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15.12.00
10:20 Uhr
CDU

TOP 16 Jost de Jager: Betreuung darf nicht zu Lasten der Unterri chtsversorgung gehen

LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N

Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.landsh.de/cdu-fraktion/ e-mail:fraktion@cdu.landsh.de
PRESSEMITTEILUNG
Nr. 485/00 vom 15. Dezember 2000

TOP 16 Jost de Jager: Betreuung darf nicht zu Lasten der Unterrichtsversorgung gehen
Die Bedingungen für unsere Schulen haben sich geändert. Aus diesem Grund gibt es – übrigens bundesweit – eine bildungspolitische Diskussion nicht nur um die Inhalte und die Effizienz von Schule und Unterricht, sondern auch deren Organisation. Es geht dabei um die Ausweitung halbtägiger und ganztägiger Betreuungsangebote.
Wir müssen gesellschaftliche Entwicklungen und eine Veränderung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zur Kenntnis nehmen und im staatlichen Schulwesen berücksichtigen. Der Bedarf an zusätzlichen Betreuungsangeboten an Schulen und einem ausgeprägteren Erziehungsauftrag von Schulen definiert sich positiv wie negativ.

Positiv dadurch, dass viele gerade junge Eltern verlässliche Halbtagsschulzeiten in der Grundschule wünschen und ebenso ein Angebot ganztägiger Betreuung auch an den weiterführenden Schulen ständig oder auch nur an einzelnen Tagen nutzen möchten. Wir glauben, dass wir einen solchen zusätzlichen Bedarf an Betreuung aus familienpolitischen Gründen – wie übrigens auch aus schulpolitischen Gründen – aufnehmen sollten und das Unsere dazu betragen sollten, diesen Bedarf auch zu decken.
Negativ definiert sich der Bedarf dadurch, dass es eine wachsende Zahl von Elternhäusern gibt, in denen Erziehung und Betreuung nicht oder nicht ausreichend geleistet werden. Hier entsteht eine Lücke, ein Erziehungs- und Betreuungsloch, das wir aus sozialen und familienpolitischen sowie schulpolitischen Gründen ebenfalls schließen müssen.
Die CDU in Schleswig-Holstein beteiligt sich an dieser Diskussion nicht erst mit Vorlage dieses Antrages. Wir haben bereits im Sommer im Rahmen der Hauptschulinitiative, die wir ab der Januar-Sitzung in mehreren Etappen im Ausschuss beraten werden, bereits vorgeschlagen, die ganztägige Betreuung zu einem profilbildenden Element der Hauptschule zu machen. Die Frage der ganztägigen Betreuung an weiterführenden Schulen ist natürlich nicht auf die Hauptschule allein zu beschränken. Aber sie scheint mir aus mehreren Gründen an dieser Schulart in besonderer Weise notwendig zu sein.
Denn wir dürfen die Betreuung nicht nur als eine schlichte Verlängerung des Aufenthaltes im Schulgebäude auch in den Nachmittagsstunden begreifen, sondern auch als eine Möglichkeit, gerade diejenigen Schülerinnen und Schüler nach der Unterrichtszeit auch zu begleiten, die es in besonderer Weise nötig haben.
Wir haben als Union auch im Rahmen unserer Bildungskampagne auf die notwendige Verbesserung des Angebots ganztägiger Betreuung an schleswig-holsteinischen Schulen hingewiesen bis hin zu einem Angebot an Ganztagsschulen flächendeckend im Lande einzuführen, dort, wo es von den Eltern gewünscht wird und wo man es schrittweise organisiert bekommt.
Vordergründig sind wir uns in der Frage der Schule und Jugendhilfe im Parlament einig. Auf den zweiten Blick indes nicht. Und aus diesem Grunde haben wir zu Ihrem Antrag einen Änderungsantrag eingebracht.
An Ihrem Antrag kann man nämlich schon erkennen, dass Sie im Grunde eine gar keine parlamentarische Befassung mit diesem Thema wollen, sondern nur eine Veröffentlichung koalitionsinterner Fachgespräche bezwecken.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe wirklich kritischer Punkte, genauso viele Punkte, mit denen wir nicht einhergehen. Dazu gehört die Forderung zu überprüfen, inwieweit Stundenkontingente (an Schulen) in sozialpädagogische Anteile umgewidmet werden können. Darin unterscheiden wir uns grundsätzlich. Nach unserer Auffassung sollen die Betreuungsangebote den Unterricht ergänzen, aber ihn nicht ersetzen. Und deshalb darf auf keinen Fall die Betreuung und die in einigen Bereichen erforderliche Schulsozialarbeit nicht zu Lasten der Unterrichtsversorgung und der Unterrichtskontingente gehen. Darauf legen wir Wert und wir legen ebenso auf die Tatsache Wert, dass als Folge zusätzlicher Betreuungsangebote die Anforderungsprofile für Lehrkräfte und Betreuungskräfte nicht miteinander vermischt werden. Weder in der Lehrerausbildung noch in der späteren Einstellung von Mitarbeitern an Schulen. Und deshalb darf es niemals so weit kommen, dass die Beschäftigung eines Sozialpädagogen an einer Schule durch Einsparung von Unterrichtsanteilen erwirtschaftet wird.
Deshalb zeigt sich neben den Sachfragen in Ihrem Antrag, die wir zum Teil mittragen können, dass wir politisch einen anderen Ansatz verfolgen. Für uns steht die Organisation von Betreuungsangeboten an Schulen im Vordergrund. Und deshalb wollen wir die Zusammenarbeit von Schule nicht allein auf die Jugendhilfe beschränken, sondern ausweiten auf die Zusammenarbeit mit Dritten insgesamt. Dazu gehören neben den Trägern von Jugendhilfeeinrichtungen und Haushalten auch Kooperationspartner wie die Bundesanstalt für Arbeit. Denn wir haben z. B. der Presseberichterstattung entnommen, dass Betreuungsangebote an Schulen in Schleswig-Holstein namentlich in Husum durch Veränderungen bei der Bezuschussung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durch das Land gefährdet sind. Dies ist auch Gegenstand einer Kleinen Anfrage des Kollegen Torsten Geerdts und mir und deshalb erwarte ich im Rahmen dieser heutigen Debatte auch noch keine Antwort darauf und ich will auch überhaupt nicht von vornherein behaupten, dass Kürzungen in diesem Bereich von vornherein falsch seien. Wir müssen uns aber einen Überblick darüber verschaffen, wie viele Betreuungsangebote an Schulen derzeit von solchen Maßnahmen abhängen, wie diese Maßnahmen von Kürzungen betroffen sein werden und wie sie in einer anderen Organisationsstruktur aufrecht erhalten werden können. Wir müssen darüber hinaus praktische Fragen klären, wie die Bereitstellung von Frühstücks- und Mittagessenangeboten im Zusammenhang mit Betreuung an Schulen, wir müssen prüfen, welche Kostenanteile miteinander kompatibel sind, wo es rechtlichen Änderungsbedarf gibt und wie man zu verlässlichen Regelungen eines Interessenausgleichs zwischen dem Land, den Schulträgern und besagten Dritten kommen kann. Dies sind die Grundvoraussetzungen für die Entwicklung weiterer Vorschläge in diesem Bereich und für Verhandlungen, die mit den Schulträgern zu führen sind.
Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen Punkt hinweisen, der über den Gegenstand eines Berichtsantrages hinausgeht. Bei dem Fragenkomplex ganztägige Betreuung, ganztägige Beschulung, zunehmende erzieherische Aufgaben usw. wird aus meiner Sicht immer stärker deutlich, dass wir an die Grenzen der Kameralistik stoßen, dass wir die Grenzen der Schulfinanzierung nach traditionellem Muster erreichen. Soll heißen: Die Aufteilung der Kosten zwischen dem Land für die Lehrer und den Kommunen für die sächliche Ausstattung und die Betreuungsangebote. Diese Grenzen der Zuständigkeit erreichen wir auch bei Multi- Media, aber wir erreichen sie vor allem bei diesem Thema. Denn bei der schulpolitisch sinnvollen Forderung nach einer Ausweitung der Betreuungsangebote verfügen wir über das Geld anderer Leute, nämlich das der Kommunen. Und es stellt sich auch die Frage, ob man die Bereitstellung zusätzlicher Betreuungsangebote, die eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, einfach den Schulträgern ablagert. Kooperation mit Jugendhilfe, der Bundesanstalt für Arbeit und anderen Trägern sind ein pragmatischer Schritt. Die große politische Aufgabe wird darin bestehen, über neue Wege der Schulfinanzierung insgesamt nachzudenken.