftliche Begleitung. Jetzt wird das Wort „Beratungsstellen“ zu einem neuen Zauberwort, möglichst angereichert mit der Ergänzung „flächendeckendes Netz“. Gewiss, es gibt in bestimmten Bereichen der Sozialpolitik einen Beratungsbedarf. Aber ob die jetzt im SGB IX vorgesehenen und von der Landesregierung besonders gelobten Beratungs- und Servicestellen aus sachlichen Gründen notwendig sind, halte ich für zweifelhaft und verweise dazu auf die Stellungnahme des Vorstandsvorsitzenden des Verbandes der Angestellten- Krankenkassen Herbert Rebscher, nachzulesen im „forum für gesundheitspolitik“ Ausgabe Februar 2001, Seite 62. Herbert Rebscher ist der Ansicht, die im SGB IX vorgesehene neue Beratungs- und Servicestruktur werde nur zu Verzahnungsproblemen zwischen Servicestellen und Rehabilitationsträgern führen und Investitionskosten von rund 400 Millionen Mark zu Lasten der Rehabilitationsträger auslösen, ohne die Versorgung der behinderten Menschen insgesamt zu verbessern. Also doch wieder nur ein sozialpolitisches Zauberwort? Die Zukunft wird es zeigen!
Meine Damen und Herren, ich beantrage die Überweisung in den Sozialausschuss zur abschließenden Beratung und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.